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Bulgarien - Zuständige Gerichte

Germany Trade & Invest (Stand: 22.7.2015)

In Fällen, in denen der deutsche Unternehmer sich gezwungen sieht, seine gegenüber dem bulgarischen Dienstleistungserbringer bestehenden Forderungen gerichtlich durchzusetzen, stellt sich die Frage nach dem zuständigen Gericht. Beim grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr kommt sowohl die Zuständigkeit eines deutschen wie auch eines bulgarischen Gerichts in Betracht, so dass zunächst die internationale Zuständigkeit eines der Gerichte dieser Länder festgestellt werden muss. Wurde ermittelt in welchem Land zu klagen ist, so bestimmt die örtliche Zuständigkeit den Ort des Gerichts, das für das Verfahren zuständig ist.

Die sachliche Zuständigkeit schließlich bestimmt, welches Gericht an dem Ort über den Fall entscheiden wird (zum Beispiel Amtsgericht oder Landgericht). Hier können beispielsweise Art oder Höhe der Forderung ausschlaggebend sein.

Internationale Zuständigkeit

Bei Streitigkeiten zwischen bulgarischen Dienstleistungserbringern und deutschen Dienstleistungsempfängern richtet sich im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Frage der internationalen und örtlichen Zuständigkeit zunächst nach der Verordnung (EU--Europäische Union) Nr.--Nummer 1215/2012 vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-Ia-Verordnung oder EuGVVO). Diese gilt seit 10.1.2015 und ersetzt die Verordnung (EG--Europäische Gemeinschaft) Nr. 44/2001 (Brüssel-I-Verordnung oder EuGVVO). Welche Fassung der EuGVVO im konkreten Fall gilt, hängt davon ab, wann das Verfahren eingeleitet wurde (vgl.--vergleiche zum zeitlichen Anwendungsbereich der Fassungen der EuGVVO den Abschnitt Anerkennung / Vollstreckung dieses Länderberichts).

Gerichtsstandsvereinbarungen sind dabei grundsätzlich zulässig. Unter einer Gerichtsstandsvereinbarung versteht man eine Vertragsklausel, die bestimmt, an welchem Ort oder vor welchem Gericht bei Streitigkeiten geklagt werden darf. Es ist also möglich, mit einer Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts vertraglich zu regeln. Auch wenn gemäß Artikel 23 Brüssel-I-Verordnung beziehungsweise Artikel 25 Brüssel-Ia-Verordnung nicht nur schriftliche Gerichtsstandsvereinbarungen möglich sind, ist eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien ratsam. Allerdings kann sich bei Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung bei bestimmten Angelegenheiten, zum Beispiel Versicherungs- und Verbraucherverträgen, deren Unwirksamkeit ergeben. 

Fehlt eine Gerichtsstandsvereinbarung im Vertrag, sind nach Artikel 2 Brüssel-I-Verordnung beziehungsweise Artikel 4 Brüssel-Ia-Verordnung grundsätzlich die Gerichte des Wohnsitzstaates des Beklagten international zuständig. Für juristische Personen wie zum Beispiel eine GmbH wird (mangels Wohnsitzes) auf den satzungsmäßigen Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung abgestellt.

Beim grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr ist allerdings die besondere Zuständigkeit nach Artikel 5 Brüssel-I-Verordnung beziehungsweise Artikel 7 Brüssel-Ia-Verordnung zu beachten. Danach kann trotz Wohnsitzes in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (beispielsweise Deutschland) der Dienstleistungsempfänger an dem Ort verklagt werden, an dem die Dienstleistung nach dem Vertrag erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen (beispielsweise Bulgarien).

Denkbar sind im Ergebnis folgende Fälle, in denen in Streitigkeiten deutscher gewerblicher Dienstleistungsempfänger mit bulgarischen Dienstleistern vor einem bulgarischen Gericht zu klagen wäre:

  1. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung sieht dies ausdrücklich vor.
  2. Bei Fehlen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung: Der Beklagte (Dienstleistungsempfänger oder auch Dienstleistungserbringer) hat seinen Wohnsitz beziehungsweise Geschäftssitz in Bulgarien.
  3. Besonderheit: Wurde die Dienstleistung in Bulgarien erbracht oder hätte sie nach dem Vertrag in Bulgarien erbracht werden müssen, so kann auch vor einem bulgarischen Gericht geklagt werden.

Der Inhalt der Vorschriften zur internationalen Zuständigkeit ist größtenteils unverändert geblieben. Insofern kann für weitere Informationen auf den Überblick über die Verordnung (EG) Nr. 44/2001, den das europäische Gesetzgebungsportal Eur-Lex in deutscher Fassung anbietet, verwiesen werden. Es bietet darüber hinaus einen Überblick über die durch Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 eingeführten Neuerungen beispielsweise im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Gerichtstandsvereinbarungen.

Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des bulgarischen Gerichts bestimmt sich im Anschluss an die Feststellung der internationalen Zuständigkeit nach den nationalen Vorschriften des bulgarischen Rechts.

