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Special Niederlande Brexit

Niederländischer Handel geht wegen Brexit 2021 deutlich zurück

Der Brexit könnte die niederländische Wertschöpfung laut öffentlichem Analyseinstitut CPB in den nächsten drei bis sechs Jahren um jährlich 0,4 Prozent schmälern.

Von Torsten Pauly | Berlin

Vor allem der niederländische Export in das Vereinigte Königreich ist aufgrund des britischen Austritts aus der Europäischen Union (EU) betroffen. Die Ausfuhren auf die britische Insel sollen mittelfristig um 1,4 Prozent geringer ausfallen.

Für niederländische Unternehmen ergibt sich aus dem Brexit aber die Chance, neue Marktanteile in anderen EU-Ländern zu generieren. Da auch britische Exporte in andere EU-Länder zurückgehen, könnten niederländische Firmen Anbieter aus dem Vereinigten Königreich ersetzen. Höhere Absätze im EU-Binnenmarkt dürften die geringeren britischen Abnahmen um bis zu 44 Prozent kompensieren, hat CPB im Frühjahr 2021 geschätzt.

Niederländischer Logistiksektor zeigt sich gut vorbereitet

Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Binnenmarkt und die damit verbundenen Grenzkontrollen seit Beginn des Jahres haben in den niederländischen Häfen zu keinen größeren logistischen Verwerfungen geführt. Dies liegt an der guten Vorbereitung und Zusammenarbeit vieler Akteure.

Unter anderem haben sich die großen Häfen und Reedereien, weitere Logistikunternehmen, der Branchenverband TLN (Transport en Logistiek Nederland), der Zoll, weitere öffentliche Institutionen und die Datenaustauschplattform Portbase zusammengeschlossen und die gemeinsame Homepage Get Ready for Brexit eingerichtet, die laufend aktualisiert wird. Die Internetseite ist auch auf Deutsch verfügbar.

Häfen sind Transitdrehscheibe für britische Produkte

Der niederländische Logistiksektor leidet unter dem abnehmenden britischen Außenhandel mit anderen EU-Ländern. Der Hafen Rotterdam, das benachbarte RoRo-Terminal in Hoek van Holland, sowie die Häfen in Amsterdam und in Zeeland sind für den britischen Handel mit dem Kontinent von zentraler Bedeutung. Daher sichert nicht nur der Direkthandel mit dem Vereinigten Königreich viele niederländische Arbeitsplätze. Auch der Transit mit britischen Waren hat in den Niederlanden große wirtschaftliche Bedeutung.

So haben Reexporte aus anderen Ländern 2019 fast die Hälfte (48,4 Prozent) der gesamten niederländischen Warenausfuhr ins Vereinigte Königreich ausgemacht. Nur 51,6 Prozent aller Güterausfuhren auf den britischen Markt stammten 2019 auch aus niederländischer Erzeugung. Von der niederländischen Einfuhr aus dem Vereinigten Königreich waren 2019 ebenfalls 34,7 Prozent für den Weitertransport in andere Länder und nur 65,3 Prozent für den eigenen Binnenmarkt bestimmt.

Warenaußenhandel sinkt seit 2019

Der britisch-niederländische Güteraustausch ist seit dem Brexit-Referendum 2016 bis 2018 zunächst noch gewachsen, danach aber zurückgegangen. Der Grund ist, dass sich die Unternehmen schon vor dem offiziellen EU-Austritt nach Beschaffungsalternativen umgeschaut haben, weil die künftigen Handelsregelungen bis Ende 2020 unklar waren. Hinzu kam 2020 die Coronakrise.

Insgesamt war der bilaterale Außenhandel 2020 nominal um 8,9 Prozent geringer als 2016. Dabei ist der niederländische Export ins Vereinigte Königreich um 9,6 Prozent und damit noch stärker als der Import von dort (-7,5 Prozent) eingebrochen. Insgesamt war der niederländische Außenhandel 2020 trotz der Coronabeeinträchtigungen um 14,8 Prozent höher als 2016.

Der Abwärtstrend hat sich noch verstärkt, seit Großbritannien den EU-Binnenmarkt am 1. Januar 2021 offiziell verlassen hat. In den ersten sechs Monaten war der niederländisch-britische Warenaustausch um 9 Prozent niedriger als im 1. Halbjahr 2020. Im Vergleich zum 1. Halbjahr 2019 lag der Einbruch sogar bei 27,9 Prozent. Wie schon im Gesamtjahr 2020 war der Einbruch bei den niederländischen Ausfuhren im 1. Halbjahr 2021 gegenüber demselben Vorjahreszeitraum (-12 Prozent) deutlich höher als bei der Einfuhr (-3,2 Prozent).

