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Rechtsbericht Polen Insolvenzrecht
Bonn (gtai) - Das polnische Insolvenzrecht wird nach jahrelangen Konsultationen neu aufgestellt. Mittelpunkt jeglichen Handelns wird zukünftig der Versuch sein, ein Unternehmen zu sanieren und nicht zu liquidieren. Die neuen Restrukturierungsverfahren sollen dabei schneller und effektiver sein als das bisherige Recht und die Eigenverantwortung der Unternehmerschaft stärken. Lediglich kleine kosmetische Fehler müssen noch beseitigt werden.
30.04.2015
Teuer, langatmig, kompliziert und wenig befriedigend für die Gläubiger - so wurde und wird das Sanierungsverfahren nach dem polnischen Konkurs- und Sanierungsgesetz (Ustawa z dnia 28 lutego 2003 r. Prawo upadlosciowe i naprawcze http://isap.sejm.gov.pl/DetailsServlet?id=WDU20030600535) gesehen. Mitunter aus diesen Gründen werden in finanzielle Schieflage geratene Unternehmer lieber gleich abgewickelt, als sie in einem mühseligen und mit einem unsicheren Ausgang versehenen Verfahren zu sanieren. Was ein Unternehmenskonkurs dabei bedeutet, liegt auf der Hand: Arbeitsplätze gehen verloren, Forderungsausfälle führen zur Kapitalvernichtung - kurz gesagt: Eine Unternehmensinsolvenz schädigt die Interessen aller Stakeholder und dient in der Regel fast keinem.
Aus diesen Gründen hat sich der polnische Gesetzgeber dazu entschlossen, das Insolvenzrecht konzeptionell neu aufzustellen und die Liquidation eines von Zahlungsunfähigkeit bedrohten Unternehmens lediglich als ultima ratio zuzulassen. Damit steht die Sanierung eines Unternehmens im Mittelpunkt des neuen polnischen Insolvenzrechts, womit gleichzeitig die politische Zielsetzung der sogenannten "Neuen Chance", mithin der Ermöglichung eines unternehmerischen Neustarts bei einer misslungenen wirtschaftlichen Unternehmung, realisiert werden soll.
Den Kern des neuen Restrukturierungsgesetzes bilden vier Sanierungsverfahren. Allen Verfahrensarten ist dabei gemeinsam, dass entsprechende Verfahrensanträge beim zuständigen Gericht eingehen müssen und je nach Verfahrensart eine Zusammenarbeit mit dem (Restrukturierungs-) Aufseher (nadzorca) oder Verwalter (zarzadca) stattfinden muss. Bei beiden handelt es sich um Personen, die eine Restrukturierungsberater-Lizenz (licencja doradcy restrukturyzacyjnego) besitzen oder aber auch um Handelsgesellschaften, bei denen die Gesellschafter vollständig mit ihrem Privatvermögen haften oder die Geschäftsführer eine entsprechende Lizenz erworben haben. Folgende Restrukturierungsverfahren werden zukünftig den Mittelpunkt des polnischen Insolvenzrechts darstellen:
Diese Verfahrensart ist für Unternehmer vorgesehen, die zwar noch zahlungsfähig sind, jedoch erwartet werden kann, dass es zeitnah zu Zahlungsschwierigkeiten kommen wird. Dem Unternehmer soll hier Gelegenheit gegeben werden, eigenständig einen Vereinbarungsvorschlag über mögliche Restrukturierungsmaßnahmen zu erarbeiten und den Gläubigern zur Abstimmung vorzulegen. Gelingt es dem Unternehmer eine Mehrheit auf den Vereinbarungsvorschlag zu vereinen, so wird erst dann die Vereinbarung beim zuständigen Gericht zusammen mit dem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens über die Bestätigung einer Vereinbarung eingereicht. Das Gericht hat dann innerhalb von14 Tagen über den Antrag zu entscheiden und die Vereinbarung zu bestätigen.
Zu beachten ist aber, dass das Verfahren nur dann eröffnet wird, wenn die Summe der streitigen Forderungen, welche den Gläubigern ein Stimmrecht einräumen, nicht 15% der unstreitigen Forderungen überschreitet. Erforderlich ist ferner, dass der von Zahlungsunfähigkeit bedrohte Unternehmer vor dem Erarbeiten eines Vereinbarungsvorschlags einen Vertrag mit dem sogenannten Aufseher abschließt, damit dieser Rechtmäßigkeit der Vorschläge auf ihre rechtliche Korrektheit hin überprüfen kann.
