Branchen | Polen | Automobilsektor
Marktchancen Automobil- und Kfz-Teile-Produktion
Hersteller von Elektroautos und Komponenten investieren Milliardenbeträge. Wasserstoff gewinnt vor allem unter Busherstellern an Bedeutung.
15.03.2023
Von Christopher Fuß | Warschau
Fahrzeugproduktion unter Strom
Die Dekarbonisierung der Automobilindustrie bringt Investitionen nach Polen. Mercedes-Benz will ein 1,3 Milliarden Euro teures Werk für Elektro-Kastenwagen in der Stadt Jawor bauen. Es wäre die weltweit erste Fabrik des Konzerns, die ausschließlich Elektrofahrzeuge herstellt. Noch fehlt eine Förderzusage der polnischen Regierung. Bereits heute produziert Mercedes-Benz in Polen Verbrennungsmotoren und Elektromotoren.
Weitere Unternehmen stellen ihre Produktion auf Elektromobilität um. Stellantis, der Eigentümer von unter anderem Opel, Fiat und Jeep, investiert im Werk in Tychy. Seit Anfang 2023 laufen hier Elektro-SUV vom Band. Laut Konzernangaben handelt es sich um das erste serienmäßig gefertigte Elektroauto in Polen. Der Umbau der Produktionslinien soll nach Angaben von Branchenportalen bis zu 2 Milliarden Euro gekostet haben.
Fahrzeugplattform für Polens Elektroauto steht fest
Ein heimischer Mitbewerber könnte den ausländischen Herstellern bald Gesellschaft leisten. Polens Regierung träumt von einem eigenen Elektroauto unter dem Markennamen Izera. Die staatliche Firma ElectroMobility Poland übernimmt den Bau des Kompakt-SUV. Das Unternehmen erhielt bis Ende 2022 über 100 Millionen Euro. Die Standortentscheidung für die Fabrik fiel auf die Stadt Jaworzno. Vorbereitende Arbeiten auf dem Grundstück laufen. Die Konzeption des Werkes hat das deutsche Unternehmen Dürr Systems übernommen.
Izera wird voraussichtlich auf der Technik des chinesischen Herstellers und Volvo-Eigentümers Geely basieren. Laut ElectroMobility Poland holen die Partner erste Angebote von Zulieferern ein. Das Ziel: Izera soll ab 2025 in die Serienproduktion gehen. Die wohl schwierigste Aufgabe liegt aber noch vor ElectroMobility Poland. Das Unternehmen muss Investoren finden. Beobachter schätzen allein die Fahrzeuglizenz von Geely auf bis zu 400 Millionen Euro. Das Werk könnte 1,3 Milliarden Euro kosten.
Einfuhr ausgewählter Kfz-Teile nach Polen (in Millionen Euro; Veränderung in Prozent)
2020 | Veränderung 2020/19 | aus Deutschland | |
---|---|---|---|
SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 954 | 24 | 221,7 |
SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 7.774 | 18 | 3.380 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 491,6 | 17 | 121,3 |
SITC 713.2 Motoren | 992,8 | 21 | 715,2 |
Summe | 10.143 | 19 | 4.438 |
Neue Bushersteller wirbeln den Markt auf
Im Bus-Segment ist der Elektroantrieb mittlerweile etabliert. Ende 2022 waren in Polens Städten und Gemeinden 821 batteriebetriebene Busse unterwegs. Das sind, gemessen an der Einwohnerzahl, mehr Fahrzeuge als in Deutschland. Ende Februar 2023 orderte die Ostsee-Stadt Świnoujście vier Elektrobusse von der staatlichen ARP E-Vehicles. Chinesische Anbieter werben ebenfalls um Aufträge. Der Hersteller Yutong konnte Fahrzeuge an die Stadt Bielsk Podlaski verkaufen.
Nicht ausgemacht ist, ob die Zukunft allein dem batterieelektrischen Antrieb gehört. Anbieter von Wasserstoffbussen präsentieren neue Modelle. Der polnische Energie-Konzerns ZEPAK bringt mit dem NesoBus eine neue Plattform auf den Markt. Eine geplante Fabrik des Unternehmens im ostpolnischen Świdnik soll ab 2024 bis zu 100 Wasserstoffbusse jährlich produzieren. Polens staatlicher Umweltfonds NOFŚiGW unterstützt das Projekt mit 8 Millionen Euro. Auch Konkurrent Autosan aus Sanok will sich stärker auf die Produktion von Wasserstoffbussen konzentrieren.
