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Zuständige Gerichte

Wer seine Forderungen vor Gericht durchsetzen möchte, muss sich zunächst klar darüber werden, wo er dies machen kann. Er muss also seine Gegenpartei vor dem zuständigen Gericht verklagen.

Bei Gerichtsprozessen zwischen Parteien aus Belgien und Deutschland muss hierzu geklärt werden, ob die belgischen oder deutschen Gerichte den Streit entscheiden dürfen. Das Gericht, vor dem man klagt (oder verklagt wird), muss also international zuständig (compétence internationle / internationale bevoegdheid) sein. Anschließend muss man sich bewusst machen, an welchem Ort in diesem Staat geklagt werden muss. Dafür muss man wissen, ob es (zum Beispiel wegen der Höhe der Forderung oder des besonderen Gegenstandes des Streits) speziellen Gerichten vorbehalten ist, in dem Fall zu entscheiden. Dies bezeichnet man als sachliche Zuständigkeit (compétence d‘attribution / volstrekte bevoegdheid). Zudem muss das jeweilige Gericht innerhalb seines Staates örtlich zuständig (compétence territoriale / territoriale bevoegdheid) sein.

Internationale Zuständigkeit

Bei Streitigkeiten zwischen belgischen Dienstleistungserbringern und deutschen Dienstleistungsempfängern richtet sich im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Frage der internationalen und örtlichen Zuständigkeit zunächst nach der Verordnung (EU--Europäische Union) Nr.--Nummer 1215/2012 vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-Ia-Verordnung oder EuGVVO). Diese gilt seit 10.1.2015 und ersetzt die Verordnung (EG--Europäische Gemeinschaft) Nr. 44/2001 (Brüssel-I-Verordnung oder EuGVVO). Welche Fassung der EuGVVO im konkreten Fall gilt, hängt davon ab, wann das Verfahren eingeleitet wurde (vgl.--vergleiche zum zeitlichen Anwendungsbereich der Fassungen der EuGVVO den Abschnitt Anerkennung / Vollstreckung dieses Länderberichts).

Gerichtsstandsvereinbarungen sind dabei grundsätzlich zulässig. Unter einer Gerichtsstandsvereinbarung versteht man eine Vertragsklausel, die bestimmt, an welchem Ort oder vor welchem Gericht bei Streitigkeiten geklagt werden darf. Es ist also möglich, mit einer Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts vertraglich zu regeln. Auch wenn gemäß Artikel 23 Brüssel-I-Verordnung beziehungsweise Artikel 25 Brüssel-Ia-Verordnung nicht nur schriftliche Gerichtsstandsvereinbarungen möglich sind, ist eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien ratsam. Allerdings kann sich bei Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung bei bestimmten Angelegenheiten, zum Beispiel Versicherungs- und Verbraucherverträgen, deren Unwirksamkeit ergeben. 

Fehlt eine Gerichtsstandsvereinbarung im Vertrag, sind nach Artikel 2 Brüssel-I-Verordnung beziehungsweise Artikel 4 Brüssel-Ia-Verordnung grundsätzlich die Gerichte des Wohnsitzstaates des Beklagten international zuständig. Für juristische Personen wie zum Beispiel eine GmbH wird (mangels Wohnsitzes) auf den satzungsmäßigen Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung abgestellt.

Beim grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr ist allerdings die besondere Zuständigkeit nach Artikel 5 Brüssel-I-Verordnung beziehungsweise Artikel 7 Brüssel-Ia-Verordnung zu beachten. Danach kann trotz Wohnsitzes in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (beispielsweise Deutschland) der Dienstleistungsempfänger an dem Ort verklagt werden, an dem die Dienstleistung nach dem Vertrag erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen (beispielsweise Belgien).