Niederländischer Warenexport ins Vereinigte Königreich (in Milliarden Euro, Veränderung in Prozent)

Segment (SITC-Position)

1. Halbjahr 2021

1. Halbjahr 2021/1. Halbjahr 2020

1. Halbjahr 2021/1. Halbjahr 2019

Insgesamt, darunter

18,8

-12,0

-28,0

  Nahrungsmittel/lebende Tiere (0)

2,4

-13,2

-18,4

  Erdöl (33)

0,9

27,9

-43,8

  Chemische Erzeugnisse (5)

3,2

-38,5

-45,8

  Maschinen (71-74)

1,5

41,2

-3,9

  Straßenfahrzeuge (78)

0,6

-53,0

-66,1

  Fertigerzeugnisse

2,6

2,0

-12,9

Quelle: Eurostat 2021

Niederländischer Warenimport aus dem Vereinigten Königreich (in Milliarden Euro, Veränderung in Prozent)

Segment (SITC-Position)

1. Halbjahr 2021

1. Halbjahr 2021/1. Halbjahr 2020

1. Halbjahr 2021/1. Halbjahr 2019

Insgesamt, darunter

10,5

-2,6

-27,4

  Nahrungsmittel/lebende Tiere (0)

0,6

-23,6

-29,4

  Erdöl (33)

3,0

4,4

-40,4

  Chemische Erzeugnisse (5)

2,1

2,3

-7,4

  Maschinen (71-74)

0,8

10,9

-17,5

  Straßenfahrzeuge (78)

0,3

-48,4

-77,3

  Fertigerzeugnisse

1,0

-8,2

-20,1

Quelle: Eurostat 2021

Vereinigtes Königreich ist viertgrößter Handelspartner

Trotz der jüngsten Rückgänge bleibt der britische Markt für die niederländischen Unternehmen von strategischer Bedeutung. Im Jahr 2020 haben die Niederlande 6,1 Prozent ihres Warenaußenhandels mit dem Vereinigten Königreich abgewickelt. Bedeutender waren nur Deutschland (19,1 Prozent), die Volksrepublik China (9,6 Prozent) und Belgien (9,3 Prozent).

Niederländischer Warenexport nach Handelspartnern (Anteil in Prozent)

Land

2020

2016

Deutschland

23,4

24,2

Belgien

10,3

10,8

Frankreich

8,6

8,8

Vereinigtes Königreich

7,6

9,6

USA

4,5

3,6

Sonstige

45,6

43,0

Quelle: Eurostat 2021

Niederländischer Warenimport nach Handelspartnern (Anteil in Prozent)

Land

2020

2016

China

17,5

15,8

Deutschland

15,1

15,3

Belgien

8,0

8,4

USA

7,6

7,6

Vereinigtes Königreich

4,3

5,3

Sonstige

47,5

47,6

Quelle: Eurostat 2021

Dienstleistungshandel ist Anfang 2021 eingebrochen

Der niederländisch-britische Austausch von Dienstleistungen hat sich in der Übergangszeit zwischen dem Brexit-Referendum 2016 und dem Austritt aus dem EU-Binnenmarkt Ende 2020 zunächst weiter dynamisch entwickelt. So war der Handel 2020 um ein Drittel (32,6 Prozent) höher als 2016.

Allerdings ist es im 1. Quartal 2021 zu einem starken Einbruch gekommen. Von Januar bis März 2021 waren die niederländischen Dienstleistungsimporte aus dem Vereinigten Königreich um 10,5 Prozent und die Exporte dorthin sogar um 16,2 Prozent niedriger als in den ersten drei Monaten 2020. Dieser Rückgang ist allerdings nicht nur reinen Brexiteffekten, sondern teilweise auch der Coronakrise geschuldet. Diese hatte sich im 1. Quartal 2020 statistisch noch kaum niedergeschlagen.

Niederländischer Dienstleistungsaußenhandel mit dem Vereinigten Königreich (in Milliarden Euro)

2017

2018

2019

2020

Import

19,4

21,6

27,9

24,9

Export

23,5

24,6

28,4

25,9

Summe

42,9

46,2

56,3

50,8

Saldo

4,1

3,0

0,5

1,0

Quelle: CBS 2021

Amsterdam ist attraktive Standortalternative zu London

Die traditionell enge wirtschaftliche Verflechtung zeigt sich auch daran, dass niederländische Direktinvestitionen im Vereinigten Königreich 2019 den zweiten Rang unter allen Ländern belegt haben. Umgekehrt war der britische Bestand an Direktinvestitionen in den Niederlanden 2019 der dritthöchste weltweit. Allerdings haben sich die Bestände insgesamt seit dem Brexit-Referendum 2016 verringert.

Die Niederlande und insbesondere Amsterdam könnten vom Brexit profitieren, da britische Finanz- und andere Dienstleister eine Präsenz in der EU suchen. Die niederländische Hauptstadt gilt dabei neben Frankfurt, Paris, Dublin und Luxemburg als attraktivste Alternative.

Investitionsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich

Indikator

2016

2019

Niederländischer Direktinvestitionsbestand im Vereinigten Königreich (in Mio. Euro)

247.725

168.493

Rangstelle beim britischen Direktinvestitionsbestand

2

2

Britischer Direktinvestitionsbestand in den Niederlanden (in Mio. Euro)

418.098

356.456

Rangstelle beim niederländischen Direktinvestitionsbestand

4

3

Niederländische Unternehmen in Vereinigten Königreich (Anzahl)

594

597

Britische Unternehmen in den Niederlanden (Anzahl)

1.996

1.897 (2018)

Quelle: Eurostat 2021; Companies House 2021

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