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Recht kompakt | Polen | Rechtsverfolgung

Rechtsverfolgung in Polen

In diesem Abschnitt erfahren Sie, wie Sie Ihre Ansprüche in Polen durchsetzen können.

Von Marcelina Nowak, Dmitry Marenkov | Bonn

Gerichtsverfassung

Gemäß dem polnischen Gerichtsverfassungsgesetz ("Ustawa z dnia 27 lipca 2001 r. - Prawo o ustroju sadów powszechnych") ist das polnische Gerichtssystem wie folgt aufgebaut:

  • 318 Rayongerichte ("Sady rejonowe", teilweise auch als "Kreisgerichte" übersetzt);
  • 45 Bezirksgerichte ("Sady okregowe", in manchen Übersetzungen ebenfalls missverständlich als "Kreisgerichte" bezeichnet);
  • 11 Appellationsgerichte ("Sady apelacyjne");
  • Oberstes Gericht in Warschau ("Sad Najwyzszy").

Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen

Die Anerkennung und Vollstreckung von Zivil- und Handelsentscheidungen richtet sich seit dem EU-Beitritt auch in Polen zunächst nach der sogenannten EuGVVO (EG-Verordnung Nr. 1215/2012, Neufassung der Brüssel-I-VO). Neben der EUGVVO gelten im Weiteren folgende Europäische Verordnungen unmittelbar: Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, Nr. 1206/2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen, Nr. 1393/2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens sowie seit dem 1. Januar 2009 auch die Verordnung Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen.

Nach polnischem Recht richtet sich hingegen die Vollstreckung eines polnischen Vollstreckungstitels innerhalb Polens, wie beispielsweise von:

  • vollstreckbaren polnischen Gerichtsentscheidungen,
  • eines dortigen Schiedsspruchs oder aber
  • einer für sofort vollstreckbar erklärten notariellen Urkunde.

Man unterschiedet dabei zunächst das Verfahren zur Erteilung der sogenannten Vollstreckungsklausel (klauzula wykonalności), das in den Artikeln 776 bis 795 des polnischen Zivilverfahrensgesetzbuches (Kodeks postępowania cywilnego) geregelt ist und als Voraussetzung für die Einleitung des eigentlichen Vollstreckungsverfahrens dient.

Die Vollstreckung an sich wird erst nach Stellung des Vollstreckungsantrages (wniosek o wszczęcie egzekucji, Artikel 796 des polnischen Zivilprozessgesetzes) über das zuständige Vollstreckungsgericht (zuständiges Vollstreckungsgericht ist das Amtsgericht - sąd rejonowy, in dessen Bezirk vollstreckt werden soll) und den Gerichtsvollzieher (komornik) betrieben. Letzterer kann vom Gläubiger innerhalb des Gerichtsbezirks des zuständigen Gerichts frei gewählt werden.

Daneben kann der Gerichtsvollzieher damit beauftragt werden, außerhalb des eigentlichen Vollstreckungsverfahrens gegen eine zusätzliche Vergütung Vermögenswerte des Schuldners ausfindig zu machen (Artikel 7971 des polnischen Zivilprozessgesetzes).

Rechtsgrundlage für die Organisation und die Aufgaben der polnischen Gerichtsvollzieher ist das sogenannte Gerichtsvollziehergesetz (Ustawa z dnia 29 sierpnia 1997 r. o komornikach sądowych i egzekucji).

Dem Schuldner stehen wiederum Mittel zur Verfügung, um sich der Zwangsvollstreckung gerichtlich zu widersetzen. Hierzu gehört die Klage gegen Handlungen des Gerichtsvollziehers nach Artikel 767 des polnischen Zivilprozessgesetzes oder im Wege der Widerspruchsklage nach Artikel 840 des polnischen Zivilprozessgesetzes.

Schiedsgerichtsbarkeit

Eine Alternative zur Rechtsdurchsetzung vor staatlichen Gerichten in Deutschland oder Polen bietet die internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Will man potentielle Rechtsstreitigkeiten im Wege eines Schiedsverfahrens gelöst haben, empfiehlt es sich, die Standardschiedsklausel einer der renommierten Schiedsinstitutionen zu verwenden.

Zu nennen sind zum Beispiel:

Seit 2005 besteht beim polnischen Arbeitgeberverband ein neues Schiedsgericht (Lewiatan), das zunehmend an Ansehen und Bedeutung gewinnt. Auch die Deutsch-Polnische Auslandshandelskammer unterhält ein Schiedsgericht.

Es empfiehlt sich die Verwendung der Musterschiedsklausel einer dieser Schiedsinstitutionen, die in mehreren Sprachfassungen auf deren Internetseiten abrufbar sind.

Das polnische Schiedsverfahrensrecht, welches das UNCITRAL-Modellgesetz umgesetzt hat, ist im Teil V des Zivilverfahrensgesetzbuches (Artikel 1154 bis 1217) kodifiziert. Die Frist für den Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruches beträgt zwei Monate. Anträge auf Aufhebung und Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen sind bei Appellationsgerichten zu stellen. In bestimmten Fällen sind anschließend Kassationsanträge an das Oberste Gericht zulässig.

Polen ist seit dem 1. Januar 1962 Vertragsstaat des New Yorker Übereinkommens vom 10 Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. Polen hat dabei gemäß Art. I(3) des Übereinkommens den Vorbehalt erklärt, wonach es das Übereinkommen nur auf die Anerkennung und Vollstreckung solcher Schiedssprüche anwenden werde, die in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates ergangen sind. Gleichzeitig hat Polen den Vorbehalt erklärt, wonach das Übereinkommen nur auf Streitigkeiten aus solchen Rechtsverhältnissen, sei es vertraglicher oder nichtvertraglicher Art, angewendet wird, die nach seinem innerstaatlichen Recht als Handelssachen angesehen werden.

Anwälte vor Ort

Die GTAI stellt unter Anwälte im Ausland die von den deutschen Auslandsvertretungen erstellten Anwaltslisten zum Download bereit.

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