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Rechtsbericht Äthiopien Coronavirus
Die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus hinterlassen Spuren in der Wirtschaft. Was kann ich tun, wenn mein äthiopischer Geschäftspartner insolvent ist?
19.05.2020
Von Katrin Grünewald | Bonn
Äthiopien verzeichnet bis zum jetzigen Zeitpunkt zwar nur geringe Covid-19 Fallzahlen und hat auch weniger umfangreiche Maßnahmen ergriffen wie andere Länder, nichtsdestotrotz werden die weltweiten Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus die äthiopische Wirtschaft hart treffen. Auch Insolvenzen von Unternehmen werden unvermeidbar sein.
Das äthiopische Insolvenzrecht ist im Buch 5 des Commercial Code of Ethiopia 1960 geregelt. Danach unterfallen den Insolvenzvorschriften alle Gewerbetreibenden sowie alle kommerziellen Unternehmen. Explizit ausgenommen sind Joint Ventures. Ein Insolvenzverfahren für Private sieht das äthiopische Gesetz nicht vor. Es gibt im Wesentlichen zwei Verfahren: die Abwicklung von Unternehmen (bankruptcy) und eine Art Restrukturierungsverfahren (schemes of arrangement).
Zuständig für Insolvenzverfahren sind in Äthiopien die Gerichte am Geschäftssitz des Unternehmens oder bei mehreren Geschäftssitzen am Hauptsitz.
Ein Unternehmen gilt in Äthiopien als insolvent, wenn es seine Zahlungen eingestellt hat und vom zuständigen Gericht für insolvent erklärt wurde (Art. 969 Commercial Code of Ethiopia 1960). Die Zahlungseinstellung ohne gerichtliches Urteil ist für eine Insolvenz nicht ausreichend. Das Unternehmen gilt in diesem Fall als lediglich faktisch insolvent (bankruptcy in fact). Ein Unternehmen ist außerdem verpflichtet, innerhalb von 15 Tagen nach Zahlungseinstellung das zuständige Gericht hierüber zu informieren.
Das Insolvenzverfahren beginnt in Äthiopien mit einem Insolvenzantrag, der vom Schuldner, einem oder mehreren Gläubigern, dem Staatsanwalt oder dem Gericht gestellt werden kann. In einer ersten Anhörung wird der Schuldner durch das Gericht für insolvent erklärt und ein commissioner in bankruptcy sowie ein oder mehrere, maximal drei, trustees in bankruptcy ernannt.
Der Schuldner selber oder die trustees erstellen ein Eigentumsverzeichnis und eine Übersicht der Schulden. Die trustees erstellen darüber hinaus eine Gläubigerliste. Mit Fertigstellen des Eigentumsverzeichnisses verliert der Schuldner das Eigentum an den darin aufgeführten Gegenständen bzw. Immobilien. Während der Dauer des Insolvenzverfahrens ist es dem Schuldner verboten, das Gebiet seines Wohn- bzw. Geschäftssitzes ohne Genehmigung des commissioners zu verlassen.
Gläubiger, die in der Liste der Gläubiger enthalten sind, haben nach der Insolvenzerklärung des Gerichts innerhalb von einer Frist von 15 Tagen ihre Forderungen zu beweisen. Gläubiger, die in der Bilanz des Schuldners enthalten sind, haben außerdem die Möglichkeit, ihre Forderung innerhalb einer Frist von acht Tagen ab der Veröffentlichung der Insolvenzerklärung im Gesetzblatt gerichtlich anzumelden.
Nach Ablauf der Fristen zur Forderungsanmeldung kann der Schuldner einen Vorschlag zur gütlichen Einigung (composition) machen, indem er eine prozentuale Befriedigung der ungesicherten Gläubiger vorschlägt und einen Zahlungsplan vorlegt. Sofern es zu keiner gütlichen Einigung kommt, wird das gesamte Vermögen des Schuldners veräußert und verteilt. Dabei werden zunächst die Kosten des Verfahrens abgezogen. Außerdem kann das Gericht dem Schuldner und seiner Familie einen Geldbetrag als Unterstützung zusprechen. Anschließend werden zunächst die bevorzugten Gläubiger (preferred creditors) und im Anschluss alle anderen Gläubiger befriedigt.
Ein Unternehmen, das sich kurz vor der Zahlungseinstellung befindet oder noch nicht vom Gericht für insolvent erklärt wurde, kann ein Restrukturierungsverfahren (schemes of arrangement) beim zuständigen Gericht anstreben. Im Rahmen dieses Verfahrens muss es innerhalb eines Jahres mindestens 50 Prozent seiner ungesicherten Forderungen, 75 Prozent innerhalb von 18 Monaten oder 100 Prozent innerhalb von drei Jahren zurückzahlen.
Nach Eröffnung des Verfahrens ernennt das zuständige Gericht einen delegierten Richter und einen commissioner, beruft eine Gläubigerkonferenz ein und setzt dem Schuldner eine höchstens achttägige Frist zur Erstellung einer Gläubigerliste und zur Zahlung der Verfahrenskosten. Auf der Gläubigerkonferenz stimmen die Gläubiger über das vorgeschlagene Restrukturierungsverfahren ab. Wird dieses abgelehnt, erklärt das Gericht den Schuldner für insolvent. Wird es angenommen, prüft das Gericht die finanziellen Mittel und die gewährten Garantien des Schuldners sowie, ob er das Restrukturierungsverfahren verdient. Nach Zustimmung des Gerichts ist das Verfahren für die Gläubiger bindend. Die Umsetzung wird vom commissioner überwacht.
In Äthiopien gibt es kein Insolvenzregister. Seit Inkrafttreten des Commercial Code of Ethiopia 1960 gab es nur wenig Insolvenzverfahren, obwohl die Verfahren in den letzten Jahren zugenommen haben. Aus diesen Gründen kann angenommen werden, dass ausländische Gläubiger nur mit einigen Schwierigkeiten gegen ein insolventes äthiopisches Unternehmen vorgehen können.
Nichtsdestotrotz kann, wer Gläubiger eines insolventen Unternehmens ist, seine Forderung wie jeder andere Gläubiger anmelden. Forderungen sind in Äthiopien nach der Insolvenzerklärung durch das Gericht anzumelden.
Die äthiopische Regierung hat zur Unterstützung ihrer Unternehmen in der Coronakrise verschiedene Maßnahmen erlassen bzw. angekündigt. Dazu gehören unter anderem schnellere Mehrwertsteuer-Rückerstattungen, Kündigungsverbote von Arbeitnehmern oder finanzielle Unterstützung von Banken und Gesundheitseinrichtungen. Insolvenzrechtliche Maßnahmen sind allerdings nicht bekannt.
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