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Wirtschaftsumfeld | Iran | Wirtschaftspolitik

Neue Regierung erzeugt wenig Optimismus

Die Regierung unter Präsident Raisi zeigt bislang an einer Verständigung mit den USA und der EU wenig Interesse. Die Wirtschaftspolitik will auf Resilienz gegen Sanktionen setzen.

Von Robert Espey | Dubai

Nach Amtsantritt der neuen Regierung unter Präsident Ebrahim Raisi Anfang August (2021) zeigen sich weite Teile der Wirtschaft verunsichert. Hoffnungen auf eine kurzfristige signifikante Besserung der wirtschaftlichen Situation bestehen kaum. Vielmehr werden häufig Befürchtungen über eine mögliche Verschlechterung der ohnehin kritischen Lage geäußert.

Der monatlich vom Statistikcenter der Iran Chamber of Commerce (ICC) erhobene PMI (Purchasing Managers' Index) war im Monat nach der am 18. Juni abgehaltenen Präsidentschaftswahl stark abgefallen, von 51,3 auf 44,6 Punkte. Es folgte im August eine leichte Erhöhung auf 46,6 Punkte. Bei Index-Werten unter 50 wird von einer schrumpfenden Wirtschaft ausgegangen. Als ein Grund für die aktuell schwache Wirtschaftsentwicklung werden die bestehenden Unwägbarkeiten hinsichtlich zukünftiger wirtschaftspolitischer Maßnahmen genannt.

Fortgang der Verhandlungen über Sanktionslockerungen ungewiss

Die zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wichtige Lockerung der US-Sanktionen wird von der Raisi-Regierung nicht als Priorität behandelt. Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes dürfe nicht von einer Verständigung mit Washington abhängig gemacht werden, so die Haltung der neuen Regierung.

Den Aufforderungen der EU und der USA auf zügige Fortführung der zwischen April und Juni 2021 in Wien geführten Gespräche über eine Wiederbelebung des Atomabkommens (offizielle Bezeichnung: Joint Comprehensive Plan of Action/JCPOA) hat Teheran bislang nicht entsprochen. Beobachter verzeichnen auf Seiten der US-Administration einen wachsenden Pessimismus.

Dem neuen iranischen Außenminister, Hossein Amir Abdollahian, zufolge will Teheran die Verhandlungen über das Atomabkommen fortsetzen. Am 21. September erklärte ein Sprecher des iranischen Außenministeriums, die Verhandlungen in Wien würden in einigen Wochen wieder aufgenommen.

Nach einer Rückkehr an den Verhandlungstisch ist nicht mit schnellen Ergebnissen zu rechnen. Noch sind die von Washington und Teheran formulierten Forderungen in wichtigen Bereichen weit voneinander entfernt. Eine nach zähen Verhandlungen erzielte Verständigung über eine Rückkehr Irans zu seinen JCPOA-Verpflichtungen (Rückbau der Atomindustrie) und im Gegenzug eine Lockerung von US-Sanktionen hätte allerdings nur einen begrenzten Wert, wenn unsicher wäre, ob die Einigung langfristig Bestand hat.

Fehlende Bereitschaft zur Erfüllung der FATF-Standards

Für eine nachhaltige Rückkehr westlicher Unternehmen nach Iran ist neben der Lockerung von US-Sanktionen auch entscheidend, ob Teheran die Forderungen der internationalen Financial Action Task Force (FATF) nach effektiven Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Proliferation erfüllt. Iran hatte 2016 mit der FATF vereinbart, bis 2018 einen entsprechenden Aktionsplan umzusetzen.

Im Februar 2020 stellte jedoch die FAFT fest, Iran habe weiterhin die gemäß den FATF-Standards erforderliche Ratifizierung internationaler Konventionen nicht vorgenommen. Als Konsequenz ist Iran wieder auf die "schwarze Liste" der FATF gesetzt worden (Status: "High-Risk Jurisdictions subject to a Call for Action").

