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Rechtsbericht Welt Schiedsgerichtsbarkeit
Seit dem 1. Oktober 2020 gilt eine neue Fassung der Schiedsordnung des London Court of International Arbitration (LCIA Arbitration Rules).
13.01.2021
Von Dmitry Marenkov | Bonn
Der London Court of International Arbitration (LCIA) gehört zu den führenden Schiedsinstitutionen der Welt. Der Studie der University of London von 2018 zufolge liegt der LCIA auf Platz zwei der bevorzugtesten Schiedsinstitutionen der Welt.
In der GTAI-Umfrage zur Verwendung von Schiedsklauseln in internationalen Verträgen (2020) belegte der LCIA in der Kategorie der am häufigsten vereinbarten Schiedsinstitutionen Rang vier.
Der LCIA administriert jährlich 300 bis 400 Schiedsverfahren. In den 2019 eingeleiteten Schiedsverfahren nahmen Parteien aus 138 Ländern teil, die meisten davon aus Westeuropa (23,8 Prozent), aus dem Vereinigten Königreich (18,6 Prozent), der MENA-Region (13,1 Prozent), Afrika (10,2 Prozent) und Asien (10 Prozent). An diesen Schiedsverfahren waren Schiedsrichter aus 40 Ländern, darunter 12 deutsche Juristen, beteiligt. Mehr als zwei Drittel aller Fälle betrafen die Wirtschaftsbranchen Bank- und Finanzwesen (32 Prozent), Energie und Rohstoffe (22 Prozent) sowie Transport und Handelswaren (commodities) mit 15 Prozent. Die den Schiedsverfahren zugrunde liegenden Schiedsverfahren betrafen vor allem Darlehensverträge (30 Prozent) sowie Service- und Kaufverträge (19 und 18 Prozent). In 43 Prozent betrugen die Klageforderungen weniger als eine Million US-Dollar, in 29 Prozent der Fälle wurden Forderungen in Höhe von einer bis fünf Millionen US-Dollar geltend gemacht.
Will man die Zuständigkeit des LCIA für mögliche Streitigkeiten vereinbaren, ist die Verwendung der empfohlenen LCIA-Schiedsklausel ratsam.
Die LCIA-Schiedsordnung (LCIA-SchO) beinhaltet Vorschriften zur Einleitung und Durchführung des Schiedsverfahrens, zur Ernennung und Ablehnung von Schiedsrichtern, zum Erlass des Schiedsspruches, zu Besonderheiten von Mehrparteienverfahren und anderen Aspekten.
Zu den Besonderheiten der LCIA-Schiedsgerichtsbarkeit gehört zum Beispiel, dass sich die Schiedsrichterhonorare nicht nach der Höhe des Streitwertes richten, sondern nach aufgewendeten Stunden berechnet werden. Ähnliches gilt für die Arbeitszeit des LCIA-Sekretariats.
Zu beachten ist, dass mangels einer abweichenden Parteivereinbarung gemäß Art. 5.8 LCIA-SchO ein Einzelschiedsrichter eingesetzt wird. Wollen die Streitparteien, dass das Verfahren aufgrund des Umfangs oder Komplexität des Falles von einem Dreier-Schiedsgericht geleitet wird, müssen sie dies entsprechend vereinbaren.
Den Parteien steht es frei, das anwendbare Recht, die Verfahrenssprache und den Schiedsort zu vereinbaren (siehe Art. 16, 17 LCIA-SchO).
Die neue Fassung findet auf nach dem 1. Oktober 2020 eingeleitete Schiedsverfahren Anwendung. Die vorherigen Fassungen der LCIA-Schiedsordnung stammten aus den Jahren 2014 und 1998.
Bei der aktuellen Modernisierung, die eine weitere Steigerung der Verfahrenseffizienz bezweckt, handelt es sich nicht um ein komplett neues Regelwerk, sondern lediglich um einzelne Neuerungen und Ergänzungen, die im Folgenden dargestellt werden.
Artikel 4 LCIA-SchO bestimmt, dass Schiedsklagen und die Klageerwiederung in elektronischer Form zu erfolgen haben, das heißt per E-Mail übersandt oder mittels Hochladens auf der LCIA-Online-Plattform. Bei Unterzeichnung des Schiedsspruches durch die Schiedsrichter kann auch eine elektronische Signatur verwendet werden (Art. 26.2 LCIA-SchO).
Artikel 22.1 (viii) LCIA-SchO regelt eine neue Befugnis des Schiedsgerichts zur vorzeitigen Abweisung von Klageansprüchen und Klageeinwendungen, wenn diese offensichtlich unbegründet sind oder offensichtlich außerhalb der Zuständigkeit des Schiedsgerichts liegen (Early Determination).
Gemäß dem neuen Art. 22A LCIA-SchO kann das Schiedsgericht auf Antrag einer Partei mehrere Schiedsverfahren zu einem einzigen Verfahren verbinden.
Artikel 14.6 LCIA-SchO regelt Befugnisse des Schiedsgerichts zur Steigerung der Verfahrenseffizienz. Dazu zählen die Möglichkeit der Begrenzung des Umfangs der Schriftsätze und Zeugenaussagen, die Nutzung von Technik, die Festlegung von Fristen etc.
Der neugefasste Art. 19.2 LCIA-SchO bestimmt, dass eine Verhandlung bei gleichzeitiger Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligten im selben Raum oder virtuell mit Hilfe einer Telefon- oder Videokonferenz oder mittels anderer Kommunikationsmittel (oder als Kombination) stattfinden kann. Das Schiedsgericht ist befugt, neben dem Datum, der Dauer auch die Form der Verhandlung festzulegen.
Gemäß Art. 5.6 LCIA-SchO muss das Schiedsgericht nunmehr binnen 28 Tagen (zuvor: 35 Tage) bestellt werden. Der neue Wortlaut von Art. 15.10 LCIA-SchO präzisiert, dass das Schiedsgericht bestrebt sein soll, den Schiedsspruch innerhalb von drei Monaten nach dem letzten Schriftsatz zu erlassen.
Artikel 14A LCIA-SchO sieht vor, dass die Teilnahme eines Sekretärs des Schiedsgerichts (Tribunal Secretary) und seine Aufgaben der Zustimmung der Parteien bedürfen. Die Schiedsrichter dürfen ihre Befugnisse hinsichtlich Entscheidungsfindung nicht an den Sekretär delegieren. Diese bereits zuvor bestehenden Grundsätze wurden nun in die LCIA-SchO inkorporiert.
Der neue Art. 24A LCIA-SchO stellt ausdrücklich fest, dass im Umgang zwischen LCIA und den Parteien die für sie geltenden Compliance-Anforderungen bezüglich Korruption, Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Sanktionen Anwendung finden. LCIA behält sich das Recht vor, die Vornahme bestimmter Handlungen oder die Entgegennahme von Zahlungen abzulehnen, wenn dies gegen entsprechende Compliance-Normen verstößt.
Gemäß dem neuen Art. 30A LCIA-SchO muss das Schiedsgericht in Abstimmung mit den Verfahrensparteien in einem frühen Stadium des Verfahrens überlegen, ob spezielle Maßnahmen zum Schutz von Informationen und personenbezogenen Daten ergriffen werden müssen.
Hinweis: GTAI-Special zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit