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Wirtschaftsausblick | Kanada

Hohes Zinsniveau belastet Kanadas Konjunktur

Kanadas Wirtschaft wird bis Ende 2024 vermutlich kaum zulegen. Doch mehren sich die Anzeichen, dass das Land danach wieder auf einen stabilen Wachstumspfad zurückkehrt.

Von Heiko Steinacher | Toronto

Top-Thema: Neue Batteriefabriken könnten bald den Aufschwung beflügeln

Kanada profitiert von der Mobilitätswende und rückt in den Fokus der internationalen Automobil- und Zulieferindustrie: Der belgische Konzern Umicore baut eine Kathodenfabrik in der Provinz Ontario. In der Nachbarprovinz Québec errichten BASF sowie General Motors (GM) mit seinem südkoreanischen Partner Posco Chemical jeweils eine weitere. Auch Volkswagen (VW) ist aktiv. Die Wolfsburger bauen eine Gigafabrik in Ontario ihre erste außerhalb Europas.

US-Fiskalpakete bescheren auch Kanada positive Spillover-Effekte

Diese Riesenfabriken könnten den Produktionsstandort Kanada künftig aufwerten. Das rohstoffreiche Land verfügt über Vorkommen an Lithium, Nickel und Kobalt. Die Forschungslandschaft ist ausgeprägt. Daher verwundert es nicht, dass Ottawa solche Fabriken mit Milliardensummen fördert.

Die neuen Batteriezellen "made in Canada" sind vor allem für Elektroautos bestimmt, die in den USA gefertigt werden – und die dort von den Fördermitteln im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) profitieren. Bereits kurz nach dessen Verabschiedung haben Batteriehersteller erste Verträge mit kanadischen Bergbauunternehmen über die Lieferung von Mineralien geschlossen.

Trotz dieser positiven Spillover-Effekte erwartet Kanada durch den IRA vor allem negative Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft insbesondere Abwanderungen in die USA.

Wirtschaftsentwicklung: Prognosen geben kurzfristig wenig Anlass zur Hoffnung

Wachstumsfördernd werden sich die neuen Vorhaben in Kanada aber voraussichtlich erst in zwei bis drei Jahren auswirken. Gleichzeitig dürfte die für das Frühjahr 2024 erwartete langsame Rückkehr zu einem neutralen geldpolitischen Kurs mittelfristig die wirtschaftliche Erholung flankieren. In den Jahren 2023 und 2024 wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) real voraussichtlich nur um rund 1 Prozent wachsen.

Einige Großbanken haben im Herbst 2023 ihre Prognosen für 2024 abgeschwächt, sie erwarten nunmehr sogar eine milde Rezession. Die anhaltend hohen Zinsen haben die Inflation zwar etwas eingedämmt, jedoch auch die Konjunktur abgewürgt: Mit 5 Prozent liegt der Leitzins derzeit so hoch wie seit über 20 Jahren nicht mehr.

Der augenblickliche Dämpfer offenbart sich vor allem im Wohnungsbau, der unter den hohen Zinsen leidet: Von April bis Juni 2023 ging er um gut 2 Prozent zurück. Der Neubau schrumpfte sogar um 8 Prozent und war damit das fünfte Quartal in Folge im Minus. Die wegen der geldpolitischen Straffung anhaltend hohen Hypothekenzinsen belasten die Nachfrage spürbar.

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Unternehmen wollen weniger investieren

Wenig Impulse auch vom verarbeitenden Gewerbe: Die Unternehmen halten sich wegen unsicherer Aussichten derzeit zurück. Ihre Investitionen in Industriemaschinen und -anlagen sind im 1. Halbjahr 2023 real um etwa 17 Prozent zurückgegangen. Laut der Umfrage Business Outlook Survey der kanadischen Zentralbank (BoC) von Oktober 2023 gehen immer mehr Unternehmen davon aus, dass sie im Zuge der anhaltend hohen Zinsen in den nächsten vier Quartalen weniger absetzen und investieren werden.

Der Einzelhandel indes trotzt der Stagnation: Reallohnzuwächse aus der Vorpandemiezeit wurden wegen der hohen Inflation 2022 wieder aufgefressen. Während die durchschnittlichen Wochenlöhne 2022 um etwa 3 Prozent stiegen, legten die Verbraucherpreise deutlich über 7 Prozent zu. Auch wenn dadurch die Kaufkraft geschwächt wurde, nahmen die Einzelhandelsumsätze von Mitte 2022 bis Mitte 2023 real um rund 1 Prozent zu. Gestützt werden die Konsumausgaben durch eine hohe Nettozuwanderung.

Kanadas Einfuhren werden im Jahr 2023 voraussichtlich real um rund 1 Prozent zurückgehen. Hauptgründe sind die rückläufigen Ausrüstungsinvestitionen und die tendenzielle Abwertung der Landeswährung. Gegenüber dem Euro hat der kanadische Dollar von Herbst 2022 bis Herbst 2023 fast 11 Prozent eingebüßt. Erst im Jahr 2024 wird wieder ein Zuwachs bei den Importen erwartet um real um 0,5 bis 1,5 Prozent.

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Deutsche Perspektive: Rohstoffreichtum rückt Kanada für Energiewende ins Visier

Bei den ausländischen Direktinvestitionen in Kanada rangiert Deutschland zwar nur auf Platz 7. Investitionsvorhaben wie die von BASF und VW zum Bau von Fabriken für Batteriezellen und entsprechende Materialien zeugen aber von einem starken Geschäftsinteresse an dem nordamerikanischen Land. Auf der Hannover Messe 2025 ist Kanada offizielles Partnerland.

Mit der im Dezember 2022 veröffentlichten Strategie zum Ausbau der nachhaltigen Förderung und Verarbeitung kritischer Mineralien will Kanada sich als globaler Rohstofflieferant sowie Standort für den Elektrofahrzeugbau empfehlen. Autobauer wie Mercedes-Benz und VW nehmen die gesamte Wertschöpfungskette ins Visier: Sie unterzeichneten bereits Absichtserklärungen mit der kanadischen Regierung. Die beiden Autobauer wollen kritische Mineralien wie Nickel, Kobalt, Lithium und Graphit für ihre Batterien künftig verstärkt aus Kanada einführen.

Bilaterale Wasserstoffkooperation mit Steuervorteilen für deutsche Firmen

Deutschland und Kanada hatten 2021 bereits eine Energiepartnerschaft unterzeichnet. Im August 2022 folgte ein Wasserstoffabkommen: Es regelt, dass grüner Wasserstoff von den Atlantikregionen Neufundland und Labrador sowie Nova Scotia und New Brunswick per Schiff nach Deutschland kommt in Form von Ammoniak.

Der deutsche Projektentwickler für erneuerbare Energien, ABO Wind, bekam im August 2023 den Zuschlag für ein 5-Gigawatt-Projekt in Neufundland und Labrador. Es ist davon auszugehen, dass Maschinenbauer und Zulieferer sich branchenübergreifend zusammenschließen, etwa mit Energieversorgern. Bei der Herstellung von sauberem Wasserstoff können die Produzenten bis zu 40 Prozent ihrer Kosten steuerlich geltend machen. Dies dürfte die Nachfrage nach Elektrolyseuren beflügeln.

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Weitere Informationen zu Kanada finden Sie auf unserer Länderseite.

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