Für die Dauer des Verfahrens verbleibt die Geschäftsführung bei dem Unternehmer.
Das Beschleunigte Vereinbarungsverfahren wird durch einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Gericht eingeleitet. Das Gericht bestellt daraufhin einen (Restrukturierungs-)Aufseher und dazu auch einen sogenannten Richter-Kommissär (sedzia-komisarz) ein, welcher wiederum insbesondere die Aufsicht über den (Restrukturierungs-)Aufseher ausübt. Der (Restrukturierungs-) Aufseher erstellt im Verfahrensverlauf einen Restrukturierungsplan (plan restrukturyzacyjny), der sich unter anderen aus folgenden Punkten zusammensetzt:
- eine Beschreibung der unternehmerischen Tätigkeit mit einer Einschätzung über die zukünftige Angebots-Nachfrage-Relation in dem gegenständlichen Geschäftsfeld;
- eine Analyse der Gründe, warum die Zahlungsschwierigkeit entstanden ist;
- einen Vorschlag zur zukünftigen Unternehmensstrategie verbunden mit einer entsprechenden Risikoanalyse;
- die Restrukturierungsmaßnahmen inklusive der damit verbundenen Kosten;
- eine Beschreibung der Finanzierungsmittel, insbesondere des zur Verfügung stehenden Kapitals, des geplanten Verkaufs von Aktiva zum Zwecke der Finanzierung der Restrukturierung und der finanziellen Verpflichtungen von Gesellschaftern und Dritten (insbesondere Kreditinstituten).
Darüber hinaus ist der (Restrukturierungs-)Aufseher für die Erstellung einer Liste mit streitigen und unstreitigen Forderungen verantwortlich. Wurden diese Verfahrensschritte durchgeführt, wird seitens des Richter-Kommissärs ein Termin für die Gläubigerversammlung bestimmt, auf welchem über die Vereinbarungen abgestimmt wird. Die von der Vereinbarung umfassten (unternehmerischen) Vermögenswerte genießen Vollstreckungsschutz. Die beschlossenen Vereinbarungen werden dann innerhalb von 7 Tagen dem Gericht zur inhaltlichen Überprüfung und Bestätigung weitergeleitet, welches hierfür eine Frist von 14 Tagen hat.
Auch hier gilt aber, dass das Verfahren nur Aussicht auf Erfolg haben wird, wenn die Summe der streitigen Forderungen nicht 15% der unstreitigen Forderungen überschreitet.
Die Geschäftsführung verbleibt weiterhin in den Händen des Unternehmers unter Aufsicht des (Restrukturierungs-)Aufsehers.
Das Vereinbarungsverfahren wird in den Fällen Anwendung finden, in denen das Beschleunigte Vereinbarungsverfahren nicht durchgeführt werden kann, da die Summe der streitigen Forderungen, welche den Gläubigern ein Stimmrecht einräumen, 15% der unstreitigen Forderungen überschreiten. Das Verfahren wird durch einen entsprechenden Antrag des Unternehmens eröffnet, woraufhin das Gericht innerhalb von 14 Tagen einen (Restrukturierungs-)Aufseher und einen Richter-Kommissär bestellt. Der (Restrukturierungs-)Aufseher erstellt im Verfahrensverlauf eine Liste mit dem Unternehmensinventar, wie auch einen Restrukturierungsplan und eine Forderungsliste. Die Forderungsliste ist durch den Richter-Kommissär zu bestätigen. Im Rahmen des Verfahrens können das Unternehmen und die Gläubiger Widerspruch gegen die aufgestellten Forderungen einlegen. Danach wird durch den Richter-Kommissär durch Beschluss ein Termin für die Gläubigerversammlung festgesetzt, auf welchem über eine Vereinbarung abgestimmt wird. Die Vermögenswerte, die von der Vereinbarung umfasst sind, genießen Vollstreckungsschutz. Die beschlossene Vereinbarung wird dann zur Bestätigung an das zuständige Gericht weitergeleitet.
Die Geschäftsführung obliegt hier weiterhin dem Unternehmer unter Aufsicht durch den (Restrukturierungs-)Aufseher.
