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Recht
Rechtsbericht Ungarn Gesellschaftsrecht, übergreifend
Bonn (gtai) - Der ungarische Gesetzgeber hat sich im Rahmen seiner großen Privatrechtsreform dazu entschlossen, das Gesellschaftsrecht in das neue Zivilgesetzbuch einzugliedern. Zwar wird das ungarische Gesellschaftsrecht jetzt stark vom Grundsatz der Privatautonomie geprägt, gleichzeitig wurden aber die Regelungen zur Geschäftsführerhaftung erheblich verschärft.
11.04.2014
Am 15.3.2014 ist in Ungarn das neue Zivilgesetzbuch (2013. évi V. törvény a Polgári Törvénykönyvről) http://ptk2013.hu/wp-content/uploads/2013/03/uj_ptk_szov.html in Kraft getreten. Im Gegensatz zu dem bisherigen Zivilgesetzbuch wird das neue Gesetz auch gesellschaftsrechtliche Vorschriften mitumfassen. Diese wurden in Buch 3. - Juristische Personen - (Harmadik Könyv - A jogi személy) verortet.
Die Novellierung des ungarischen Zivilgesetzbuches bedeutet allerdings nicht nur eine Verortung alter Vorschriften an neuen Stellen. Der ungarische Gesetzgeber hat in den acht Büchern des neuen Gesetzes auch viele Vorschriften inhaltlich geändert, die teilweise eine gesetzliche Neuausrichtung bedeuten. Im Folgenden sollen die für die wirtschaftsrechtliche Praxis relevantesten Änderungen vorgestellt werden.
Eine der wesentlichen Änderungen des ungarischen Zivilrechts ist die Einführung einer sogenannten Schadensersatzpauschale (sérelemdíj) nach 2: 52. § des neuen Zivilgesetzbuches, die den bisherigen Schadensersatz für immaterielle Schäden ersetzt. Die Schadensersatzpauschale ist dabei im zweiten Buch des neuen Gesetzes geregelt, der unter anderem die sogenannten individuellen Rechte (személyiségi jogok) beinhaltet. Diese individuellen Rechte beziehen sich sowohl auf private wie auch juristische Personen und umfassen dabei unter anderem:
- den Schutz der Ehre und des guten Ansehens (a becsület és a jóhírnév megsértése);
- das Recht auf Privatsphäre (a magántitokhoz való jog);
- die Geschäftsgeheimnisse unter Einbeziehung von Know-How (az üzleti titokhoz való jog. Védett ismeret);
- den Schutz vor Diskriminierungen (a személy hátrányos megkülönböztetése).
Kommt es zu einer Verletzung dieser in den Vorschriften des 2: 42. § ff. des neuen ungarischen Zivilgesetzbuches geregelten Rechte, kann der Betroffene die Leistung einer Schadensersatzpauschale verlangen. Die Höhe des Schadensersatzes wird dabei durch eine Gesamtschau des Ausmaßes des Schadens, der Schwere der schadensbegründenden Handlung und der Auswirkungen auf den Betroffenen ermittelt. Die Schadensersatzpauschale kann dabei auch im Rahmen von Arbeitsverhältnissen zur Geltung kommen, sofern es zu einer Verletzung eines der oben genannten Rechte kommt.
Das neue ungarische Gesellschaftsrecht ist nach der Gesetzesnovellierung besonders vom Grundsatz der Privatautonomie geprägt. Das Gesellschaftsrecht, das im dritten Buch (Harmadik Könyv) des neuen Gesetzes geregelt ist, steckt lediglich die Rahmenbedingungen ab, im Rahmen welcher sich juristische Personen bewegen sollen. Dabei gilt, dass sofern eine Regelung nicht ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben ist, sie von den Parteien weggelassen oder abgeändert werden kann.
Eine bedeutende Änderung hat im ungarischen Gesellschaftsecht die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (korlátolt felelősségű társaság; weiter: kft.) erfahren. So beträgt das Mindeststammkapital, das für die Gründung einer kft. nunmehr aufgebracht werden muss, 3 Millionen Forint (ca. 9.800 Euro) statt bisher 500.000 Forint (ca. 1.600 Euro).
Eine weitere Änderung im ungarischen Gesellschaftsrecht ist die Verschärfung der Geschäftsführerhaftung. Das ungarische Zivilgesetzbuch unterscheidet dabei zwischen zwei verschiedenen Haftungsarten:
- gemäß 3: 117 §: der Haftung im Innenverhältnis; d.h. der Haftung der Geschäftsführung (ügyvezetés) gegenüber der Gesellschaft
- gemäß 3: 118. §: der Haftung im Außenverhältnis; d.h. der Haftung der Geschäftsführung (ügyvezetés) gegenüber Dritten.
Die Verschärfung der Geschäftsführerhaftung im Innenverhältnis kennzeichnet sich dadurch, dass im Schadenfall eine Befreiung des Geschäftsführers von der Haftung nur in einem Fall erfolgen kann, nämlich wenn der Schaden:
- auf einen Umstand zurückzuführen ist, der im Zeitpunkt der schadensbegründenden Handlung des Geschäftsführers nicht vorhersehbar war und auch außerhalb seines Kontrollbereichs lag und
- vom Geschäftsführer nicht erwartet werden konnte, den Schaden abzuwenden.
Im Rahmen der Geschäftsführerhaftung im Außenverhältnis, mithin gegenüber Dritten, besteht das rechtliche Novum darin, dass die Geschäftsführer gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft in Anspruch genommen werden können. Dies bedeutet, dass beispielsweise Vertragspartner, die durch ein Handeln der Gesellschaft geschädigt worden sind, nunmehr neben der Gesellschaft auch von der Geschäftsführung Schadensersatz verlangen können. Die Haftung der Geschäftsführer erstreckt sich dabei auch auf ihr Privatvermögen.
Eine weitere Neuerung im ungarischen Privatrecht ist die Einführung der Möglichkeit zur Gründung eines Treuhand (bizalmi vagyonkezelés) nach den 6: 310. § ff. des neuen ungarischen Zivilgesetzbuches. Bei einer Treuhand handelt es sich um ein rechtliches Konstrukt, bei dem zugunsten eines Begünstigten oder für einen bestimmten Zweck Vermögen von einer Person (Treugeber) abgesondert und unter die Verwaltung einer anderen Person (Treuhänder) gestellt wird. Die Treuhand nach ungarischem Recht ist dabei stark an das angelsächsische Modell angelehnt. Daher erlangt der Treuhänder Eigentum an dem abgesonderten Vermögen, darf darüber jedoch nicht frei verfügen, sondern hat es lediglich im Rahmen der Grenzen des Treuhandvertrages (bizalmi vagyonkezelési szerődés) zu verwalten.
Der Treuhandvertrag kommt grundsätzlich zwischen dem Treugeber und dem Treuhänder zustande. Das neue ungarische Zivilgesetzbuch sieht hiervon jedoch zwei Ausnahmen vor:
- sind Treugeber und Treuhänder personenidentisch, kann durch eine entsprechende Willenserklärung dennoch ein Treuhandvertrag begründet werden, der allerdings in diesem Fall einer notariellen Beurkundung bedarf;
- eine Treuhand kann auch im Wege eines Testaments begründet werden, sofern der Treuhänder die Bedingungen der Vermögensverwaltung akzeptiert.
Eine Treuhand kann prinzipiell für eine befristete oder unbefristete Zeit gegründet werden; gemäß 6: 326 § des Zivilgesetzbuches allerdings nur für maximal 50 Jahre.
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