Über spezifisch verbraucherschutzrelevante Themen bezüglich der internationalen Zuständigkeit informiert die Rubrik "Rechtsschutz für Verbraucher - Individuell".

Örtliche und sachliche Zuständigkeit

Die Organisation der bulgarischen Gerichte basiert auf der Grundlage des Artikels 119 der bulgarischen Verfassung (Конституция на Република България) und der Artikel 76ff. des bulgarischen Gerichtsverfassungsgesetzes (Закон за съдебната власт). Danach stellt sich der Gerichtsaufbau der ordentlichen Gerichte in Bulgarien, die für den deutschen Dienstleistungsempfänger als relevanteste Gerichte anzusehen sind, wie folgt dar:

  • Rayonsgericht (Районен съд);
  • Bezirksgericht (Окръжен съд);
  • Berufungsgericht (Апелативен съд);
  • Oberstes Kassations-Gerichtshof (Върховен касационен съд).

Für die Bestimmung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit in Bulgarien ist neben dem dortigen Gerichtsverfassungsgesetz in erster Linie auch die bulgarische Zivilprozessordnung (Граждански процесуален кодекс) heranzuziehen. Ein Vorteil des bulgarischen Zivilverfahrensrechts ist dabei, dass die Zuständigkeit vom Gericht von Amts wegen ermittelt wird, so dass beim Einreichen einer Klage beim örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht dieses die Klage automatisch an das zuständige Gericht verweist.

Grundsätzlich aber bestimmt der in Artikel 105 der bulgarischen Zivilprozessordnung festgeschriebene allgemeine Gerichtsstand die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts. Das heißt, dass maßgebend für die örtliche Zuständigkeit eines bulgarischen Gerichts der Wohnsitz bzw. Geschäftssitz des Beklagten ist.

Ausgenommen die ausschließlichen bulgarischen Gerichtsstände, können die Parteien in vermögensrechtlichen Angelegenheiten einen ausländischen Gerichtsstand oder eine schiedsgerichtliche Streitbeilegung vereinbaren. Im Zivilverfahren besteht kein Anwaltszwang.

In Zivilsachen sind grundsätzlich die Rayongerichte erstinstanzlich zuständig (Artikel 76 bulg. GVG, Artikel 103 bulg. ZPO), mit Ausnahme der Fälle, in denen die Bezirksgerichte als Eingangsinstanz bestimmt sind.

Gemäß Artikel 104 ZPO unterliegen der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Bezirksgerichte:

  • Handelsstreitigkeiten
  • Streitigkeiten betreffend Eigentum und andere dingliche Rechte im Wert von über 50.000 Lew (circa 25.500 Euro)
  • zivilrechtliche Fälle mit Streitwert von über 25.000 Lew (circa 12.500 Euro)
  • registerrechtliche Streitigkeiten u.a.--und andere

Ein Suchdienst für das jeweils zuständige Gericht steht im Internet auf den Seiten des sog.--sogenannten Europäischen Gerichtsatlasses auf Deutsch zur Verfügung (Länderauswahl: Bulgarien).

Rechtsmittel

Das bulgarische Gerichtssystem besteht nach Artikel 119 der bulgarischen Verfassung aus folgenden Gerichten:

  • Oberster Kassations-Gerichtshof (Върховен касационен съд)
  • Oberster Verwaltungsgerichtshof (Върховен административен съд)
  • Berufungsgerichte (Апелативен съд)
  • Bezirksgerichte (Окръжен съд)
  • Rayongerichte (Районен съд)
  • Militärgerichte (Военен съд)

Folgende Rechtsmittel gibt das bulgarische Recht in seiner Zivilprozessordnung (Граждански процесуален кодекс) vor:

  • Berufung (Artikel 258-273, Въззивно обжалване)
  • Anfechtung der Beschlüsse-Rekurs (Artikel 274-279, Обжалване на определенията)
  • Kassation (Artikel 280-294, Касационно обжалване)
  • Aufhebung rechtskräftiger Urteile (Artikel 303-309, Отмяна на влезли в сила решения)

Justizreform und EU-Kooperations- und Kontrollverfahren

2Das bulgarische Justizsystem wies noch zum Zeitpunkt des EU-Beitritts am 1.1.2007 erhebliche Defizite auf. Die neuen Regelungen, seit 2007 (GVG) bzw.--beziehungsweise 2008 (ZPO) in Kraft, sind nicht zuletzt zur Umsetzung von EU-Vorgaben zur Gewährleistung von transparenten und effizienten Gerichtsverfahren im Rahmen der Justizreform ergangen.

Vor diesem Hintergrund richtete die EU für Bulgarien (und auch parallel für Rumänien) das sogenanntes Kooperations- und Kontrollverfahren ein, in dessen Rahmen die EU-Kommission zweimal im Jahr Berichte zum Stand der Fortschritte Bulgariens und Rumäniens bei der Justizreform und Korruptionsbekämpfung veröffentlicht.

Germany Trade & Invest (Stand: 22.7.2015)

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