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Wirtschaftsumfeld | Norwegen | Investitionsklima

Neue Regierung ist im Amt

Zügige Koalitionsgespräche haben eine Minderheitsregierung hervorgebracht. Ihre Politik soll umweltfreundlicher und sozialer werden. Nicht alle sind darüber glücklich.

Von Michał Woźniak | Stockholm

Genau einen Monat haben die norwegischen Parteien gebraucht, um nach den Wahlen eine Regierungskoalition zu schmieden. Der Wahlsieger, die Arbeiterpartei (Arbeiderpartiet; AP), bildet mit der drittstärksten Kraft, der Zentrumspartei (Senterpartiet; SP), die neue Regierung. Im Rahmen der Koalitionsgespräche ist der dritte Wunschpartner, die Sozialistische Linkspartei (Sosialistisk Venstreparti; SV), abgesprungen. Deswegen kann das Kabinett von Premierminister Jonas Gahr Støre nur auf die feste Unterstützung von 76 der 169 Parlamentarier zählen.

Minderheitsregierungen sind in Norwegen und Skandinavien insgesamt eher die Regel als die Ausnahme. Die Vorgängerin des neuen Premierministers, Erna Solberg, genoss in nicht einmal zwei ihrer acht Regierungsjahre den Komfort einer Parlamentsmehrheit. Die viel beschworene Konsenskultur der Norweger erlaubt es ihnen, trotzdem effektiv zu wirtschaften. Und weil die meisten Beschlüsse auf überparteilichen Absprachen basieren, haben sie auch langfristig Bestand.

Öl- und Gasförderung bleiben bestehen

Diesen Konsens wird die neue norwegische Regierung für zahlreiche Vorhaben ihres Regierungsprogramms - der Hurdalsplattformen - suchen. Die oppositionelle Linkspartei ist allerdings zurückhaltend: „In dieser Plattform ist zu viel grau und zu wenig rot und grün. SV wird sich aber für eine noch gerechtere [Vermögens-]Verteilung und noch mehr Umwelt[-Schutz] einsetzen, wenn die Regierung zu Verhandlungen kommt“, unterstreicht Audum Lysbakken, Vorsitzender der Linkspartei.

Ihn stört unter anderem das Festhalten an der Förderung von Erdöl und Erdgas. Die neue Regierung will sogar weiter neue Förderlizenzen vergeben. Immerhin soll der aus den Rohstoffeinnahmen gespeiste Ölfonds zukünftig mehr in Infrastruktur für erneuerbare Energien und Klimatechnologien investieren und bei seinen Anlagen schärfere Regeln bezüglich Menschen- und Arbeiterrechte befolgen.

CO2-Steuer steigt stark an

Die neue Regierung will ferner an dem Ziel festhalten, bis 2030 das Kohlenstoffdioxid (CO2)-Emissionslevel von 1990 um 55 Prozent zu unterbieten. Um das zu erreichen, wird die CO2-Steuer bis dahin nahezu vervierfacht - auf 2.000 Norwegische Kronen (nkr; etwa 205 Euro; 1 Euro = 9,7435 nkr; Stand: 20.10.21) je Tonne. Für besonders betroffene Gruppen und Industrien soll ein Kompensationsprogramm auf Basis von Ausgleichszahlungen und/oder Steuerminderungen erarbeitet werden.

Um die Steigerung der Energiepreise zu bremsen, soll auch ein Moratorium auf weitere Unterseestromverbindungen zu anderen Ländern verhängt werden, wenn diese nicht mit dem Bau von Offshore-Windparks zusammenhängen. Sogar eine Begrenzung der bisherigen Stromexporte sei nicht ausgeschlossen, damit der „norwegische erneuerbare Strom ein Wettbewerbsvorteil für die norwegische Industrie bleibt“. Der Strom wird unter anderem zum Laden der wachsenden Zahl von Elektroautos gebraucht. Die bisher auf alle Batterie-Pkw geltende Mehrwertsteuerbefreiung wird auf solche mit einem Kaufpreis von bis zu 600.000 nkr (etwa 61.580 Euro) begrenzt. Bei teureren Modellen wird zukünftig der darüber liegende Preisteil besteuert.

Wird Zeitarbeit abgeschafft?

Auch am Arbeitsmarkt will die neue Regierung Zeichen setzen. Sie kündigte an, "gesetzgeberische Arbeiten einzuleiten, um den Umfang und die Rolle der Personalbranche einzuschränken". Ziel sei die Stärkung der Arbeitnehmerrechte und die Erhöhung des Anteils an Festanstellungen. Gegenwehr regt sich bereits. Laut der Manpower Group seien weniger als 2 Prozent der norwegischen Angestellten Zeitarbeiter. Für junge Menschen sei Zeitarbeit ein wichtiger Einstiegsweg in den Arbeitsmarkt und norwegische Firmen hätten damit eine gute Möglichkeit, einen kurzfristigen Arbeitskräftebedarf auch mit ausländischen Fachkräften zu decken.

Auch der Arbeitgeberverband NHO sieht die Politik auf falschem Wege: "[Dieser Vorstoß] ist bedauerlich in einer Zeit, in der mehr Menschen in Arbeit gebracht werden müssen. Besonders betroffen sein werden kleine und mittlere Unternehmen sowie Arbeitsplätze in den Kommunen", sagte der Vorsitzende des NHO, Ole Erik Almlid, gegenüber der Tageszeitung Dagens Næringsliv.

Untere Einkommensgruppen werden entlastet

Die Abgaben auf Jahresgehälter von unter 750.000 nkr (etwa 76.974 Euro) sollen sinken. Um die steuerlichen Mindereinnahmen auszugleichen, wird die Vermögenssteuer erhöht. Mitgliedsbeiträge für Gewerkschaften sollen sich in Zukunft steuermindernd auswirken. Dasselbe gilt für Ausgaben von Berufspendlern. Angehoben wird dagegen die Besteuerung von Aktien und Immobilien. „Die Methode zur Bewertung teurer Immobilien durch das Vorlagenmodell des norwegischen Statistikamtes SSB muss aktualisiert werden, um den tatsächlichen Wert der Immobilien widerzuspiegeln“, heißt es im Regierungsprogramm. Gleichzeitig wird die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer geändert, um Eigentümer günstigeren Wohnraums zu entlasten.

Die Obergrenze für die Inanspruchnahme des Bausparprogramms für junge Menschen (BSU) wird eingefroren. Gleichzeitig soll die staatliche Husbank aber mehr Haushalten beim Immobilienkauf helfen. Bei neuen Wohnungsbauinvestitionen sollen multifunktionale Quartiere bevorzugt werden, um die Wege zu verkürzen und somit emissionsfreien Transport zu fördern. Ferner sollen jährlich 3.000 neue Wohneinheiten für Studenten entstehen.

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