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Rechtsbericht Irland Coronavirus

Irland: Coronavirus und Verträge

Die Corona-Pandemie beeinträchtigt Vertragsbeziehungen weltweit und Klauseln über höhere Gewalt sind in aller Munde. Doch wie handhabt das irische Recht Fälle von Force Majeure?

Von Nadine Bauer | Bonn

Einleitung

Die Pandemie und die mit ihr immer noch einhergehenden Beschränkungen belasten Unternehmen - trotz schrittweiser Lockerungen - weiterhin stark. Viele Vertragsparteien sehen sich außerstande, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen - sei es auf unbestimmte Zeit oder zumindest für einen beträchtlichen Zeitraum. Dies betrifft auch die Vertragsbeziehungen zwischen Deutschland und Irland.

Individualvertragliche Regelungen

In vielen internationalen Verträgen findet sich eine sogenannte Force Majeure- beziehungsweise Höhere Gewalt-Klausel. Im Allgemeinen wird höhere Gewalt als ein von außen einwirkendes und unerwartetes Ereignis definiert, das auch durch äußerste Sorgfalt nicht abgewendet werden kann und das eine Vertragspartei an der Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen hindert. Voraussetzung für die Annahme höherer Gewalt sind somit Unvorhersehbarkeit und Unabwendbarkeit des Ereignisses.

Individualvertraglich kann diese allgemeine Definition angepasst und insbesondere auch konkretisiert werden: Maßgeblich zur rechtlichen Einschätzung ist daher ein direkter Blick in den Vertrag. Oftmals sind dort Anwendungsfälle (zum Beispiel acts of God, acts of Government oder a national emergency) genannt. Gelegentlich enthalten Klauseln über höhere Gewalt sogar einen ausdrücklichen Hinweis auf Epidemien oder Pandemien. Ist einer dieser Anwendungsfälle einschlägig, so erleichtert dies die Berufung auf das Vorliegen höherer Gewalt. Zusätzlich ist aber auch erforderlich, dass das Ereignis höherer Gewalt in dem spezifischen vertraglichen Kontext die Erfüllung unmöglich macht oder die betroffene Partei in unangemessener Weise belastet.

Neben diesen zu erfüllenden Anforderungen verpflichten viele Force Majeure-Klauseln die Parteien, ein entsprechendes Ereignis unverzüglich zu melden. Des Weiteren können für die Dauer des Ereignisses weitere Informations- und insbesondere auch Kooperationspflichten bestehen. Die Partei, die sich auf höhere Gewalt beruft, muss diesen Verpflichtungen im Allgemeinen in vollem Umfang nachkommen.

Ob die durch die Coronakrise verursachte Situation ein Ereignis höherer Gewalt darstellt, lässt sich nicht allgemeinverbindlich beantworten. Denn dies hängt im Ergebnis von der individuellen Ausgestaltung einer entsprechenden Klausel und den jeweiligen Umständen ab. Es hat somit eine konkrete Betrachtung des Einzelfalles zu erfolgen.

Höhere Gewalt im irischen Recht

Einige Rechtssysteme haben Ereignisse höherer Gewalt gesetzlich kodifiziert; die Parteien können sich dann auch bei Fehlen einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung darauf berufen. Das irische Recht hingegen enthält keine explizite Regelung zu höherer Gewalt. Demnach ist für die Berufung auf ein solches Ereignis stets eine ausdrückliche Vertragsklausel erforderlich.

Doch auch bei Vorliegen einer solchen nehmen die irischen Gerichte eine grundsätzlich sehr strenge Auslegung vor: Es reicht in der Regel nicht aus, dass eine allgemeine Klausel über höhere Gewalt beziehungsweise Force Majeure in den Vertrag aufgenommen wurde. Vielmehr müssen die Vertragsparteien auch die konkreten Umstände und Ereignisse, die zur Annahme höherer Gewalt führen sollen, vertraglich fixiert haben. Dies kann zum Beispiel durch eine nicht abschließende Aufzählung erfolgen. Dem genauen Wortlaut der jeweiligen Klausel kommt dabei erhebliche Bedeutung zu.

Und auch die Beweisanforderungen sind hoch. Es wird grundsätzlich nicht ausreichen, nachzuweisen, dass die Erfüllung der Verpflichtungen für die betreffende Partei nun schwieriger oder teurer geworden ist. Es muss vielmehr nachgewiesen werden, dass die Corona-Pandemie kausal für die Nichterfüllung dieser Verpflichtungen ist. Die Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Annahme höherer Gewalt gegeben sind, hängt daher regelmäßig von der konkreten Situation ab. Ob der Covid-19-Ausbruch nach irischem Recht als Force Majeure anzusehen ist, kann folglich nicht allgemeinverbindlich beantwortet werden.

Die richterrechtliche „Doctrine of Frustration“

Sofern der Vertrag keine Klausel zu höherer Gewalt enthält, kennt das irische Recht aber auch die Rechtsdoktrin der frustration of contract: Diese greift, wenn ein bei Vertragsschluss unvorhersehbares Ereignis eintritt, aufgrund dessen die Vertragserfüllung unmöglich wird oder die Vertragspflichten sich grundlegend ändern.

Im Allgemeinen müssen für die Annahme einer frustration folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Nach Vertragsschluss ergeben sich Umstände, die eine Erfüllung der vertraglichen Pflichten dauerhaft unmöglich machen oder den Charakter des Vertrages grundlegend ändern.
  • Die vertraglichen Verpflichtungen können aufgrund von Umständen, die außerhalb des Einflussbereichs der Parteien liegen, nicht länger erfüllt werden.
  • Die zur Nichterfüllung führenden Umstände waren für die Parteien bei Vertragsschluss weder bekannt noch vorhersehbar.

Liegen diese Voraussetzungen vor, so erlischt die Pflicht zur Leistungserbringung automatisch und der Vertrag wird in aller Regel aufgelöst. Jedoch wird dieses Rechtskonstrukt im irischen Recht nur sehr restriktiv angewandt. Und ob der Covid-19-Ausbruch einen zur Vertragsaufhebung berechtigenden Grund darstellt, muss für jede vertragliche Beziehung einzeln geprüft und beurteilt werden. Eine pauschale Aussage hierzu kann nicht getätigt werden.

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