Bestellungen sind schon da. Die Stadt Rybnik hat 20 Wasserstofffahrzeuge von NesoBus in Auftrag gegeben. Wasserstofftankstellen entstehen in mehreren Städten, beispielsweise im Großraum Katowice. Poznań setzt derweil auf Wasserstoffbusse vom Hersteller Solaris. Der Platzhirsch im polnischen Bus-Markt soll 25 Fahrzeuge für die westpolnische Großstadt produzieren.
Dies ist ein wichtiger Auftrag für Solaris. Fehlende Teile und steigende Produktionskosten drückten den Hersteller 2022 ins Minus. Der spanische Eigentümer CAF zeigt sich aber zuversichtlich, dass im Jahr 2023 vieles besser laufen wird. Ein Grund: in den Auftragsbüchern von Solaris stehen Projekte im Wert von einer Milliarde Euro, viele davon aus dem Ausland.
Bild vergrößernBatterien aus Polen treiben Fahrzeuge in ganz Europa an
Auch die Zulieferindustrie erwirtschaftet einen guten Teil ihrer Umsätze im Export. Bemerkenswert ist das Wachstum der Batterieausfuhren. Dank Investitionen aus Asien ist Polen in diesem Warensegment zu einem der europaweit größten Exporteure aufgestiegen. Der Wert der Batterieausfuhren legte zwischen 2017 und 2021 um das Siebenfache zu.
Dank Investitionen im Batteriemarkt entstehen lokale Lieferketten. Das polnische Werk des südkoreanischen Herstellers SK Nexilis wird ab 2024 Kupferfolie im Wert von bis zu 1 Milliarde Euro an den schwedischen Batteriehersteller Northvolt liefern. Polen ist einer der größten Kupfer-Förderer Europas. Northvolt, an dem auch Volkswagen beteiligt ist, baut wiederum im Umfeld der Hafenstadt Gdańsk einen Batterie-Produktionsstandort auf.
Der belgische Batterie-Zulieferer Umicore hat im polnischen Nysa ein Werk hochgezogen. Hier entstehen Komponenten für Lithium-Ionen-Zellen. Die Niederlassung könnte einer der Gründe dafür sein, warum Polen als Kandidat für eine neue Batteriefabrik der Firma PowerCo gehandelt wird. PowerCo ist ein Joint Venture von Volkswagen und Umicore. Die Partner wollten laut Zeitungsberichten 2023 einen Standort verkünden. Wie die Financial Times berichtet, ist die Milliardeninvestition aber vorerst gestoppt. Volkswagen warte ab, wie die EU auf den Inflation Reduction Act der USA reagiert.
Wichtige Investitionsprojekte in der Kfz-Industrie in Polen
Vorhaben | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
1.300 | Planungsstadium | ||
1.300 | Frühstadium | ||
600 | Projektdurchführung | ||
Fabrik für Energiespeichersysteme | 180 | Projektdurchführung | |
Ausbau der Lkw-Fabrik | 100 | Projektdurchführung | |
Bau eines Recyclingwerkes für Elektrobatterien | 80 | Projektdurchführung | |
Bau einer Fabrik für Lithiumsalz | 50 | Planungsstadium | |
Bau einer Fabrik für Elektrolyt | 50 | Projektdurchführung | |
Bau einer Fabrik für Leitmittel für Batterien | 32 | Planungsstadium | |
Bau einer Fabrik für Wasserstoff-Busse | - | Planungsstadium |
Polens Zulieferer bauen Kapazitäten aus
Beim polnischen Batteriehersteller Impact CPT ist die Investitionsentscheidung bereits gefallen. Das Unternehmen erweitert 2023 seine Produktionsanlagen. Der Ausstoß von Batterien soll sich verdoppeln. Zu den Kunden gehört der Bushersteller Solaris.
Der Recycling-Betrieb Elemental Strategic Metals wiederum baut in Zawiercie eine Anlage. Hier will die Firma an Technologien forschen, um Rohstoffe aus Batterien wiederzugewinnen. Das Projekt erhält europäische Fördergelder.
Nicht nur Hersteller von Batterietechnik investieren. Automobilzulieferer Boryszew errichtet im Werk in Toruń neue Produktionslinien. Hier will das Unternehmen Klimaschläuche für Elektroautos bauen. Der Hersteller von Sattel-Aufliegern Wielton kündigt Ausgaben für Automatisierung in Höhe von rund 40 Millionen Euro an.