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Rechtsbericht Polen Gesellschaftsrecht, übergreifend
Bonn (gtai) - Für Anfang 2015 steht eine fast revolutionäre Reform des polnischen GmbH-Rechts bevor. So wird nicht nur das Stammkapital für GmbHs nach polnischem Recht gesenkt werden; es wird auch die Möglichkeit geschaffen, zwei alternative GmbH-Formen gründen zu können - darunter eine, die gänzlich ohne Stammkapital auskommen soll.
16.05.2014
Das polnische Justizministerium hat am 9.4.2014 dem polnischen Ministerrat (Rada Ministrów) einen Novellierungsvorschlag des polnischen Handelsgesetzbuches (Ustawa z dnia 15 wrzesnia 2000 r. Kodeks spólek handlowych) vorgelegt, in welchem es eine breit angelegte Reform des polnischen GmbH-Rechts vorschlägt. Die Reform sieht zunächst eine Absenkung des Mindeststammkapitals für polnische GmbHs (spólka z ograniczona odpowiedzialnoscia; im Folgenden sp. z o.o.) von 5.000 Zloty auf 1 Zloty vor. Darüber hinaus wird auch die Schaffung von zwei weiteren, alternativen, GmbH-Formen vorgesehen:
Die erste alternative GmbH-Form sieht die Möglichkeit vor, eine sp. z o.o. ohne Mindeststammkapital (kapital zakladowy) gründen zu können. Diese Art einer GmbH soll Geschäftsanteile ohne Nennbetrag (udzialy beznominalowe) ausgeben können, mit welchen der Erwerber gleiche Rechte und Pflichten erlangt, wie bei dem Erwerb von normalen Geschäftsanteilen einer sp. z o.o. mit einem Nennbetrag. Die aus der Ausgabe der nennwertlosen Geschäftsanteile stammenden Einlagen sollen dem sogenannten Anteilskapital (kapital udzialowy) zugeschrieben werden, welches als neuer Posten im Eigenkapitalausweis einer solchen Kapitalgesellschaft eingefügt werden soll. Das Anteilskapital soll bilanzrechtlich wie gezeichnetes Kapital (kapital podstawowy) im Sinne des polnischen Bilanzierungsgesetzes (Ustawa z dnia 29 wrzesnia 1994 r. o rachunkowosci) qualifiziert werden und dadurch praktisch das Pendant zum Stammkapital einer traditionellen GmbH nach polnischem Recht darstellen. Die Höhe des Anteilskapitals soll nach dem Vorschlag des Justizministeriums dabei nicht im Gesellschaftsvertrag aufgeführt werden. Diesbezüglich wird argumentiert, dass die Höhe des Anteilskapitals ohnehin einem ständigen Wechsel unterliegen wird, so dass auf einen entsprechenden Eintrag im Gesellschaftsvertrag verzichtet werden könnte. Anders verhält es sich indes mit Blick auf die Geschäftsanteile ohne Nennbetrag, die an die Gesellschafter ausgegeben werden. Der Gesellschaftsvertrag muss hier Angaben zum Preis pro Geschäftsanteil haben, zu dem dieser an den Gesellschafter ausgegeben worden ist. Der Verkaufswert eines nennwertlosen Geschäftsanteils soll dabei nach den gleichen Grundsätzen ermittelt werden, wie bei Geschäftsanteilen mit einem Nennbetrag, nämlich auf Grundlage des Verkehrswertes der Gesellschaft, der anhand des Vermögens, der Gewinnaussichten und sonstigen betriebswirtschaftlich relevanten Kriterien einer sp. z o.o. ermittelt wird.
Die nennwertlosen Geschäftsanteile können darüber hinaus gleich den klassischen Geschäftsanteilen mit einem Nennbetrag eingezogen werden. Einziehung (umorzenie) bedeutet die Vernichtung eines Geschäftsanteils, was gleichzeitig mit dem Untergang der Mitgliedschaftsrechte des den Geschäftsanteil innehabenden Gesellschafters einhergeht. Dies gilt zumindest insoweit, als dass sein Geschäftsanteil vollständig eingezogen wird. Das polnische Gesellschaftsrecht unterscheidet in diesem Zusammenhang in Art. 199 des Handelsgesetzbuches zwischen drei Arten der Einziehung:
- der freiwilligen Einziehung, die durch Erwerb des Geschäftsanteils durch die Gesellschaft erfolgt, sofern ein Gesellschafterbeschluss und die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters vorliegt;
- der Zwangseinziehung, die nur aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses unter Beachtung der im Gesellschaftsvertrag für diesen Fall aufgeführten Voraussetzungen und unter Beachtung des hierfür vorgesehenen Verfahrens erfolgen kann;
- der automatischen Einziehung, die dann eintritt, wenn bestimmte im Gesellschaftsvertrag aufgeführte Tatbestände erfüllt werden. Die automatische Einziehung bedarf keines Gesellschafterbeschlusses.
