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Gesundheitssystem

Mindestens 90 Prozent der Bevölkerung in Polen sind pflichtversichert. Private Dienstleister bauen ihre Position aus. Teure Medikamente haben es aber weiterhin schwer.

Von Christopher Fuß | Warschau

Die gesetzliche Krankenkasse Nationaler Gesundheitsfonds (Narodowy Fundusz Zdrowia; NFZ) ist der wichtigste Geldgeber in Polens öffentlicher Gesundheitsversorgung. Arbeitnehmer führen 9 Prozent ihres Bruttogehalts an NFZ ab. Es gibt keine Pläne, einen Arbeitgeberanteil einzuführen. Selbstständige, Familien, Menschen mit niedrigem Einkommen und weitere Gruppen zahlen abweichende Beiträge.

Steuerfinanzierte Programme decken rund 10,9 Prozent aller öffentlichen Gesundheitsausgaben ab. Der Anteil könnte sinken. Polens Gesundheitsministerium will mehr Leistungen über NFZ abwickeln. Die Krankenkasse soll unter anderem die Kosten für Corona-Impfungen übernehmen. Bislang zahlt hier der Staatshaushalt.

Polens Gesundheitsausgaben sind relativ niedrig. Laut Eurostat entsprachen die öffentlichen und privaten Auslagen für medizinische Leistungen 2019 rund 6,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Der Durchschnitt in der Europäischen Union (EU) betrug 9,9 Prozent. Das meiste Geld floss in die knapp 1.000 Krankenhäuser Polens. Neuere Zahlen hat Eurostat nicht.

Privater Versicherungsmarkt wächst weiter

Freiwillige Zusatzversicherungen haben, verglichen mit anderen Ländern Mittelosteuropas (MOE), einen hohen Anteil an den Gesamtausgaben. Die Tendenz ist steigend. Der Versicherungsverband PIU (Polska Izba Ubezpieczeń) zählte 2021 rund 3,8 Millionen Personen mit einer Zusatzversicherung, rund 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein vollständiger Wechsel zu privaten Anbietern ist nicht möglich. Versicherungspakete für Mitarbeiter gehören mittlerweile zu den häufigsten Lohnzusatzleistungen.

Private Anbieter, wie Damian, Luxmed oder Medicover, betreiben Gemeinschaftspraxen, Apotheken und weitere Einrichtungen. Mitglieder erhalten Vergünstigungen. Mittlerweile bieten die Unternehmen auch einige operative Eingriffe an.

Kampf gegen Fachkräftemangel

Private und öffentliche Einrichtungen spüren den Personalmangel. Laut OECD gibt es in Polen nur 2,4 Ärzte je 1.000 Einwohner – der niedrigste Wert in der EU. Jüngste Angaben stammen aus einer Studie aus dem Jahr 2020. Polens Gesundheitsministerium kommt in eigenen Berechnungen auf 3,3 Ärzte je 1.000 Einwohner.

Dennoch spricht auch die Regierung von einem Fachkräftemangel. Universitäten schaffen darum zusätzliche Medizin-Studienplätze. Das Gesundheitsministerium kündigte an, Studiendarlehen zu übernehmen. Eine Voraussetzung ist, dass Studenten sich auf eine bestimmte Fachrichtung spezialisieren und nicht ins Ausland abwandern. Kurzfristig will Polen auch internationale Fachkräfte anwerben. Die Integration von Medizinspezialisten, beispielsweise aus der Ukraine, läuft aber schleppend. Der Grund sind Probleme bei der Anerkennung von Abschlüssen.

Generika dominieren den Pharmamarkt

Arzneimittel und medizinische Produkte sind in vier Erstattungsgruppen unterteilt. Die Selbstbeteiligungsquote für Patienten kann bis zu 50 Prozent betragen. Darüber hinaus existieren verschiedene Preislimits. Liegen die Kosten eines Medikaments über einer bestimmten Grenze, fließt nur der Betrag bis zum jeweiligen Richtwert in die Berechnung der Erstattungsgrundlage mit ein.

NFZ erstattet vor allem Generika. Laut Fitch Solutions ist der Anteil patentfreier Medikamente an allen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in keinem europäischen Land so hoch wie in Polen. Hinzu kommen hohe Zuzahlungen von Patienten. OECD-Angaben zufolge stemmen polnische Bürger weit mehr als die Hälfte aller Medikamentenkosten aus eigener Tasche. Untersuchungen zeigen, dass rund ein Fünftel aller Rezepte nicht eingelöst wird – auch wegen der hohen Kosten.

Mittelfristig erzeugen Generika nach Schätzungen von Fitch Solutions den größten Umsatz im Markt für verschreibungspflichtige Medikamente. Neben patentfreien Artikeln verzeichnen Over-the-Counter Produkte (OTC) steigende Verkaufszahlen. Das liegt auch daran, dass in Polen verhältnismäßig viele Medikamente außerhalb von Apotheken angeboten werden dürfen. Fitch Solutions prognostiziert für den Pharmamarkt ein jährliches Wachstum zwischen 7 Prozent und 8 Prozent bis 2026.

Polen erstattet mehr teure Medikamente

Auch innovative Arzneimittel haben Potenzial, vor allem, wenn die Zahl möglicher Patienten gering ist. Seit September 2022 erstattet NFZ Behandlungen mit Zolgensma. Das Medikament wirkt gegen spinale Muskelatrophie (SMA) und gilt als eines der teuersten Arzneimittel der Welt.

Bereits seit 2021 erstattet das Gesundheitswesen CAR-T-Zell-Therapien und mehrere Gentherapien. In diesem Zusammenhang schafften es auch Arzneimittel der in Deutschland produzierenden Ferring GmbH auf die Erstattungsliste. Beobachter gehen davon aus, dass Polen das Erstattungsangebot für ältere Personen ausbauen wird.

Der Nachholbedarf bleibt aber groß. Laut europäischem Krebsmedizinerverband ESMO (European Society of Clinical Oncology) haben Patienten in Polen nur zu 27 von 132 empfohlenen Tumor-Therapien vollen Kassenzugang.

Hochkomplexe Medizintechnik kommt aus dem Ausland

Investitionsprogramme der Regierung und das Wachstum der privaten Gesundheitsdienstleister wirken sich positiv auf die Absatzchancen von Medizintechnik aus. Fitch Solutions rechnet vor, dass der Markt für Medizinprodukte bis 2026 jedes Jahr um durchschnittlich 6,8 Prozent zulegen wird. Unter anderem kann die Zahnmedizin punkten, auch dank wachsender Beliebtheit privater Zusatzversicherungen.

Staatliche Einrichtungen wie das nationale Forschungszentrum (Narodowe Centrum Badań i Rozwoju, NCBR) fördern die Produktion von Medizintechnik in Polen. Unter anderem erweitern die Hersteller von Einweggütern ihre Anlagen. Bislang stellen polnische Firmen hauptsächlich nicht-invasive Produkte her wie orthopädische Geräte, Krankenhaus-Mobiliar, Verbrauchsartikel und Rehabilitationstechnik. Bildgebende Apparate muss das Land importieren. Gemessen an der Einwohnerzahl ist Polen im Vergleich zu anderen Staaten in MOE gut mit Computertomografie- und Kernspintomografie-Geräten ausgestattet. Deutlich schlechter sieht es bei Gammakameras, Strahlentherapie- und Mammografie-Geräten aus.

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