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Recht
Rechtsmeldung Welt Schiedsgerichtsbarkeit
15.01.2015
(gtai) Die Zahl der bekannten Investitionsschiedsverfahren nach dem Vertrag über die Energiecharta (Energy Charter Treaty, ECT) ist auf 61 angestiegen. Es handelt sich um Schiedsverfahren, die gemäß Art. 26 ECT von ausländischen Investoren im Energiesektor gegen den Gaststaat eingeleitet werden.
Der Energiechartavertrag wurde im Dezember 1994 unterzeichnet und trat im April 1998 in Kraft. Dem ECT gehören 47 Mitgliedstaaten und die EG an. Einige Länder haben den ECT unterzeichnet, aber nicht ratifiziert (z.B. Australien und Norwegen). Eine Reihe weiterer Länder hat einen Beobachterstatus (siehe Übersicht auf der Internetseite des Energiechartasekretariats).
Gemäß Art. 26 ECT kann ein Investor bei einem behaupteten Verstoß des Gaststaates gegen eine Verpflichtung aus Teil III ECT, welcher der Förderung und Schutz von Investitionen gewidmet ist (z.B. unzulässige Verstaatlichung bzw. Maßnahmen gleicher Wirkung wie Verstaatlichung oder Enteignung, siehe Art. 13 ECT), nach erfolgloser Schlichtungsphase eine Klage vor den Gerichten des beklagten Staates erheben oder auf ein anderes zwischen den Parteien vereinbartes Streitbeilegungsverfahren zurückgreifen. Gemäß Art. 26 Abs. 3 und 4 ECT erklärt sich jeder ECT-Mitgliedsstaat bereit, sich einem Schiedsverfahren vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington D.C., dem Institut für Schiedsverfahren der Stockholmer Handelskammer (SCC) oder einem ad hoc-Schiedsverfahren nach der Schiedsordnung der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) zu unterwerfen.
Es besteht keine Verpflichtung der Parteien von ECT-Investitionsschiedsverfahren das Energiechartasekretariat über die Verfahrenseinleitung zu benachrichtigen. Das Energiechartasekretariat ist auch nicht an der Administrierung von Investitionsschiedsverfahren zwischen Privatinvestoren und Gaststaaten beteiligt. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass die tatsächliche Zahl der ECT- Investitionsschiedsverfahren höher als 61 ist.
In der jüngsten Vergangenheit haben die Privatinvestoren häufiger von der Möglichkeit der Einleitung eines ECT-Investitionsschiedsverfahrens Gebrauch gemacht. Das Energiechartasekretariat führt dies u.a. auf den gestiegenen Bekanntheitsgrad dieser Rechtsschutzoption zurück. Zwar ist die Erhebung einer Schiedsklage gegen den Gaststaat häufig die Ultima Ratio für einen Privatinvestor. Das Vorhandensein dieses Rechtsschutzmechanismus kann jedoch ein zusätzlicher Anreiz für den Gaststaat zur Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Energiechartavertrag und zur Gewährleistung eines stabilen Investitionsklimas sein.
Von den 61 bekannten ECT-Investitionsschiedsverfahren richten sich die meisten gegen Spanien (13), gefolgt von Tschechien (7), der Türkei (5), Kasachstan (4) und Ungarn (4). Das Energiechartasekretariat führt auf seiner Internetseite eine Liste aller bekannten Fälle, die ständig aktualisiert wird. Teilweise sind dort ergangene Schiedssprüche abrufbar. Die erste bekannte ECT-Investitionsschiedsklage wurde 2001 erhoben. Der erste bekannte ECT-Schiedsspruch wurde 2003 (Nykomb ./. Lettland) erlassen. Im Jahr 2013 wurden nach Angaben des Energiechartasekretariats 16 neue ECT-Investitionsschiedsverfahren initiiert. Aus dem Jahr 2014 sind neun neue Fälle bekannt. Im Januar 2015 kam der erste Fall aus dem neuen Jahr dazu. Somit wurden insgesamt 26 neue ECT-Schiedsverfahren (42,6% aller ECT-Verfahren) seit Anfang 2013 eingeleitet.
Die Beilegung von Streitigkeiten zwischen den einzelnen ECT-Vertragsstaaten nach Maßgabe des in Art. 27 ECT vorgesehenen Verfahrens findet in der Praxis dagegen kaum statt. Dem Energiechartasekretariat ist lediglich ein Fall der Einleitung eines zwischenstaatlichen Verfahrens gemäß Art. 27 ECT bekannt, das letztlich über diplomatische Kanäle beigelegt wurde.
Im Jahr 2015 ist die Unterzeichnung einer neuen politischen Erklärung über die Verstärkung der Kooperation im Energiebereich geplant. Der Arbeitstitel dieses Projekts lautet „updated Energy Charter“. Die künftige offizielle Bezeichnung dieses Dokuments wird noch diskutiert und dürfte entweder “International Energy Charter” oder “World Energy Charter” heißen. Mehr Informationen stellt die Internetseite des Energiechartasekretariats zur Verfügung.