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Special Polen Konnektivität

China beeindruckt – und beunruhigt

Der beispiellose wirtschaftliche Aufholprozess, den China seit Ende der 1970er Jahre vollzogen hat, hinterließ auch in Polen einen bleibenden Eindruck.

Von Sebastian Holz | Bonn

Polen befindet sich selbst in einem solchen Aufholprozess und setzte große Hoffnungen in Exporte nach und Investitionen aus China. Vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Beziehungen zwischen China und dem Westen hat sich das Verhältnis in den vergangenen Jahren aber abgekühlt.

Die bilateralen Beziehungen mit der Volksrepublik China haben sich seit der Wende stetig gewandelt. Am 4. Juni 1989, dem gleichen Tag, an dem in Polen die ersten teilweise freien Wahlen abgehalten wurden, beendete die chinesische Regierung gewaltsam die Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz in der Hauptstadt und im ganzen Land. Entsprechend begegnete das demokratische Polen der Volksrepublik mit einigem Misstrauen – und ihren politischen Gegnern mit viel Sympathie. Polen eröffnete eine diplomatische Vertretung in Taipei und trat in Menschenrechtsfragen selbstbewusst auf. Ein Treffen von Staatspräsident Lech Kaczyński mit dem Dalai Lama hatte im Jahr 2008 die Einbestellung des polnischen Botschafters in Peking zur Folge. Der damalige Ministerpräsident Donald Tusk boykottierte als Reaktion auf die Unterdrückung von Protesten in Tibet die olympischen Spiele 2008 in Peking.

EU-Finanzkrise bringt Annäherung

Chinas voranschreitendes Wachstum und die europäische Finanzkrise trugen dazu bei, dass sich diese Haltung ein Stück weit aufweichte. Angesichts des Schwächelns der westeuropäischen Volkswirtschaften wurden neue Handelsmärkte und Investitionsquellen wichtig, um das Wirtschaftswachstum der neuen EU-Mitgliedsstaaten aufrechtzuerhalten. Die Regierung Tusk begann, sich aktiver mit China zu beschäftigen. Präsident Bronislaw Komorowski besuchte Peking im Dezember 2011, um ein strategisches Partnerschaftsabkommen zu unterzeichnen. Im selben Jahr startete das polnische Wirtschaftsministerium das Internetportal GoChina, um polnische Exporteure zu unterstützen und chinesische Investoren anzulocken.

Die chinesische Seite reagierte auf das gesteigerte Interesse aus der Region mit dem 16+1 Format. Die Initiative zur Förderung der Kooperation zwischen China und 16 mittel- und osteuropäischen Staaten wurde 2012 ins Leben gerufen. Der Gründungsgipfel fand in Warschau statt. Die Initiative und die 2013 folgende Ankündigung der Investitionsoffensive „One Belt, One Road“ (später Belt and Road Initiative, BRI) verbreiteten in Polen großen Optimismus. Man versprach sich eine Welle chinesischer Greenfield- und Infrastrukturinvestitionen. 2016 wurden die diplomatischen Beziehungen der beiden Länder mit einem Abkommen über eine „umfassende strategische Partnerschaft“ auf eine neue Ebene gehoben. Allerdings folgte darauf wenig Substanzielles, tatsächlich verschlechterten sich die Beziehungen sogar.

Abkühlung der Beziehungen ab 2017

Im Jahr 2017 untersagte der damalige Verteidigungsminister Macierewicz den Verkauf eines Gewerbegeländes bei Łódź an chinesische Investoren aus Gründen der nationalen Sicherheit. Auf dem Gelände hatte ein Logistikdrehkreuz für die neuen Zugverbindungen zwischen China und Europa entstehen sollen. Im darauffolgenden Jahr erschütterte ein Skandal um zwei Huawei-Beschäftigte in Polen die Beziehung weiter. Der Vorwurf lautete auf Spionage für den chinesischen Staat. In der Zwischenzeit hatten sich allgemein die Beziehungen zwischen China und dem Westen  sowie speziell zwischen China und den USA abgekühlt. Für Polen, das dem NATO-Bündnis besonders viel Bedeutung zumisst, Grund genug für mehr Distanz zum Reich der Mitte. 2019 verpflichtete sich Polen in einem bilateralen Abkommen mit den Vereinigten Staaten, beim 5G-Ausbau nur „vertrauenswürdige Unternehmen“ einzubinden. Noch unklar ist dagegen, wie mit dem bereits vorhandenen Huawei-Equipment für die Mobilfunkstandards 3G und 4G verfahren werden soll. Gleiches gilt für die IT-Infrastruktur mehrerer polnischer Banken, die von Huawei gestellt wird.

