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Rechtsbericht EU Brexit
Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen dauern länger als geplant. Wir stellen wichtige Themen zusammen und erklären, was heute schon feststeht - und was nicht.
15.12.2020
Von Nadine Bauer, Karl Martin Fischer | Bonn
Mit dem Jahreswechsel scheidet das VK aus dem Dienstleistungs-Binnenmarkt aus – somit endet auch die Dienstleistungsfreiheit. In der Folge kann es beispielsweise für Elektroniker, Architekten oder Rechtsanwälte Beschränkungsmöglichkeiten geben. So können im Einzelfall etwa wirtschaftliche Bedarfsprüfungen Realität werden. Und bestimmte Arten von Dienstleistungen dürfen eventuell sogar überhaupt nicht mehr erbracht werden. Ein weiteres Problem: Anders als im europäischen Recht, können Rechte, die aus Abkommen folgen, nicht selbst und im eigenen Namen von Unternehmen durchgesetzt werden.
Vor allem für den Fall, dass der Dienstleistungserbringer ins Ausland reist, wird es Beschränkungen geben. Wie genau diese ausgestaltet sein werden, hängt von der zukünftigen Partnerschaft ab. Diese bestimmt über den Marktzugang wie auch die Inländerbehandlung – und somit auch über die konkret zu erfüllenden Anforderungen. Für den Fall, dass kein Freihandelsabkommen geschlossen wird, greift das General Agreement on Trade in Services der Welthandelsorganisation.
Kurze Geschäftsreisen in das Vereinigte Königreich werden auch zukünftig möglich sein – höchstwahrscheinlich visumsfrei. Für fast alle Dienstleistungen, die deutsche Dienstleister in persona im Vereinigten Königreich erbringen, wird hingegen ein Visum erforderlich sein.
Wie die grenzüberschreitende Sozialversicherung geregelt wird, ist derzeit noch nicht entschieden. Beide Seiten haben erklärt, die vorübergehende Fortgeltung der heimischen Sozialversicherung weiterhin ermöglichen zu wollen. Die konkrete Ausgestaltung der Regelungen ist hingegen noch nicht bekannt.
Qualifikationen, die bis zum Ende der Übergangsphase am 31.12.2020 anerkannt wurden, behalten ihre Gültigkeit dauerhaft. Dies umfasst auch das Recht, den Beruf zu den gleichen Bedingungen wie Inländer im betreffenden Land weiterhin auszuüben. Die Bearbeitung von Anträgen auf Anerkennung, die vor dem Ablauf der Übergangsphase gestellt, aber nicht entschieden worden sind, wird weitestgehend nach dem EU-Regelwerk abgeschlossen.
Ob es ein gemeinsames System für die Anerkennung von Qualifikationen geben wird ist derzeit noch nicht klar. Die Entwürfe für Freihandelsabkommen der britischen und europäischen Seite gehen weit auseinander. Die EU schlägt vor, die jeweils zuständigen Kammern / Verbände zu beauftragen, die britische Seite schlägt ein branchenübergreifendes Regelwerk vor.
Laufende Vergabeverfahren werden nach den europäischen Regeln – einschließlich Rechtsschutz – weitergeführt, sofern sie bis Ende der Übergangsphase veröffentlicht wurden. Künftig besteht für die britische Seite weder die Verpflichtung, noch die Möglichkeit, öffentliche Aufträge im Amtsblatt der EU auszuschreiben. Stattdessen erfolgt die Veröffentlichung künftig über das Portal Find a Tender.
Wenngleich kurz- und mittelfristig das britische Vergaberecht auf dem europäischen Vergaberecht beruht, gibt es doch erhebliche Unsicherheiten bezüglich der langfristigen Ausgestaltung der britischen Regelungen. Hier kommt es auf die Art und Weise der künftigen Zusammenarbeit an.
Zum Jahreswechsel ist das VK vollständiger Drittstaat, Datentransfers aus der EU sind dann an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft: Entweder liegt ein Angemessenheitsbeschluss vor oder es müssen geeignete Garantien zum Schutz personenbezogener Daten geschaffen werden – zum Beispiel durch verbindliche interne Datenschutzvorschriften.
Ob und wenn ja wann, die Europäische Kommission einen Angemessenheitsbeschluss gegenüber dem VK erlässt, ist weiterhin unklar. Bis dahin muss die legale Datenübermittlung auf andere Weise sichergestellt werden.
Die europäischen Regeln über die zuständigen Gerichte und die grenzüberschreitende Vollstreckung von Urteilen gelten nicht mehr. Stattdessen gilt die Haager Übereinkunft von 2005 mit einem deutlich engeren Anwendungsbereich, und nur für ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen.
Möglicherweise tritt das Lugano Abkommen von 2007 in Kraft, das im Wesentlichen zwischen EU- und EFTA-Staaten Anwendung findet und einen etwas weiteren Anwendungsbereich hat. Allerdings steht die erforderliche Zustimmung der EU noch aus.
Das Patentrecht ist rein nationales Recht, der bisherige Schutz bleibt also auch nach dem Ende der Übergangsphase bestehen. Anders für die Bereiche Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster: Bereits bestehende Rechte werden automatisch in ein britisches Pendant überführt. Ab dem 1. Januar 2021 ist dann eine getrennte Antragsstellung im VK erforderlich.
Vor allem Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum könnten Gegenstand eines Freihandelsabkommens sein, um einen angemessenen und wirksamen Schutz zu gewährleisten.