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Rechtsbericht Indien Coronavirus

Indien: Coronavirus und Insolvenz

Infolge der Corona-Pandemie sehen sich Unternehmen eventuell mit den Herausforderungen einer Insolvenz konfrontiert. Indien trifft dazu bereits Sonderregelungen.

Von Julia Merle | Bonn

Allgemeine Rechtsgrundlagen/ Institutionen

Wichtigste Rechtsgrundlage ist der Insolvency and Bankruptcy Code, 2016 (IBC) vom 28. Mai 2016 (Fassung vom 18. März 2020). Dieser regelte das Insolvenzrecht erstmalig ausführlich in einem Regelwerk.

Gemäß Sec. 2 IBC ist der IBC zum Beispiel auf nach dem Companies Act, 2013 gegründete Gesellschaften anwendbar, aber auch auf Partnerschaftsunternehmen sowie natürliche Personen.

Inzwischen gab es zum IBC einige Ergänzungen und Anpassungen. Zuletzt wurde am 13. März 2020 der Insolvency and Bankruptcy Code (Amendment) Act, 2020 veröffentlicht, der rückwirkend zum 28. Dezember 2019 in Kraft trat.

Rechtliche Bestimmungen rund um den IBC sind zusammengestellt auf der Website des Insolvency and Bankruptcy Board of India (IBBI). Dies ist die übergeordnete Aufsichtsbehörde (Sec. 188 ff. IBC). Sie überwacht vor allem die Aktivitäten der Insolvenzverwalter (Sec. 206 ff. IBC) sowie die Informationsdienste (Sec. 209 ff. IBC) und trifft Regulations zur Umsetzung des IBC (Sec. 240 IBC).

Das National Company Law Tribunal (NCLT) sorgt für die Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Verfahrens. Höhere Instanzen sind das National Company Law Appellate Tribunal (Sec. 61 IBC; NCLAT), dann der Supreme Court (Sec. 62 IBC; SC).

In elektronischen Datenbanken wie "NeSL" werden finanzielle Informationen der Schuldner gesammelt, sortiert und authentifiziert. Sie stehen insbesondere den Gläubigern und Insolvenzverwaltern in Insolvenzverfahren zur Verfügung.

Insolvenzverfahren und Liquidation von Unternehmen

Der IBC enthält hierfür im 2. Teil Regelungen.

Nach Sec. 4 IBC liegt der Mindestbetrag für die Einleitung von Insolvenz- und Liquidationsverfahren gegen Unternehmensschuldner (corporate debtors) bei einem Lakh (100.000) Indische Rupien (iR.), die Zentralregierung kann durch Bekanntmachung einen höheren Wert von maximal einem Crore (10 Millionen) iR., ab dem ein Antrag gestellt werden darf, festlegen.

Insbesondere finanzielle Gläubiger (financial creditor) können ein Unternehmensinsolvenzverfahren (corporate insolvency resolution process) einleiten, Sec. 6 IBC. Sec. 7 IBC bestimmt wie: Der Gläubiger kann bei einem "default" (etwa: Verzug, Vertragsverletzung, Zahlungsunfähigkeit) des Schuldners bezüglich seiner eigenen oder Forderungen anderer Gläubiger allein oder mit anderen einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner beim zuständigen NCLT (Sec. 5 Abs. 1, 60 IBC) gebührenpflichtig stellen. Er muss dazu unter anderem einen Nachweis des default einreichen und einen vorläufigen Insolvenzverwalter namentlich vorschlagen. Das NCLT hat nach Prüfung binnen 14 Tagen den Antrag zuzulassen oder abzulehnen. Das Insolvenzverfahren beginnt mit dem Tag der Zulassung.

Die Beantragung durch einen "operational creditor" (i.S.v. Sec. 5 Abs. 20 IBC, etwa Dienstleistungserbringung geschuldet) bestimmt Sec. 9 IBC, die durch den Schuldner Sec. 10 IBC.

Das NCLT verhängt für die Dauer des Insolvenzverfahrens ein Moratorium etwa über anhängige Verfahren gegen den Schuldner inklusive der Vollstreckung, Sec. 14 IBC.

Der vom Gericht bestellte vorläufige Insolvenzverwalter beruft den Gläubigerausschuss (Sec. 21 IBC) ein, der dann unter anderem den endgültigen mit Pflichten nach Sec. 25 IBC bestimmt.

Grundsätzlich soll das Insolvenzverfahren binnen 180 Tagen abgeschlossen sein (Sec. 12 Abs. 1 IBC).

Das Liquidationsverfahren beginnt nach Sec. 33 IBC etwa, wenn das NCLT nicht rechtzeitig einen vom Gläubigerausschuss genehmigten "resolution plan" erhält, es diesen zurückweist oder der Schuldner den Plan nicht einhält und eine betroffene Person seine Liquidation beantragt.

Nach Sec. 38 IBC hat der Abwickler (liquidator) die Forderungen der Gläubiger innerhalb von 30 Tagen ab Beginn des Verfahrens zu erhalten oder zu sammeln. Ein Finanzgläubiger kann eine Forderung zum Beispiel bei ihm einreichen, indem er einen Nachweis darüber bei einem Informationsdienst zur Verfügung stellt. Der Abwickler lässt nach Verifizierung die Forderung entweder zu oder weist sie zurück, Sec. 40 IBC. Der Gläubiger kann diese Entscheidung binnen 14 Tagen anfechten.

Bei der Verteilung des Erlöses aus dem Verkauf der Insolvenzmasse erfolgt die Befriedigung in der in Sec. 53 Abs. 1 IBC vorgesehenen Reihenfolge (evtl. anteilig), beginnend mit den Kosten des Insolvenzverfahrens und Liquidationskosten.

Sind die Vermögenswerte des Schuldners vollständig abgewickelt, beantragt der Abwickler beim NCLT dessen Auflösung (dissolution).

Sec. 55 ff. IBC regeln ein 90-tägiges "Fast Track"-Insolvenzverfahren.

Aktuelle Regelungen in Bezug auf die Coronakrise

Mit Notifikation vom 24. März 2020 erhöhte die Regierung den Schwellenwert für die Insolvenzantragstellung nach Sec. 4 IBC auf den Höchstbetrag der Zahlungsrückstände von 10 Millionen iR. (ca. 121.000 Euro). Dies soll besonders kleinen und mittleren Unternehmen dienen.

Möglicherweise wird die Regierung noch die Vorschriften zur Beantragung der Einleitung des Insolvenzverfahrens (Sec. 7, 9 und 10 IBC) für sechs Monate aussetzen. Bislang ist dies aber nicht der Fall.

Der SC hat mit Order vom 23. März 2020 verfügt, dass ab 15. März 2020 bis auf Weiteres die Verjährungsfrist für alle Verfahren vor allen Gerichten und Tribunalen landesweit verlängert wird.

Zudem liegen beispielsweise eine spezifische Order des NCLAT sowie zahlreiche Mitteilungen des NCLT (zur Arbeitsweise) vor.

Das IBBI hat einige seiner Regulations insbesondere im Hinblick auf Fristen angepasst, so soll etwa der Zeitraum des Lockdowns ausgenommen sein. Siehe zum Beispiel: IBBI (Insolvency Resolution Process for Corporate Persons) Regulations, 2016 (Sec. 40B angepasst, Sec. 40C neu) und IBBI (Liquidation Process) Regulations, 2016 (Sec. 47A eingefügt).  


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