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Wirtschaftsumfeld | Israel | Industrie

Starker Schekel bedroht Israels Industrie

Der Außenwert der israelischen Währung steigt und schmälert die Wettbewerbsfähigkeit zahlreicher Betriebe. Ohne staatliche Hilfe werden bereits für 2022 Umsatzeinbußen befürchtet.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Der Neue Schekel erlebt seit mehreren Jahren einen kräftigen Aufwertungstrend. Hauptgrund sind die hohen Leistungsbilanzüberschüsse, die insbesondere auf boomende Exporte von Hightechdiensten und rapide steigende ausländische Investitionen in den israelischen Hightechsektor zurückgehen.

Exporteinnahmen sind weniger wert

In den ersten zehn Monaten 2021 erhielten israelische Exporteure für jeden US-Dollar durchschnittlich 5,5 Prozent weniger Neue Schekel (NIS) als im Vorjahr. Bei Einnahmen in Euro waren es minus 1,3 Prozent. Nun sind solche Währungsschwankungen nicht außergewöhnlich und würden an sich in der Exportwirtschaft keine Krisenstimmung auslösen. Allerdings sind die Veränderungen dieses Jahres nur die Spitze eines Eisbergs, denn die Aufwertung des Schekels hält bereits seit mehreren Jahren an. Im Vergleich zu 2015 waren die Dollareinnahmen in Schekel in den ersten zehn Monaten 2021 um 16,5 Prozent und in Euro um 8,9 Prozent weniger wert.

Im November 2021 sank der Dollar zeitweise auf seinen niedrigsten Wert seit 26 Jahren und der Euro auf ein absolutes Tief seit seiner Einführung. All das führt zu einer anhaltenden Aushöhlung der Exportrentabilität. Wie die Finanzberatungsfirma Prico Group in diesem Zusammenhang anmerkte, entfallen 38 Prozent der Exporteinnahmen auf US-Dollar und 21 Prozent auf den Euro.

Der Außenwert des Neuen Schekels 2016 - 2021 *)

Jahr

NIS/US$

NIS/€

2016

3,84

4,25

2017

3,60

4,06

2018

3,59

4,25

2019

3,56

3,99

2020

3,44

3,92

2021 (Januar – Oktober)

3,25

3,87

*) Durchschnittswechselkurs für die angegebene Periode Quelle: Bank von Israel (Bank of Israel)

Verlustgeschäfte sind keine Lösung

Diese Entwicklung löst bei der israelischen Industrie tiefe Sorgen aus, insbesondere in den exportintensiven Branchen. Bisher wurde zwar kein Rückgang der Industrieexporte verzeichnet, doch steigen die Einnahmen aus dem Auslandsgeschäft in Schekelpreisen viel langsamer als in US-Dollar. Falls die Entwicklung der ersten drei Quartale 2021 anhält, werden die Industrieexporte den Vorkrisenstand in diesem Jahr in Dollarpreisen um 5 Prozent übertreffen, die Schekeleinnahmen der Exporteure aber immer noch um 5,1 Prozent unter dem Stand von 2019 liegen. 

Gleichzeitig klagt die Industrie über einen Mangel an Facharbeitern, Technikern und Hightech-Experten, der das Gehaltsniveau und damit einen wesentlichen Bestandteil der Kosten in die Höhe treibe. In der Folge dieser „Zangenbewegung“, so der Präsident der israelischen Industriellenvereinigung (Israel Manufacturers Association), Ron Tomer, exportierten viele Betriebe inzwischen ohne Gewinn oder sogar mit Verlust.

Nach Einschätzung von Dan Catarivas, Generaldirektor für Außenhandel und Internationale Beziehungen in der Industriellenvereinigung, sind die betroffenen Exporteure bemüht, die Geschäftsverbindungen zu ihren Kunden nicht zu gefährden und halten an der Ausfuhr fest. Allerdings könne die gegenwärtige Belastung der Industrie durch den starken Schekel, so Catarivas gegenüber Germany Trade & Invest, binnen mehrerer Monate - also bereits 2022 - zu spürbaren Umsatzschäden führen.