Präsident Raisi zeigt bislang keine Bereitschaft, die FATF-Forderungen umzusetzen, sondern kritisiert seinen Vorgänger, Hassan Rohani, auf die Erfüllung der FATF-Standards gedrängt zu haben. Mit entsprechenden Gesetzesvorhaben war Rohani gescheitert.

Solange Iran auf der "schwarzen Liste" steht, werden ausländische Banken (insbesondere westliche Banken) eine Normalisierung der Geschäftsbeziehungen zu iranischen Unternehmen und zum iranischen Banken- und Finanzsektor ablehnen. Damit wären - trotz einer eventuellen Lockerung von US-Sanktionen - die notwendigen Finanzierungen aus dem westlichen Ausland kaum zu erwarten.

Unter Präsident Raisi sollen insbesondere die Wirtschaftsbeziehungen zu Nachbarstaaten, Russland sowie China und anderen asiatischen Ländern ausgebaut werden. Beobachter weisen jedoch darauf hin, dass diese Strategie bei fortbestehenden US-Sanktionen nur geringe Erfolgsaussichten hätte. Die meisten Länder (auch China) würden sich gegenüber Iran angesichts der Risiken einer Konfrontation mit den USA weiterhin zurückhaltend zeigen.

Mit der im September (2021) erworbenen Vollmitgliedschaft in der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Iran seine außenpolitische und außenwirtschaftliche Orientierung unterstrichen. Die anderen SCO-Vollmitglieder sind China, Russland, Indien, Kasachstan, Kirgisistan, Pakistan, Tadschikistan und Usbekistan.

Neuer Wirtschaftsminister will Forcierung der "Widerstandsökonomie"

Der neue Wirtschafts- und Finanzminister, der 41-jährige Ökonom Ehsan Khandouzi, gilt als treuer Anhänger des Revolutionsführers und wurde als Mitglied der fundamentalistischen Liste des heutigen Parlamentssprechers, Mohammad Baqer Qalibaf, 2020 als Abgeordneter für Teheran ins Parlament gewählt. Davor war er im Forschungsinstitut des Parlaments (Majlis Research Center) und an der Allameh Tabatabai University tätig.

Der Minister ist ein Anhänger der vom Revolutionsführer propagierten "Widerstandsökonomie", die Irans Resilienz gegen Sanktionen erhöhen soll. Im Bereich der internationalen Wirtschaftsbeziehungen will Khandouzi vorrangig auf einen Ausbau der Beziehungen zu China, die Entwicklung des Nord-Süd-Transportkorridors (gemeinsam mit Russland) sowie strategische Kooperationen mit der Türkei, Indien und anderen regionalen und asiatischen Ländern setzen.

Die Senkung des hohen Haushaltsdefizits nennt Khandouzi als eine Priorität. Ein höheres Steueraufkommen und ein Abbau/Umbau des Subventionssystems werden als Lösungen genannt. Zudem wird eine Reform des Bankensektors angekündigt. Die Inflation soll gesenkt und der Wechselkursverfall des Rial gestoppt werden. Derzeit liegt die offizielle Inflationsrate bei über 40 Prozent. Anfang 2018 kostete ein US-Dollar auf dem freien Markt rund 44.000 Rial, aktuell sind es etwa 280.000.

Präsident Raisis Stellvertreter für wirtschaftliche Angelegenheiten

Der neue Vizepräsident für wirtschaftliche Angelegenheiten, Mohsen Rezai, war von 1981 bis 1997 Kommandeur der Revolutionsgarden und anschließend bis 2021 Sekretär des "Expediency Council". Das Gremium wird vom Revolutionsführer ernannt und soll Konflikte zwischen dem Parlament und dem "Guardian Council", der Gesetze auf Verfassungsmäßigkeit überprüft, schlichten. Rezai steht (wie auch Präsident Raisi) unter US-Sanktionen. Zudem existiert ein internationaler Haftbefehl im Zusammenhang mit einem Bombenanschlag auf ein jüdisches Kulturzentrum in Buenos Aires im Jahre 1994. Rezai hat mehrfach (auch 2021) erfolglos in Präsidentschaftswahlen kandidiert.



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