Denkbar sind im Ergebnis folgende Fälle, in denen in Streitigkeiten deutscher gewerblicher Dienstleistungsempfänger mit belgischen Dienstleistern vor einem belgischen Gericht zu klagen wäre:

  1. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung sieht dies ausdrücklich vor.
  2. Bei Fehlen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung: Der Beklagte (Dienstleistungsempfänger oder auch Dienstleistungserbringer) hat seinen Wohnsitz beziehungsweise Geschäftssitz in Belgien.
  3. Besonderheit: Wurde die Dienstleistung in Belgien erbracht oder hätte sie nach dem Vertrag in Belgien erbracht werden müssen, so kann auch vor einem belgischen Gericht geklagt werden.

Der Inhalt der Vorschriften zur internationalen Zuständigkeit ist größtenteils unverändert geblieben. Insofern kann für weitere Informationen auf den Überblick über die Verordnung (EG) Nr. 44/2001, den das europäische Gesetzgebungsportal Eur-Lex in deutscher Fassung anbietet, verwiesen werden. Es bietet darüber hinaus einen Überblick über die durch Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 eingeführten Neuerungen beispielsweise im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Gerichtstandsvereinbarungen.

Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des belgischen Gerichts bestimmt sich im Anschluss an die Feststellung der internationalen Zuständigkeit nach den nationalen Vorschriften des belgischen Rechts.

Örtliche und sachliche Zuständigkeit

Die Organisation und die Zuständigkeiten der belgischen Gerichte sowie die vor ihnen geltenden Verfahren sind im belgischen Gerichtsgesetzbuch vom 10.10.1967 (Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek) niedergeschrieben.

Der Gerichtsaufbau der ordentlichen Gerichte, die für den deutschen Dienstleistungsempfänger als relevanteste Gerichte anzusehen sind, stellt sich wie folgt dar (Artikel 58 - 555quinquies Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek):

  • Friedensrichter (juge de paix / vrederechter)
  • Gericht erster Instanz (tribunal de première instance / rechtbank van eerste aanleg) - Unternehmensgericht (tribunal d'entreprise / ondernemingsrechtbank) - Arbeitsgericht (tribunal du travail / arbeidsrechtbanken)
  • Berufungsgericht / Appellationsgerichtshof (cour d'appel / hof van beroep) - Arbeitsgerichtshof (cour du travail / arbeidshof)
  • Oberstes Gericht / Kassationsgerichtshof (Cour de cassation Hof van Cassatie)

Die Regeln über die örtliche und sachliche Zuständigkeit sind in Belgien vornehmlich im dritten Teil des Gerichtsgesetzbuches (Artikel 556 - 663 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek) enthalten.

Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte ist in den Artikeln 563 ff.--folgende Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek geregelt. Hiernach ist grundsätzlich das Gericht erster Instanz sachlich zuständig, wenn nicht ausdrücklich die erstinstanzliche Zuständigkeit des Appellationsgerichtshofes oder des Kassationsgerichtshofes angeordnet werden (Artikel 568 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). Artikel 569 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek zählt die Fälle auf, in denen das Gericht erster Instanz zuständig ist. In einigen Fällen ist das Gericht erster Instanz auch ohne Rücksicht auf den Streitwert zuständig (Artikel 570 Absatz 1 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). Es handelt sich hierbei um einige Sachverhalte, die vom belgischen IPR-Gesetz vom 16.7.2004 (Loi portant le Code de droit international privé / Wet houdende het Wetboek van internationaal privaatrecht) geregelt werden. So ist z.B.--zum Beispiel nach dessen Artikel 23 Absatz 1 das Gericht erster Instanz grundsätzlich für die Anerkennung und Vollstreckbarkeiterklärung ausländischer Gerichtsentscheidungen verantwortlich.

Es ist jedoch zu beachten, dass der Friedensrichter grundsätzlich für Zivil- und Handelssachen zuständig ist, wenn der Streitwert 5.000 Euro nicht übersteigt (Artikel 590 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). In den in Artikel 591 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek bestimmten Fällen ist der Friedensrichter sogar unabhängig vom Streitwert zuständig. Ist der Streitwert dagegen unbestimmt und betrifft der Streitgegenstand nicht die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz oder des Handelsgerichts, hat der Kläger die Wahl, ob er die Rechtssache vor dem Gericht erster Instanz, Handelsgericht oder Friedensrichter verhandeln lassen möchte (Artikel 592 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek).

