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Special Polen Konnektivität

Südkorea als industriepolitisches Vorbild

Die Geschichte der Beziehungen zwischen Polen und Südkorea ist vergleichsweise kurz. Heute hat das asiatische Land eine Vorbildfunktion für Polen

Von Sebastian Holz | Bonn

Während Polen im 19. Jahrhundert nicht als souveräner Staat existierte, herrschte in Korea die isolationistische Joseon-Dynastie. Als nach dem 1. Weltkrieg die Zweite Polnische Republik gegründet wurde, stand die koreanische Halbinsel unter japanischer Besatzung. Diplomatische Beziehungen wurden daher erst Mitte des 20. Jahrhunderts aufgenommen. Die jeweilige Blockzugehörigkeit im Kalten Krieg machte eine weitere Annäherung schwierig. Wirtschaftlich konnte Polen vom bedeutenden Aufschwung Südkoreas in den 1970er und 1980er Jahren kaum profitieren.

Erst nach 1990 fanden erste direkte Kontakte statt. In den frühen 1990ern kaufte der südkoreanische Autokonzern Daewoo den staatlichen polnischen Traditionshersteller FSO. Während der schwierigen Anpassungsprozesse an die marktbasierte Wirtschaftsordnung in Polen ruhten große Hoffnungen auf der Übernahme. Dann aber überlebte der Mutterkonzern Daewoo die asiatische Finanzkrise nicht und wurde 1999 aufgelöst. Damit war auch der polnische Traum vom Fortbestehen der eigenen Automarke dahin.

Beträchtliche Wirtschafts- und Investitionsbeziehungen

Trotz dieses schwachen Starts haben sich über die Jahre beträchtliche Wirtschafts- und Investitionsbeziehungen zwischen den beiden Ländern entwickelt. Die Investitionsinteressen südkoreanischer Konzerne decken sich auffallend gut mit den industriepolitischen Vorstellungen der aktuellen polnischen Regierung. Heute ist das Land mit einem Anteil von 4 Prozent an den gesamten ausländischen Direktinvestitionen in Polen der größte asiatische Investor.

Premierminister Morawiecki begrüßt diese Entwicklung: Nach seiner Vorstellung solle sich Polen an der südkoreanischen Wachstumsstrategie orientieren, die die unsichtbare Hand des Marktes durch die sehr sichtbare des Staates ergänzte. Polen brauche eigene nationale Champions, ähnlich wie die „Jaebols“ – riesige Mischkonzerne, die sich Mitte des 20. Jahrhunderts in Korea entwickelten. Zu diesen zählen etwa Samsung oder LG. Beide sind auf dem polnischen Markt sehr aktiv.

Südkoreanische Konzerne investieren massiv

Samsung hatte zuletzt im schwungvollen Wolkenkratzer Warsaw Spire ein großes Forschungs- und Entwicklungszentrum eröffnet, in dem zu 5G- und Cloud-Technologien sowie zu Spracherkennung geforscht wird. Damit wird in Polen digitale Spitzenforschung betrieben. Der Konzern ist auf dem polnischen Markt bereits erfahren und betreibt eine große Fertigungsstätte für Weißware in der Nähe von Poznań. Seit 2017 sponsert Samsung bei Rzeszów außerdem einen Start-Up-Inkubator für Internet-of-Things-Technologien.

LG Energy Solutions betreibt seit 2017 eine Fabrik für Lithium-Ionen-Akkus für Fahrzeuge in Kobierzyce bei Wrocław. Das Werk beschäftigt heute 10.000 Menschen und macht Polen zum europaweit größten Batterieexporteur. E-Autos von VW, Škoda und Audi fahren mit Batterien aus Polen. Komplementär baut der südkoreanische Konzern SK Innovation seit 2019 mit Investitionen in Höhe von 335 Millionen Euro ein Batterierecycling-Werk in Schlesien. Der Mischkonzern Doosan investiert in Polen derzeit vor allem in Müllverbrennungsanlagen, möchte seine Aktivitäten aber perspektivisch auf die Sektoren Atomkraft und Wasserstoffwirtschaft ausweiten.

Darüber hinaus kündigte der Konzern Korea Hydro & Nuclear Power (KHNP) an, Polen ein Angebot für den Einstieg in die Kernenergie zu unterbreiten. Die polnische Regierung will bis 2033 Kernenergie als Teil des nationalen Energiemixes einsetzen. Auch wenn dazu bereits im Herbst 2020 eine Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten getroffen wurde, ist eine koreanische Beteiligung in diesem Sektor weiterhin möglich. Polens Regierung zeigt sich offen für alternative Reaktorlieferanten.

Südkorea ist außerdem in ein weiteres Schlüsselprojekt der aktuellen polnischen Regierung involviert. Mit dem Centralny Port Komunikacyjny (CPK) plant die Regierung den Bau eines neuen Großflughafens nahe Baranów unweit von Warschau. Als strategischer Partner des Projekts wird Südkoreas größter Flughafen Incheon International fungieren. Ein entsprechendes Abkommen wurde im Februar 2021 unterzeichnet.

Zu einem Politikum wurde der Kauf von 123 südkoreanischen Straßenbahnzügen der Firma Hyundai durch die Stadtwerke Warschau. Die polnische Firma PESA produziert in Bydgoszcz selbst Straßenbahnen. In Segmenten der verarbeitenden Industrie, in denen Südkorea mehr Erfahrung und Skaleneffekte mitbringt, herrscht also durchaus harte Konkurrenz. Laut Angaben der Stadtregierung hatte Hyundai die Ausschreibung mit seinem Gesamtpaket klar für sich entschieden.

Unausgeglichene Handelsbilanz

Das Handelsdefizit mit Südkorea ist traditionell groß. Importen im Wert von über 6 Milliarden US-Dollar (US$) standen 2020 Exporte im Wert von 700 Millionen US$ gegenüber. Polen importiert vor allem Maschinen (24 Prozent) und Fahrzeuge (9 Prozent). Polnische Exporteure tun sich schwer auf dem südkoreanischen Markt, der 2020 nur auf Platz 43 ihrer Exportdestinationen stand. Polens Hauptexportgüter sind elektromechanische Geräte und Teile (40 Prozent), Schmucksteine (15 Prozent), Maschinenteile (15 Prozent) und Werkzeuge (6 Prozent). Potenzial sieht das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung in den Bereichen Kosmetik, Lebensmittel sowie Schiffbau, wo polnische Werften mit Jachten eine kleine, aber lukrative Nische gefunden haben.

Aufgrund der Investitionsbeziehungen ergänzen sich die beiden Volkswirtschaften trotz der unausgeglichenen Bilanz gut. Koreanische Investoren bringen Zukunftstechnologien nach Polen, die polnischen Firmen den Aufstieg in den europäischen Wertschöpfungsketten ermöglichen. Auch wenn die beiden Länder kulturell sehr verschieden sind, gibt es doch Parallelen. Die südkoreanische Botschafterin in Warschau, Mira Sun, zieht eine Verbindung zwischen der historischen Erfahrung Koreas als mittelgroßes Land zwischen China und Japan einerseits, und der Polens zwischen Russland und Deutschland andererseits. Nicht zuletzt stehen die beiden Mittelmächte mit vergleichbarer Bevölkerungsgröße dank einiger geografischer Distanz nur selten in direkter Konkurrenz.


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