Das Sanierungsverfahren richtet sich an bereits zahlungsunfähige Unternehmen, bei denen allerdings die allgemeine Auffassung besteht, dass es sich dieses Unternehmen zu retten lohnt. Es entspricht in seinen wesentlichen Zügen dem Vereinbarungsverfahren, allerdings mit folgenden Unterschieden: Durch das Gericht wird kein (Restrukturierungs-)Aufseher bestimmt, sondern ein Verwalter (zarzadca). Dieser Umstand ist der Tatsache geschuldet, dass beim Sanierungsverfahren dem Unternehmer die Geschäftsführung entzogen und dem Verwalter anvertraut wird. Der Verwalter, der im Übrigen die gleichen Qualifikationsmerkmale aufweisen muss wie der (Restrukturierungs-)Aufseher erstellt auch hier eine unternehmerische Inventarliste, einen Restrukturierungsplan und eine Forderungsliste, welche vom gerichtlich bestellten Richter-Kommissär zu bestätigen ist. Nach erfolgter Gläubigerversammlung und einem entsprechenden Vereinbarungsbeschluss wird die Vereinbarung an das zuständige Gericht zur Bestätigung weitergeleitet.
Während des Sanierungsverfahrens darf in das Unternehmensvermögen nicht hineinvollstreckt werden. Es gilt ein allgemeiner Vollstreckungsschutz.
Zusammen mit dem neuen Restrukturierungsgericht wird in Polen mit dem Centralny Rejestr Restrukturyzacji i Upadlosci auch ein neues Zentralregister für Unternehmen eingeführt, die sich in einem Restrukturierungs- oder Konkursverfahren befinden. Von der Eintragungspflicht in dieses Register sind lediglich Unternehmen ausgenommen, die sich in dem Restrukturierungsverfahren über die Bestätigung einer Vereinbarung befinden.
Unstimmigkeiten gibt es bislang bei der Frage, welches Gericht zukünftig für die Durchführung der Restrukturierungsverfahren zuständig sein wird. In der bisherigen Gesetzesfassung steht, dass es die Wirtschaftskammern der Rayonsgerichte (Sady Rejonowe) sein werden. Gegen diese Zuständigkeit hat sich viel Widerstand geregt. Von vielen Seiten wird gefordert, dass statt der Rayonsgerichte, die mit den deutschen Amtsgerichten vergleichbar sind, vielmehr die Wirtschaftskammern der Bezirksgerichte (Sady Okregowe), die mit den deutschen Landgerichten vergleichbar sind, zuständig sein sollten. Daher wurde dieser Punkt noch einmal an den Justizausschuss verwiesen, damit er zeitnah dem Parlament zur erneuten Abstimmung vorgelegt wird.
Mit der Verabschiedung des Restrukturierungsgesetzes durch das polnische Parlament geht auch eine Novellierung des bisherigen Konkurs- und Sanierungsgesetzes einher. So wird dieses zukünftig nur noch Konkursgesetz (Ustawa - Prawo upadlosciowe) heißen, da darin lediglich die Vorschriften über eine Unternehmensliquidation zu finden sein werden. Die darin bislang vorzufindenden Regelungen zu den Sanierungsverfahren wurden durch die im Restrukturierungsgesetz vorgesehenen Verfahrensarten ersetzt.
Für beide Gesetzesbücher und damit für das gesamte polnische Insolvenzrecht wird Artikel 11 des Konkursgesetzes eine zentrale Bedeutung haben. Darin beinhaltet ist die neue Definition der Zahlungsunfähigkeit. Danach wird Zahlungsunfähigkeit dann angenommen werden, wenn die Einschätzung der finanziellen Situation ergibt, dass der Schuldner die Fähigkeit zur Zahlung seiner Verbindlichkeiten verloren hat. Ein solcher Umstand wird nach dem Gesetz dann angenommen, wenn die Verzögerung bei der Begleichung der Zahlungsverpflichtungen einen Zeitraum von drei Monaten überschreitet.
Die neuen Gesetze sollen zum 1.1.2016 in Kraft treten.
Quelle:
- Polnisches Restrukturierungsgesetz und Änderungsgesetz zum polnischen Konkurs- und Sanierungsgesetz (http://www.sejm.gov.pl/Sejm7.nsf/PrzebiegProc.xsp?nr=2824)
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