Das Handelsgericht ist insbesondere dann zuständig, wenn es um Streitigkeiten im Hinblick auf Handelsgeschäfte zwischen Kaufleuten geht. Es ist selbst dann zuständig, wenn der Streitwert unter 2.500 Euro liegt. Ein Unternehmen / Kaufmann kann sogar von einer Privatperson vor dem Handelsgericht verklagt werden. Eine diesbezügliche Gerichtsstandsvereinbarung ist allerdings nichtig, wenn sie vor der Entstehung des Rechtsstreits abgeschlossen wurde (Artikel 573 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). Artikel 574 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek zählt einige Einzelfälle auf, in denen das Handelsgericht zuständig ist. Gemäß Artikel 575 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek ist es auch zum Teil für Urheberrechtsstreitigkeiten und verwandte Angelegenheiten zuständig.

Die örtliche Zuständigkeit der belgischen Gerichte ist in den Artikeln 622 ff.--folgende Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek geregelt.

Grundsätzlich hat der Kläger die Wahl, am (Wohn-) Sitz des Beklagten oder beispielsweise am Entstehungs- oder Erfüllungsort einer Verpflichtung die Klage einzureichen (Artikel 624 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). Etwas Anderes gilt dann, wenn ein ausschließlicher Gerichtsstand im Sinne der Artikel 627 ff. Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek greift. In einem solchen Fall entfällt das Wahlrecht des Klägers. Stattdessen muss er die Klage vor dem im Gesetz festgelegten Gericht einreichen. Folgende Besonderheiten sind erwähnenswert:

  • Im Zusammenhang mit Rechten an Immobilien ist grundsätzlich der Belegenheitsort, also die Lage der Immobilien, ausschlaggebend (Artikel 629 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek).
  • Im Falle der Insolvenz ist die Hauptniederlassung des Kaufmanns bzw. des Sitzes der Gesellschaft entscheidend (Artikel 631 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek) (vgl.--vergleiche die weiteren Informationen zum Thema "Insolvenz" in diesem Länderbericht).

Eine übersichtliche und ausführliche Darstellung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeiten in deutscher Sprache findet sich auf dieser Internetseite der belgischen Gerichtsbarkeiten.

Rechtsmittel

Hat ein belgisches Gericht ein Urteil erlassen, kann dagegen nach dem belgischen Gerichtsgesetzbuch (Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek) Berufung (appel / beroep) eingelegt werden, es sei denn gesetzlich ist etwas Anderes geregelt (Artikel 616).

  • Das Gericht erster Instanz ist Berufungsinstanz für Urteile des Friedensrichters (Artikel 577 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). Zu beachten ist, dass Urteile des Friedensrichters bei Streitwerten bis zu 2.500 Euro ohne Berufungsmöglichkeit ergehen (Artikel 617 Absatz 1 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek).
  • Gegen erstinstanzliche Urteile des Gerichts erster Instanz oder des Handelsgerichts kann beim Appellationsgerichtshof nur Berufung eingelegt werden, wenn der Streitwert 2.500 Euro übersteigt. Ist der Streitwert geringer, ist die Berufung grundsätzlich nicht zulässig (Artikel 602, 617 Absatz 1 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek; beachte aber Artikel 617 Absatz 3 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek).
  • Gegen Urteile des Arbeitsgerichts kann immer Berufung vor dem Arbeitsgerichtshof eingelegt werden (Artikel 607, 617 Absatz 2 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek).

Urteile des Appellationsgerichtshofes und des Arbeitsgerichtshofes sowie nicht mit der Berufung angreifbare Urteile der Friedensrichter, Gerichte erster Instanz und der Handelsgerichte können zudem mit der Revision (révision / cassatie) vor dem Kassationsgerichtshof einer Überprüfung auf Rechtsfehler unterzogen werden (Artikel 608, 609 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek).

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