Hinzu kommen enttäuschte Erwartungen: Das 16+1 Format kann nach neun Jahren kaum Erfolge vorweisen. Das Volumen chinesischer Investitionen in Polen liegt weit hinter dem in westeuropäischen Ländern. Der kumulierte Wert chinesischer Direktinvestitionen in Deutschland (24,8 Milliarden Euro von 2000 bis 2020) übersteigt den Wert für Polen (2,2 Milliarden Euro im selben Zeitraum) um mehr als das zehnfache. Vor diesem Hintergrund reagiert die polnische Regierung auf westeuropäische Kritik an den eigenen Wirtschaftsbeziehungen zu China eher mit Unverständnis.

Im Jahr 2020 lag Polen überraschend weit vorne auf der Liste der europäischen Investitionsziele chinesischer Firmen. Allerdings handelt es sich bei den Direktinvestitionen von knapp 1 Milliarde US-Dollar (US$) vor allem um zwei Einzelinvestitionen im Logistiksektor. Der Fondsmanager GLP mit Sitz in Singapur hatte Aktiva des Polengeschäfts der australischen Gewerbeimmobiliengruppe Goodman im Wert von 800 Millionen US$ gekauft. Die erhofften Greenfield-Investitionen bleiben dagegen weiterhin aus. Stattdessen kaufen chinesische Firmen häufig wirtschaftlich erfolgreiche polnische Firmen. So erwarb 2012 beispielsweise der Branchenriese LiuGong den Baumaschinenhersteller Dressta aus Stalowa Wola.

China ist auch Konkurrent

Polens zunehmende Skepsis gegenüber China zeigte sich auch in seiner ablehnenden Haltung beim Abschluss der Verhandlungen über das Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und China (Comprehensive Agreement on Investment, CAI) im vergangenen Jahr. Das Abkommen wurde nicht nur als möglicherweise schädlich für die aus polnischer Sicht sehr wichtigen transatlantischen Beziehungen bewertet. Es geht auch um handfeste wirtschaftliche Interessen: Während große europäische Firmen nach Lobbyerfolgen in ausgewählten Sektoren auf dem chinesischen Markt gewisse Erleichterungen erwarten dürften, würde sich der Zugang für die vielen kleineren und mittleren Unternehmen Polens kaum verbessern. Schlimmer noch: CAI könnte dazu führen, dass das für Polen wichtige europäische Kfz-Zulieferergeschäft zunehmend nach China abwandert, um dort für den wichtigen asiatischen Markt zu produzieren. Polnische Firmen müssten ebenfalls nach China expandieren oder riskieren, von chinesischen Firmen verdrängt zu werden. Ein „Reshoring“, das man sich in Polen ob der komplexeren Beziehungen mit China erhoffte, also eine teilweise Rückverlagerung der Produktion aus China, würde damit unwahrscheinlicher. Das CAI liegt allerdings zunächst auf Eis. Das Europäische Parlament verweigert dem Abkommen nach den chinesischen Sanktionen gegen chinakritische Europaabgeordnete und Think Tanks seit Mai 2021 die Zustimmung.

Die Coronapandemie und ihr Ursprung in China waren dem Image des Landes wenig zuträglich. China konnte zwar zunächst mit Maskenlieferungen punkten. Die von Präsident Duda angeregte Vereinbarung zum Kauf chinesischer Impfstoffe kam allerdings nicht zustande. Laut einer Studie des European Council on Foreign Relations vom Juni 2020 haben 43 Prozent der Polen von China eine schlechtere Meinung als vor der Krise.

Handelsbeziehungen eher einseitig

Ungeachtet dessen weist Polen, genau wie viele andere Länder in Europa und weltweit, ein großes Handelsdefizit gegenüber China auf. Das Ungleichgewicht der Handelsbeziehungen verstärkte sich über die Jahre sogar. Während polnische Exporteure weiterhin große Probleme mit dem streng regulierten chinesischen Markt haben, nahmen die Importe aus China stetig zu. 2020 standen Importen im Wert von fast 37 Milliarden US$ Exporte von knapp über 3 Milliarden US$ gegenüber. Polen exportiert vor allem Kupferprodukte (21 Prozent), Motorenteile und Holz, und importiert diverse elektronische Produkte, Maschinen und Textilien. Als größte Handelsbarriere nennt das polnische Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung vor allem tier- und pflanzengesundheitliche Vorschriften, die polnischen Lebensmittelexporteuren den Marktzugang erschweren.


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