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Türkei: Öffentliche Aufträge

Das Gesetz über öffentliche Aufträge (Nr. 4734) und das Gesetz betreffend Verträge zur Durchführung öffentlicher Aufträge (Nr. 4735) regeln die Vergabe öffentlicher Aufträge.

Von Jakob Kemmer, Sherif Rohayem | Bonn

Rechtsgrundlage

Das Vergabegesetz (VergG) legt die Grundsätze für öffentliche Ausschreibungen und das Vergabeverfahren im Einzelnen fest. Mit dem VergG von 2003 hat der türkische Gesetzgeber das öffentliche Beschaffungswesen internationalen Standards angeglichen. Seit September 2010 ist auch die elektronische Beschaffung (e-procurement) möglich.  

Zuständige Aufsichtsbehörde für die öffentliche Vergabe in der Türkei ist gemäß Artikel 53 VergG die Behörde für öffentliche Ausschreibungen (kamu ihale kurumu).

Das Vergabegesetz gilt für die öffentliche Beschaffung von Waren, Diensten und Werken (Artikel 2 VergG). Es gilt nicht für Bereiche wie Energie, Wasser, Transport und Telekommunikation (Artikel 2 Absatz 2 a.E. VergG) sowie Projekte des Verteidigungssektors und der Nachrichtendienste (Artikel 3 lit. a VergG).

Vergabeverfahren

Gemäß Artikel 5 VergG muss die jeweilige Vergabestelle folgende Kriterien beachten: Wettbewerb, Transparenz, Gleichheit, Verlässlichkeit, Vertraulichkeit, Öffentliche Aufsicht, angemessene und zügige Bedarfsdeckung sowie effizienter Einsatz öffentlicher Mittel.

Betroffene Bieter können sich auf die Einhaltung dieser Grundsätze berufen, indem sie bei deren Verletzung die nachstehend unter „Rechtsmittel“ aufgeführten Rechtsbehelfe einlegen können. Einheitliche Beschaffungen darf die Vergabestelle nicht in einzelne Teile aufspalten, mit dem Ziel die Grenzwerte zu umgehen (Artikel 5 Absatz 3 VergG).

Artikel 18 VergG zählt die folgenden Arten von Vergabeverfahren auf:

  • Die offene Ausschreibung (Artikel 19 VergG), in der alle Interessenten die Möglichkeit und das Recht haben, Angebote abzugeben

  • Bei der beschränkten Ausschreibung (Artikel 20 VergG) holt die Vergabestelle lediglich Angebote aus einem Kreis ausgewählter Bieter ein. Zuvor müssen Interessenten erfolgreich ein Vorqualifizierungsverfahren durchlaufen (Artikel 20 Absatz 2 VergG). Die beschränkte Ausschreibung ist dort zulässig, wo die Art des Auftrags einen besonderen technischen Sachverstand erfordert, ein offenes Verfahren infolgedessen nicht sachdienlich ist;

  • Aufträge können nur in den gesetzlich bestimmten Fällen (Artikel 21 VergG) im Verhandlungsverfahren vergeben werden.

Gemäß Artikel 28 VergG dürfen Interessierte die Ausschreibungs- und Vorqualifikationsunterlagen kostenlos einsehen. Will man an dem Verfahren teilnehmen, muss man sie erwerben.

Für einzelne Auftragsbestandteile (Gewerke) dürfen auch Ausländer an Vergabeverfahren teilnehmen, ohne eine Niederlassung oder eine sonstige Repräsentanz in der Türkei gründen zu müssen. Artikel 63 VergG stellt es ins Ermessen der Vergabestelle türkischen Bietern gegenüber ausländischen Bietern einen Preisvorteil von bis zu 15 Prozent einzuräumen.

Rechtsmittel

Wollen Teilnehmende ein Vergabeverfahren anfechten, steht ihnen der Rechtsweg offen, wenn sie zuvor jeweils erfolglos Beschwerde bei der Vergabebehörde und Widerspruch bei der Behörde für öffentliche Ausschreibungen (kamu ihale kurumu) einlegt haben (Artikel 54 Absätze 2 und 3 VergG). Beschwerde- und widerspruchsberechtigt sind Bieter und Kandidaten, deren Definitionen sich in Artikel 4 VergG finden. Beschwerde und Widerspruch sind begründet, wenn der Antragsteller aufgrund eines Verfahrensfehlers oder einer rechtswidrigen Verfahrenshandlung einen Rechtsverlust oder einen Schaden erlitten hat oder ein Rechtsverlust oder Schaden droht (Artikel 54 Absatz 1 VergG).

Artikel 54 Absatz 4 VergG listet die notwendigen Angaben auf, die Beschwerde und Widerspruch enthalten müssen. Entscheidungen über Beschwerde und Widerspruch können das Vergabeverfahren entweder beenden (Artikel 54 Absatz 10 a) VergG), einen rechtmäßigen Zustand wiederherstellen (Artikel 54 Absatz 10 b) VergG) oder bei Unbegründetheit zurückgewiesen werden (Artikel 54 Absatz 10 c) VergG).

Eine Beschwerde ist bei der Vergabebehörde innerhalb von zehn Tagen einzureichen. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem der Verfahrensverstoß, der mit der Beschwerde geltend gemacht wird, erkannt wurde oder hätte erkannt werden können. Spätestens muss die Beschwerde vor Vertragsunterzeichnung eingehen. Rügt der Beschwerdeführer Fehler der Vergabemitteilung, der Vorqualifikations- oder Angebotsunterlagen, muss er seine Beschwerde ebenfalls innerhalb von zehn Tagen, spätestens drei Werktage vor Ablauf der Angebots- oder Antragsfrist eingereicht haben (Artikel 55 Absatz 2 VergG). Die Frist läuft mit der Veröffentlichung der Vergabemitteilung beziehungsweise vom Zeitpunkt des Erwerbs der Vorqualifikations- oder Auftragsunterlagen. Einen Sonderfall regelt Artikel 55 Absatz 1 VergG: Danach beträgt die Frist fünf Tage, wenn es sich um Fälle des Artikel 21 Absatz 1 b) oder c) VergG handelt und die Auftragsvergabe im Verhandlungsverfahren stattfand.

Die Vergabestelle hat Beschwerden innerhalb von zehn Tagen seit Zugang derselben zu bescheiden, andernfalls kann der Beschwerdeführer nach Ablauf weiterer zehn Tage Widerspruch bei der KIK erheben (Artikel 55 Absatz 3 VergG).

Hilft die Vergabestelle der Beschwerde nicht ab, kann der Beschwerdeführer hiergegen - abermals - innerhalb einer Frist von zehn Tagen vom Zeitpunkt der zurückweisenden Entscheidung Widerspruch bei der Behörde für öffentliche Ausschreibungen (kamu ihale kurumu) erheben, Artikel 55 Absatz 4 VergG. Nachdem diese den Widerspruch negativ beschieden hat, kann der Antragsteller Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben.

Ein materieller Schaden kann ohne behördliches Vorverfahren vor den Verwaltungsgerichten eingeklagt werden. Ist ein Auftrag vergeben und ergeben sich innerhalb dessen Vollzug rechtliche Streitigkeiten, fallen diese in die Zuständigkeit der Zivilgerichte.

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