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Wirtschaftsumfeld | Iran | Sanktionen

Wachstumsschub erst nach Sanktionslockerung

Irans Regierung prognostiziert ein hohes Wirtschaftswachstum auch bei fortbestehenden US-Sanktionen. Diese Vorhersage wird von neutralen Beobachtern für wenig realistisch gehalten.

Von Robert Espey | Dubai

Die neue, seit August 2021 amtierende Regierung unter Präsident Ebrahim Raisi will Zuversicht verbreiten und plant für 2022/2023 (iranisches Jahr 1401: 21. März bis 20. März) mit einem realen Wirtschaftswachstum von 8 Prozent, so der im Dezember dem Parlament vorgelegte Haushaltsentwurf. Regierungsvertreter erklären, das Wachstumsziel setze keine Aufhebung der US-Sanktionen voraus. Die Planung basiere nicht auf der Annahme von Konjunkturimpulsen durch eine Einigung bei den in Wien laufenden Verhandlungen über eine Reaktivierung des 2015 ausgehandelten Atomabkommens (offizielle Bezeichnung: Joint Comprehensive Plan of Action/JCPOA).

Offizielle Wachstumsprognose kaum realistisch

Bei unabhängigen Beobachtern und in breiten Teilen der Bevölkerung stoßen die Regierungsprognosen aber auf Unverständnis. Es besteht weitgehender Konsens, dass erst nach einer Lockerung der US-Sanktionen mit kräftigem Wachstum zu rechnen ist. Ohne Sanktionsabbau wird 2022/2023 nur ein schwaches BIP-Wachstum (Bruttoinlandsprodukt) erwartet. Die Economist Intelligence Unit (EIU) kalkuliert in ihrer jüngsten Prognose (Dezember 2021) mit lediglich 1,2 Prozent. Die im Oktober 2021 vorlegten Vorhersagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank gehen von 2 beziehungsweise 2,4 Prozent aus.

Der offiziellen Wachstumsprognose für 2022/2023 liegt unter anderem ein Anstieg der Ölausfuhren auf durchschnittlich 1,2 Millionen bpd (barrel per day) zugrunde. Schätzungen zufolge kann Iran aber derzeit lediglich 0,4 Millionen bis 0,6 Millionen bpd exportieren, vor allem nach China.

Gemäß OPEC-Daten ist Irans Rohölproduktion (ohne Kondensate) sanktionsbedingt zwischen 2017 und 2020 von durchschnittlich 3,8 Millionen auf 2 Millionen bpd geschrumpft und konnte sich 2021 auf 2,4 Millionen bpd etwas erholen. Die iranischen Rohölausfuhren werden für 2020 mit durchschnittlich 0,4 Millionen bpd angegeben (2017: 2,1 Millionen bpd). Vortexa Analytics zufolge erreichten Irans Ölexporte im Mai 2018 mit 2,9 Millionen bpd (einschließlich Kondensate) einen Höhepunkt.

Ungehinderte Ölexporte haben Priorität

Bei den Wiener Verhandlungen fordert Iran eine vollständige und verifizierbare Aufhebung aller von der Trump-Administration reaktivierten oder neu erlassenen Sanktionen und verlangt zudem Garantien zur Verhinderung eines erneuten JCPOA-Ausstiegs der USA. Dabei haben eine sanktionsfreie Ausfuhr von Öl und petrochemischen Erzeugnissen sowie die ungehinderte Verwendung der Exporterlöse oberste Priorität.

Irans neuer Außenminister, Hussein Amir Abdollahian, erklärte im Dezember, das wichtigste Thema sei, eine Situation zu schaffen, die einen einfachen Verkauf iranischen Öls ohne Hindernisse ermögliche. Beobachtern zufolge dürfte Iran nach einer Sanktionslockerung recht kurzfristig seine Ölausfuhren auf über 2 Millionen bpd ausweiten und könnte 2023 neue Höchstmarken erreichen. Iranischen Pressemeldungen zufolge versucht Iran derzeit, die Ängste möglicher Ölkunden vor US-Sanktionen durch sehr hohe Preisnachlässe zu überwinden.

