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NiederlandeVerjährungsfristen / Schiedsgerichtsbarkeit
Recht
Rechtsbericht Niederlande Verjährungsfristen
Bonn (gtai) Die Niederlande haben kürzlich ihr Schiedsverfahrensrecht reformiert und an die Vorschriften des UNCITRAL-Modellgesetzes zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2006 angepasst. Daraus ergeben sich Änderungen im Hinblick auf Vorschriften zur Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung, zur Durchführung des Schiedsverfahrens, zu Sicherungsmaßnahmen, zu Rechtsbehelfen gegen Schiedssprüche, zur Handhabung von Schiedsverfahren außerhalb der Niederlande, zur Vollstreckung von Schiedssprüchen sowie zur Unterbrechung der Verjährung.
01.07.2014
Die Niederlande haben kürzlich ihr Schiedsverfahrensrecht modernisiert. Durch das entsprechende Gesetz vom 2.6.2014 (Wet van 2 juni 2014 tot wijziging van Boek 3, Boek 6 en Boek 10 van het Burgerlijk Wetboek en het Vierde Boek van het Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering in verband met de modernisering van het Arbitragerecht) wurden Vorschriften im niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuch (Burgerlijk Wetboek, im Folgenden WB) und in der niederländischen Zivilprozessordnung (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering, im Folgenden WBR) geändert und zum Teil auch neu eingeführt. Laut Königlichem Beschluss vom 30.6.2014 treten die neuen Regelungen zum Schiedsverfahren zum 1.1.2015 in Kraft.
Das neue niederländische Schiedsverfahrensrecht spiegelt die wesentlichen Vorschriften des UNCITRAL-Modelgesetzes zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (englisch: United Nations Commission on International Trade Law, kurz: UNCITRAL) in der Fassung von 2006 wider. Dadurch soll der Schiedsplatz Niederlande attraktiver gemacht werden - sowohl für nationale als auch für internationale Schiedsverfahren.
In das zehnte Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches (WB Boek 10) wurde u.a. eine Vorschrift neu aufgenommen, die näher erläutert, nach welchem Recht es sich richtet, ob eine Schiedsvereinbarung als rechtswirksam anzusehen ist: entweder wenn sie den Anforderungen des zwischen den Parteien vereinbarten Rechts oder des Rechts des Schiedsortes entspricht oder in Ermangelung einer Vereinbarung zum anwendbaren Recht, wenn sie den Anforderungen des Rechts entspricht, das auf die Schiedsvereinbarung anwendbar ist (Artikel 166 WB Boek 10).
Ein Schiedsrichter kann weiterhin abgelehnt werden, wenn berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit bestehen (Artikel 1033 Absatz 1 WBR). Lehnt eine der Parteien einen Schiedsrichter ab und verzichtet dieser nicht freiwillig auf das Amt, kann auf Antrag der Verfügungsrichter beim Bezirksgericht (voorzieningenrechter van de rechtbank) darüber entscheiden, ob der Schiedsrichter die Anforderungen an die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit erfüllt (Artikel 1035 Absatz 2 WBR). Die Parteien können sich jetzt auch darauf verständigen, dass anstelle des Verfügungsrichters des zuständigen Bezirksgerichts ein unabhängiger Dritter diese Entscheidung trifft (Artikel 1035 Absatz 7 WBR).
Das Schiedsgericht muss nicht unbedingt am Schiedsort tagen und kann auch eines seiner Mitglieder beauftragen, eine Anhörung allein durchzuführen (Artikel 1037 Absatz 3 WBR). Das Schiedsgericht darf auf Antrag einer der Parteien oder auf eigene Initiative hin eine Ortsbegehung innerhalb oder außerhalb des Staatsgebiets der Niederlande durchführen. Den Parteien muss es zugestanden werden, an der Ortsbegehung teilzunehmen (Artikel 1042a WBR). Diese Optionen stehen unter dem Vorbehalt, dass die Parteien nichts anderes vereinbart haben.
