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Rechtsbericht │ Kirgisistan │ Coronavirus

Kirgisistan: Coronavirus und Verträge

Vertragsparteien sollten eine Vertragsanpassung in Betracht ziehen. Force-Majeure-Umstände können im Einzelfall zur Befreiung von Haftung für Nicht- oder Spätleistung führen. 

Von Dmitry Marenkov | Bonn

Klauseln im Vertrag beachten

Grenzüberschreitende Verträge beinhalten meist eine Klausel über höhere Gewalt (Force-Majeure). Solche Force Majeure-Klauseln nennen konkrete Tatbestände (z.B. Naturkatastrophen, Kriege etc.) und deren Folgen für die Vertragsabwicklung. Die Vertragsklauseln gehen den gesetzlichen Vorschriften vor und sind daher für die Auswirkung von Ausfällen oder Verzögerungen bei Warenlieferungen und Zahlungen infolge der Coronakrise auf die vertraglichen Verpflichtungen primär heranzuziehen. Zunächst wäre also zu fragen, ob die Vertragsklausel den Ausbruch einer Epidemie oder Pandemie sowie behördliche Anordnungen ausdrücklich regelt oder Begriffe enthält, die entsprechend ausgelegt werden können. Die Klausel kann eine Pflicht zur Benachrichtigung über die Umstände sowie die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung vorsehen. Die Klausel ist nach dem anwendbaren Recht auszulegen. Für die Praxis ist künftig eine ausführliche vertragliche Regelung von derartigen Situationen zu empfehlen.

Vertragsanpassung in Erwägung ziehen

Die Vertragsparteien sollten bei drohenden oder eingetretenen Störungen des Vertragsverhältnisses infolge der COVID19-Maßnahmen eine einvernehmliche Vertragsanpassung in Betracht ziehen, die einen Gang vors Gericht erspart. Dabei kann es sich beispielsweise um Verlängerung von Fristen für die Erfüllung vertraglicher Pflichten, Zahlungsaufschub und Nichtanwendung von Vertragsstrafen handeln.

Anwendung des kirgisischen Rechts

Normen des kirgisischen Rechts finden dann Anwendung, wenn der Vertrag eine entsprechende Rechtswahlklausel enthält oder mangels einer solchen die Regeln des Internationalen Privatrechts zur Geltung des kirgisischen Rechts führen, vor allem bei Importverträgen, die eine Lieferung aus Kirgisistan nach Deutschland vorsehen. Zu beachten ist, dass Deutschland und Kirgisistan Vertragsstaaten des UN-Kaufrechtsübereinkommens (CISG) sind. Daher finden Normen des kirgisischen Zivilgesetzbuches nur dann Anwendung, wenn die Vertragsparteien die Geltung des CISG ausgeschlossen haben oder das CISG keine Regelung enthält (z.B. Verjährungsfragen).

Normen im kirgisischen Recht

Sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist, kommt es gemäß Art. 356 Abs. 3 ZGB zu einer Befreiung von der Haftung für Nicht- oder Schlechterfüllung von vertraglichen Verpflichtungen, wenn der Schuldner beweisen kann, dass eine ordnungsgemäße Erfüllung infolge von höherer Gewalt, d.h. von außerordentlichen und unabwendbaren Umständen, unmöglich geworden ist. Die Norm präzisiert, dass Pflichtverletzungen seitens der Vertragspartner des Schuldners, das Fehlen von für die Erfüllung notwendigen Waren auf dem Markt sowie der Geldmangel nicht zu solchen Umständen gehören.

Haben sich Umstände, auf deren Grundlage der Vertragsabschluss zustande gekommen ist, schwerwiegend verändert, kann der Vertrag gemäß Art. 412 ZGB geändert oder aufgehoben werden, wenn sich aus dem Vertrag und seinem Wesen nichts anderes ergibt. Die Änderung von Umständen gilt als schwerwiegend, wenn sie sich derart verändert haben, dass die Parteien, sofern sie dies hätten vernünftigerweise vorhersehen können, den Vertrag gar nicht oder zu ganz anderen Bedingungen abgeschlossen hätten.

Wenn die Vertragsparteien keine Einigung über eine Vertragsanpassung oder -aufhebung erzielt haben, kann die Aufhebung und Anpassung vor Gericht beantragt werden, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

▪ Die Änderung der Umstände erfolgte aus Gründen, die die betroffene Vertragspartei bei Anwendung der nach Vertrag und Verkehrssitte erforderlichen Sorgfalt nicht überwinden konnte;

▪ Die Vertragserfüllung würde das Verhältnis der wirtschaftlichen Interessen der Vertragsparteien stören und die betroffene Partei derart benachteiligen, dass sie den beim Vertragsschluss erwarteten Vorteil im Wesentlichen verlieren würde;

▪ Aus dem Wesen des Vertrages und den Handelsbräuchen folgt nicht, dass die einschlägige Partei das Risiko der Änderung der Umstände trägt.

Nach Art. 217 ZGB ist die Verjährung gehemmt, wenn die Rechtsverfolgung aufgrund höherer Gewalt unmöglich war. Ab dem Tag, an dem der Umstand höherer Gewalt nicht mehr besteht, läuft die Verjährungsfrist weiter.

Wirkung des Force-Majeure-Einwandes

Der Force-Majeure-Einwand befreit die Vertragspartei nicht von der Leistungspflicht, z.B. der Warenlieferung. Sobald der als höhere Gewalt anerkannte Umstand wegfällt, ist die entsprechende Leistung zu erfüllen. Dagegen tritt eine Befreiung von der Haftung für die Nicht- oder Schlechterfüllung infolge Umstände höherer Gewalt ein; Schadensersatz oder Vertragsstrafen wären nicht zu zahlen.

Der Force-Majeure-Einwand hat keinen universellen oder abstrakten Charakter. Daher kann die Coronakrise nicht für alle Unternehmer und Verträge Geltung erlangen. Vielmehr muss ein Schuldner die kausalen Folgen von konkreten Maßnahmen (z.B. Fahrverbote oder eine angeordnete Unternehmensschließung) auf bestimmte Leistungsverpflichtungen in einem konkreten Vertragsverhältnis darlegen und seinen Geschäftspartner rechtzeitig darüber informieren.

Force-Majeure-Zertifikate

Die Industrie- und Handelskammer Kirgisistans kann auf Antrag ein Zertifikat über das Vorliegen von Force-Majeure-Umständen ausstellen. Als Force-Majeure-Umstände werden die außerordentlichen und unter diesen Bedingungen unabwendbaren Umstände (Naturkatastrophen, Kriegszustände etc.) anerkannt. Dazu gehören Brände, Überschwemmungen, Erdbeben, Epidemien, Streiks, Import- und Exportverbote etc. Die Ausstellung nimmt in der Regel zehn Werktage in Anspruch, es besteht auch eine Option der Bearbeitung in drei Tagen.


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