Ferner können die nennwertlosen Geschäftsanteile, ebenso wie die Geschäftsanteile mit einem Nennbetrag, belastet werden. Dies ist beispielsweise möglich, indem ein Pfandrecht oder ein Nießbrauch an dem Geschäftsanteil bestellt wird.
Die zweite alternative GmbH-Form stellt eine Mischform aus einer klassischen GmbH und der neuen GmbH ohne Stammkapital dar. Die Gründung einer Mischform wird allerdings nur dann möglich sein, wenn die Geschäftsanteile den gleichen Nennbetrag (udzialy o równej wartosci nominalnej) haben und somit unteilbar sind. Geschäftsanteile mit dem gleichen Nennbetrag sind zwangsweise vorgeschrieben, wenn im Gesellschaftsvertrag festgeschrieben steht, dass jeder Gesellschafter mehr als einen Geschäftsanteil besitzen darf. Somit entfällt die Möglichkeit zur Gründung einer gemischten GmbH, wenn laut Gesellschaftsvertrag Geschäftsanteile mit einem unterschiedlichen Nennbetrag (udzialy o nierównej wartosci nominalnej) - die dann auch teilbar sind - ausgegeben werden dürfen.
Der Umfang der jeweiligen Mitgliedschaftsrechte wird bei solchen gemischten GmbHs anhand des Verhältnisses der gehaltenen Geschäftsanteile - ungeachtet, ob es sich um nennwertlose oder solche mit einem Nennbetrag handelt - zur Gesamtzahl der Geschäftsanteile ermittelt. Bei einer klassischen polnischen GmbH wird stattdessen das Verhältnis zum Stammkapital ermittelt. Ferner soll den Gesellschaftern nach dem Willen des polnischen Gesetzgebers freigestellt werden, ob sie im Gesellschaftsvertrag für die unterschiedlichen Arten der Geschäftsanteile auch unterschiedliche Rechte und Pflichten festhalten wollen. Vom Grundsatz her sollen bei einer gemischten GmbH die nennwertlosen Geschäftsanteile allerdings den Geschäftsanteilen mit einem Nennbetrag gleichgestellt sein.
Wie ist es jedoch um die Gläubigerinteressen bei dieser GmbH-Reform bestellt? Die Reform sieht sich nämlich der starken Kritik ausgesetzt, dass die Möglichkeit der Gründung einer GmbH mit einem Stammkapital von 1 Zloty beziehungsweise gleich ganz ohne Stammkapital jeglichen Gläubigerschutz vermissen lässt.
Dem Gläubigerschutz möchte das polnische Justizministerium mit zwei Instrumenten gerecht werden, die für alle GmbH-Formen gelten sollen.
Zum einen handelt es sich dabei um den sogenannten Zahlungsfähigkeitstest (test wyplacalnosci). Diesem "Test" soll ein Beschluss des Vorstandes (zarzad) zugrunde liegen, dass aufgrund einer deteillierten Prüfung der Entzug von liquiden Mitteln - beispielsweise durch eine Gewinnausschüttung - möglich sei, da die GmbH für weitere zwölf Monate zahlungsfähig bleiben wird. Dieser Beschluss wird beim zuständigen Registergericht hinterlegt und wird öffentlich einsehbar sein. Wird ein solcher Beschluss, der im Kern eine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft ist, wider besseres Wissen erstellt, so haften die Gesellschafter mit ihrem persönlichen Vermögen.
Das zweite Schutzinstrument wird die zwangsweise Rücklagenbildung sein. Die Gesellschaften werden dazu verpflichtet, 10% ihres Jahresgewinns als Gewinnrücklage einzustellen und zwar solange, bis diese Rücklagen 5% der Gesellschaftsverbindlichkeiten bilden werden. Der Mindestbetrag, der durch die Rücklagen erreicht werden soll, beläuft sich auf 50.000 Zloty (ca. 12.5000 Euro).
Quellen:
- Novellierungsvorschlag zum polnischen Handelsgesetzbuch http://legislacja.rcl.gov.pl/docs/1/170130/170152/170153/dokument108264.pdf
- Polnisches Handelsgesetzbuch
http://isap.sejm.gov.pl/DetailsServlet?id=WDU20000941037
- Polnisches Bilanzierungsgesetz
http://isap.sejm.gov.pl/DetailsServlet?id=WDU19941210591
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