Sind zwischen den Parteien neben dem Schiedsverfahren in den Niederlanden weitere Schiedsverfahren anhängig, können die Parteien einen Dritten damit beauftragen, diese Schiedsverfahren zu einem zusammenzufassen. Dabei ist unerheblich, ob die anderen Schiedsverfahren innerhalb oder außerhalb des Territoriums der Niederlande anhängig sind. Haben die Parteien keinen Dritten beauftragt, können sie sich für die Zusammenfassung von in den Niederlanden anhängigen Schiedsverfahren an den Verfügungsrichter des Amsterdamer Bezirksgerichtes wenden (Artikel 1046 Absatz 1 WBR). Dies steht wiederum unter dem Vorbehalt, dass die Parteien nichts anderes vereinbart haben.
Im Schiedsverfahren können nunmehr auch elektronische Kommunikationsmittel zur Anwendung kommen: Zum einen ist es grundsätzlich möglich, Dokumente elektronisch einzureichen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Partei, der die Dokumente zugesandt werden soll, erklärt hat, elektronisch erreichbar zu sein. Auch muss das Schiedsgericht zugestimmt haben. Darüber hinaus darf keine der Parteien erklärt haben - sofern eine solche Option vereinbart wurde -, dass sie von der Möglichkeit der Gebrauch machen möchte, nicht mehr als elektronisch erreichbar zu gelten. Die Zustimmung gilt ansonsten für das gesamte Schiedsverfahren, nicht aber für etwaige Gerichtsverfahren (Artikel 1072b Absatz 1 WBR). Zum anderen dürfen Zeugen, Sachverständige und Parteien über elektronische Kommunikationsmittel vernommen werden (Artikel 1072b Absatz 4 WBR). Darüber hinaus kann der Schiedsspruch elektronisch verfasst werden. Dieser muss dann allerdings eine elektronische Signatur enthalten (Artikel 1072b Absatz 3 WBR).
Das Schiedsgericht kann die sofortige Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs anordnen, selbst wenn die Parteien vereinbart haben, dass gegen Schiedsspruch Berufung eingelegt werden darf. Es kann die Anordnung jedoch von der Stellung einer Sicherheit abhängig machen (Artikel 1061i Absatz 1 WBR). Aus vorläufig vollstreckbaren Schiedssprüche können nach den Vorschriften der Artikel 1062 f. WBR vollstreckt werden (Artikel 1061k Absatz 1 WBR).
Trotz Schiedsvereinbarung dürfen die ordentlichen Gerichte Sicherungsmaßnahmen auf Antrag einer Partei ergreifen. Sie darf auch ein einstweiliges Verfügungsverfahren vor dem Bezirksgericht (rechtbank) anstrengen (Artikel 1022a WBR). Dort muss sie sich je nach Zuständigkeit an den Verfügungsrichter (voorzieningenrechter) oder den Amtsrichter (kantonrechter) wenden. Das Gericht darf auf Antrag ebenfalls eine vorbereitende Zeugenbefragung oder Ortsbegehung durchführen, ein vorbereitendes Sachverständigengutachten einholen oder die Einsicht, Zurverfügungstellung von Kopien oder Auszügen bestimmter Dokumente anordnen (Artikel 1022b WBR). Beruft sich allerdings eine Partei auf die Existenz einer Schiedsvereinbarung darf sich das Gericht für den Erlass der gerade genannten Maßnahmen nur für zuständig erklären, wenn eine entsprechende Entscheidung nicht oder nicht rechtzeitig im Rahmen des Schiedsverfahrens getroffen werden kann (Artikel 1022c WBR).