Die Notwendigkeit, wieder höhere Exporterlöse zu erwirtschaften, lässt ein Scheitern der weiterhin sehr zähen Verhandlungen als eher unwahrscheinlich erscheinen. Iran wird auf seine Forderungen nach vollständiger Zurücknahme der Trump-Sanktionen sowie nach belastbaren Garantien und einem Verifizierungssystem vermutlich verzichten müssen. Die USA und die E3-Länder (Vereinigtes Königreich, Frankreich, Deutschland) dürften ihre Vorstellungen hinsichtlich einer substanziellen Erweiterung/Modifizierung des Atomabkommens nicht realisieren können.

Alle Parteien scheinen bereit zu sein, "Maximalpositionen" aufzugeben und gesichtswahrende Lösungen anzustreben. Dennoch ist ein Scheitern der Verhandlungen nicht auszuschließen.

Geschrumpfte Wirtschaft zeigt Resilienz

Die US-Sanktionspolitik hat Irans BIP zwar deutlich schrumpfen lassen, aber ein Kollaps der Wirtschaft steht nicht bevor. Gemäß Statistikamt ist das BIP zwischen 2017/2018 und 2019/2020 um real 11 Prozent geschrumpft. Es folgte 2020/2021 ein Plus von 1 Prozent.

Für das 1. Halbjahr 2021/2022 (21. März bis 20. September 2021) weist die Behörde ein BIP-Wachstum gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode um 5,9 Prozent aus. Das kräftige Wachstum wurde vor allem durch den Öl- und Gassektor verursacht, der um 18,3 Prozent zulegen konnte. Die verarbeitende Industrie expandierte um 3,8 Prozent, der Dienstleistungssektor um 4,8 Prozent. Der private Konsum soll um 12 Prozent gestiegen sein, die Bruttoanlageinvestitionen um 5,4 Prozent. Auch wenn berechtigte Zweifel an der Validität der Daten bestehen, die Talfahrt der Wirtschaft scheint vorerst gestoppt.

Die iranische Zentralbank stellt eigene Berechnungen zur BIP-Entwicklung an. Es gibt teilweise erhebliche Abweichungen zu den Daten der Statistikbehörde, aber der Wachstumstrend wird grundsätzlich bestätigt. Nach Zentralbankangaben stieg das BIP im 1. Halbjahr 2021/2022 lediglich um 4 Prozent. Für den Öl- und Gassektor wird ein Zuwachs von 15,1 Prozent ausgewiesen. Die verarbeitende Industrie expandierte um 1,9 Prozent, das Dienstleistungsgewerbe um 5,7 Prozent.

Noch keine neue Coronawelle

Die Coronaepidemie hat der sanktionsbedingt schon zuvor geschrumpften Wirtschaft nur begrenzt zusätzlichen Schaden zugefügt. Mit Beschränkungen für die Wirtschaft und das öffentliche Leben wird zurückhaltend umgegangen. Auch in Iran ist die Omikron-Variante mittlerweile angekommen. Die offiziellen Zahlen zeigen aber noch keine neue Infektionswelle. Die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner erreichte im August 2021 mit über 330 ihren Höchststand und liegt aktuell bei 14 (Stand: 4. Januar 2022).

Insgesamt 120,4 Millionen Impfdosen wurden bislang verabreicht (vor allem Sinopharm). Etwa 62 Prozent der 84 Millionen-Bevölkerung (entspricht 52,1 Millionen) sind vollständig geimpft, davon 8,4 Millionen schon geboostert. Rund 8 Millionen haben bislang nur eine Erstimpfung. Ein Großteil der noch nicht Geimpften dürfte zur Gruppe der Genesenen gehören.

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