Industrieausfuhr 2016 - 2021 in US-Dollar und NIS *)

Jahr

Mrd. US$

Veränderung zum Vorjahr in %

Mrd. NIS

Veränderung zum Vorjahr in %

2016

43,5

-3,4

167,2

-4,4

2017

45,0

3,5

162,0

-3,1

2018

46,1

2,5

165,7

2,3

2019

45,8

-1,3

163,4

-1,4

2020

43,5

-5,2

149,4

-8,6

2021 Januar – September

35,1

10,8

114,4

3,8

*) Ohne DiamantenQuelle: Zentralamt für Statistik (Central Bureau of Statistics)

Selbst die rasche Produktivitätssteigerung der israelischen Industrie, so die Industriellenvereinigung, sei nicht imstande, den durch die Wechselkursentwicklung bedingten Gewinnrückgang völlig auszugleichen. Nach Angaben des Zentralamts für Statistik (Central Bureau of Statistics) und der Industriellenvereinigung nahm die Wertschöpfung der Industrie je Arbeitsstunde 2015 bis 2019 im Durchschnitt um 3,8 Prozent pro Jahr zu.   

Im Coronajahr 2020 schnellte die Produktion je Arbeitsstunde sogar um 13,9 Prozent nach oben. Das, so Catarivas gegenüber Germany Trade & Invest, war großenteils der Tatsache geschuldet, dass der epidemiebedingte Rückgang der Beschäftigtenzahlen stärker als die in vielen Betrieben zu verzeichnende Produktionsschrumpfung war. Zahlreichen Unternehmen sei es sogar gelungen, den Produktionsstand trotz der kleineren Belegschaft zu halten. Allerdings sei nicht zu erwarten, dass sich ein solcher Produktivitätssprung wiederholt. Hinzu komme, dass auch die Industrie anderer Länder ihre Produktivität steigere.

Produktion wird ins Ausland verlegt

Ohne eine Korrektur des Wechselkurses oder wirksame Hilfsmaßnahmen der Regierung, glaubt Catarivas, müssten viele israelische Betriebe ihre Exporte zum Teil einstellen. Eine Folge wäre eine verstärkte Verlegung der Produktion ins Ausland. Ähnlich äußerte sich in diesem Zusammenhang der Vorsitzende des Hightech-Verbands in der Industriellenvereinigung (Israeli High-Tech Association), Marian Cohen: „Die Krise zwingt Unternehmen einfach dazu, Zweigstellen im Ausland statt in Israel zu öffnen.“

Obwohl im Mittelpunkt der Wechselkursdebatte exportintensive Branchen stehen, sind auch viele Betriebe betroffen, die hauptsächlich für den einheimischen Bedarf produzieren. Für sie ist der Wechselkurs wichtig, weil sie sich auf dem Binnenmarkt gegenüber Importprodukten behaupten müssen. Dabei handelt es sich zumeist um technologieärmere Branchen.

Industrie hofft auf Entlastung bei Steuern und Abgaben

Als einen angemessenen Wechselkurs empfindet die Industriellenvereinigung 3,5 bis 3,8 Schekel je US-Dollar (US$). Die Industrievertreter rechnen damit, dass die Zentralbank trotz massiver Dollarkäufe - in Höhe von 30 Milliarden US$ allein in den ersten zehn Monaten 2021 - die Wechselkursentwicklung langfristig nicht aufhalten kann. Sie appellieren deshalb an die Regierung, die Steuer- und Abgabenlast zu erleichtern und damit die effektiven Exporteinnahmen in NIS zu erhöhen.

Je nach Art und Umfang solcher Maßnahmen, erklärt Catarivas, könnte die Kostenbelastung der Industrieunternehmen um mehrere Prozent eingedämmt werden. Auch die Absicherung des Wechselkurses durch Hedging sollte nach Auffassung der Industrie erwogen werden.  

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