Das Schiedsgericht kann zu jedem Zeitpunkt des Schiedsverfahrens Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes erlassen. Sie dürfen jedoch keinen sichernden Charakter haben. Sie müssen im Zusammenhang mit den geltend gemachten Ansprüchen stehen (Artikel 1043b Absatz 1 WBR). Das Schiedsgericht kann verlangen, dass die Parteien für den Erlass einer solchen Maßnahme eine Sicherheit stellen (Artikel 1043b Absatz 3 WBR). Für den Erlass solcher Maßnahmen können sich die Parteien darauf einigen, dass ein separates Schiedsgericht ernannt wird (Artikel 1043b Absatz 2 WBR). Die Entscheidung über vorläufige Maßnahmen stellt einen Schiedsspruch dar, sofern die Parteien nichts Gegenteiliges verabredet haben (Artikel 1043b Absatz 4 WBR). Auf einstimmigen Antrag der Parteien kann das Schiedsgericht anstelle der Entscheidung über vorläufige Maßnahmen auch sofort eine endgültige Entscheidung treffen. Diese stellt dann einen Schiedsspruch dar (Artikel 1043b Absatz 5 WBR). Die Parteien können ebenfalls beantragen, dass die Entscheidung über die vorläufigen Maßnahmen in eine endgültige Entscheidung umgewandelt wird (Artikel 1043b Absatz 6 WBR).
Sofern die Parteien dies vereinbart haben, darf gegen einen endgültigen Schiedsspruch Berufung eingelegt werden (Artikel 1061b und 1061d WBR). Die Berufung muss innerhalb von drei Monaten ab Versand des Schiedsspruchs, sofern nichts anderes vereinbart wurde, eingelegt werden (Artikel 1061c WBR). Wurde der erstinstanzliche Schiedsspruch nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt, kann dies noch im Rahmen des Berufungsverfahrens beantragt werden. Die Erklärung der vorläufigen Vollstreckbarkeit kann auch hier an die Bedingung geknüpft werden, dass eine Sicherheit gestellt wird (Artikel 1061i Absatz 2 WBR). Um gegen einen in zweiter Instanz erlassenen Schiedsspruch vorzugehen, kann man nur noch einen Antrag auf Aufhebung oder Widerruf stellen (Artikel 1061l WBR).
Die Aufhebung oder der Widerruf eines erst-/zweitinstanzlichen Schiedsspruchs ist allerdings nur in begrenztem Maße möglich (Artikel 1064 WBR):
Der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs muss beim für den Schiedsort zuständigen Berufungsgericht (gerechtshof) gestellt werden (Artikel 1064a Absatz 1 WBR). Der Antrag muss grundsätzlich binnen drei Monaten ab Versand des Schiedsspruches oder - sofern dies vereinbart wurde - ab Hinterlegung des Originals des Schiedsspruchs bei der Geschäftsstelle des für den Schiedsort zuständigen Bezirksgerichts (rechtbank) gestellt werden. Hat eine Partei innerhalb dieser Frist keinen Antrag gestellt, wird ihr aber nunmehr der mit einer Vollstreckungsklausel versehene Schiedsspruch offiziell zugestellt, kann sie auch noch binnen drei Monaten ab dessen Zustellung den Antrag stellen (Artikel 1064a Absatz 2 WBR). Der Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruches zu vorläufigen Maßnahmen kann nur zusammen mit dem Antrag auf Aufhebung eines endgültigen Schiedsspruches gestellt werden (Artikel 1064a Absatz 3 WBR). Die Aufhebungsgründe sind in die Artikel 1065 WBR geregelt.
Das Berufungsgericht (gerechtshof) kann das Aufhebungsverfahren jetzt auch aussetzen und die Sache an das Schiedsgericht zurückzuverweisen, sofern dieses einen etwaigen Aufhebungsgrund beseitigen kann (Artikel 1065a Absatz 1 WBR).
Wird der Schiedsspruch aufgehoben, kann gegen die Entscheidung Revision eingelegt werden. Allerdings können die Parteien vereinbaren, dass die Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht stattfinden soll. In dem Falle wäre die Entscheidung des Berufungsgerichts endgültig, was zur Folge hätte, dass schneller Rechtssicherheit eintritt. Eine solche Vereinbarung darf nicht getroffen werden, wenn eine der Parteien Verbraucher ist (Artikel 1064a Absatz 5 WBR).
Gibt es eine Schiedsabrede, wonach außerhalb der Niederlande ein Schiedsverfahren stattfinden soll, erklärt sich ein in den Niederlanden angerufenes Gericht für unzuständig, sofern sich eine Partei rechtzeitig auf die Schiedsabrede beruft (Artikel 1074 WBR). Allerdings dürfen in einem solchen Fall niederländische Gerichte trotzdem auf Antrag einer der Parteien Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes ergreifen (Artikel 1074a WBR), eine vorbereitende Zeugenbefragung anberaumen (Artikel 1074b WBR) oder einen Untersuchungsrichter ernennen, sofern ein Zeuge, der in den Niederlanden wohnt, nicht freiwillig erscheint (Artikel 1074c WBR). Dies setzt voraus, dass die gewollte Entscheidung nicht oder nicht rechtzeitig im Rahmen des Schiedsverfahrens getroffen werden kann (Artikel 1074d WBR).
Für die Vollstreckung von niederländischen Schiedssprüchen erteilt der Verfügungsrichter des für den Schiedsort zuständigen Bezirksgerichts (rechtbank) die Vollstreckungsklausel (Artikel 1062 Absatz 1 WBR). Handelt es sich um einen Schiedsspruch, der in einem Land getroffen wurde, mit dem die Niederlande ein Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung geschlossen haben (z.B. Deutschland), ist hierfür das Berufungsgericht (gerechtshof) zuständig (Artikel 1075 Absatz 1 WBR).
Auch die Verjährungsvorschriften im dritten Buch des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches (BW Boek 3) wurden ergänzt: Bereits bisher galt, dass die Verjährung unterbrochen wird, sobald ein Schiedsverfahren eingeleitet wird (Artikel 316 Absatz 3 BW Boek 3). Jetzt wird sie selbst dann unterbrochen, wenn das Schiedsgericht sich mangels wirksamer Schiedsvereinbarung für unzuständig erklärt und dessen Entscheidung Rechtskraft erlangt hat. Das Gleiche gilt, wenn das angerufene Gericht seine Zuständigkeit verneint hat, weil es eine Schiedsvereinbarung gibt (Artikel 316 Absatz 4 BW Boek 3). In den Fällen des Artikels 316 Absatz 4 BW Boek 3 beginnt die Verjährungsfrist ab dem der Entscheidung folgenden Tag von Neuem zu laufen. Die neue Verjährungsfrist hat grundsätzlich dieselbe Länge wie die ursprüngliche, allerdings darf sie insgesamt nicht länger als fünf Jahre sein (Artikel 319 Absatz 3 BW Boek 3).
Zum Thema:
- Gesetz vom 2.6.2014 (Wet van 2 juni 2014 tot wijziging van Boek 3, Boek 6 en Boek 10 van het Burgerlijk Wetboek en het Vierde Boek van het Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering in verband met de modernisering van het Arbitragerecht): https://zoek.officielebekendmakingen.nl/stb-2014-200.html
- Königlicher Beschluss vom 30.6.2014 (Besluit van 30 juni 2014 tot vaststelling van het tijdstip van inwerkingtreding van de Wet van 2 juni 2014 tot wijziging van Boek 3, Boek 6 en Boek 10 van het Burgerlijk Wetboek en het Vierde Boek van het Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering in verband met de modernisering van het Arbitragerecht): https://zoek.officielebekendmakingen.nl/stb-2014-254.html
- Burgerlijk Wetboek Boek 3 (konsolidierte Fassung): http://wetten.overheid.nl/BWBR0005291/volledig
- Burgerlijk Wetboek Boek 10 (konsolidierte Fassung): http://wetten.overheid.nl/BWBR0030068/volledig
- Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering (konsolidierte Fassung): http://wetten.overheid.nl/BWBR0001827/volledig
- United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) zur internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit: http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration.html
- Niederländische Schiedsinstitut (Nederlands Arbitrage Instituut, kurz NAI): http://www.nai-nl.org/en/
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