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Rechtsbericht Chile Coronavirus

Chile: Coronavirus und Verträge

Die Covid-19-Pandemie hat in Chile weitreichende wirtschaftliche Folgen und beeinträchtigt insbesondere auch laufende Vertragsbeziehungen.

Von Jan Sebisch | Bonn

Einleitung

Die Bedrohung durch das neuartige Coronavirus beeinträchtigt die globale Wirtschaft massiv und erschwert Unternehmen die tägliche Arbeit.

In diesem Rahmen ist in rechtlicher Hinsicht für die Unternehmen eine der zentralen Fragen, wie ihre Rechte und Pflichten in Bezug auf Verträge aussehen, die sie aufgrund der Covid-19-Pandemie möglicherweise nur teilweise oder gegebenenfalls gar nicht mehr erfüllen können.

Grundsätzlich können Ausbrüche von Krankheiten oder Seuchen einen Fall „Höherer Gewalt“ darstellen. Der Rechtsbegriff der „Höheren Gewalt“ ist Bestandteil vieler Verträge weltweit. In der Regel identifiziert der Begriff unvorhersehbare Ereignisse, die außerhalb der Kontrolle der Vertragsparteien liegen und die Erfüllung der vertraglichen Pflichten unmöglich machen, und befreit im Rahmen einer entsprechenden Klausel die betroffene Vertragspartei von ihrer Haftung.

Dieser Bericht erläutert, wie das chilenische Recht mit diesem Themenkomplex umgeht. Im Gegensatz zu vielen anderen Rechtsordnungen erkennt das chilenische Zivilgesetzbuch (Código Civil de Chile) den Begriff der „Höheren Gewalt“ an.

Der Código Civil de Chile definiert den Begriff der höheren Gewalt

Das chilenische Zivilgesetzbuch definiert den Begriff der höheren Gewalt in Artikel 45. In diesem Rahmen unterteilt das chilenische Recht den Begriff in zwei Kategorien: „Höhere Gewalt“ (fuerza mayor) und „zufällige Ereignisse“ (caso fortuito). Die Unterscheidung dieser beiden Begriffe ist nur theoretisch von Bedeutung und spielt in der Praxis keine Rolle. In der praktischen Anwendung werden die beiden Begriffe gleichgesetzt. Demnach handelt es sich bei höherer Gewalt um ein unvorhersehbares Ereignis dem nicht widerstanden werden kann. Als Beispiele nennt der Artikel 45 des chilenischen Zivilgesetzbuches Schiffsbruch, Erdbeben, die Festnahme durch Feinde und Amtshandlungen von öffentlichen Bediensteten.

Auf der Grundlage des Artikels 45 des chilenischen Zivilgesetzbuches geht die chilenische Rechtsprechung davon aus, dass eine von einem unvorhersehbaren Ereignis betroffene Vertragspartei von ihren vertraglichen Verpflichtungen befreit wird, wenn das unvorhersehbare Ereignis außerhalb der Kontrolle der Vertragsparteien liegt, die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen aufgrund des unvorhersehbaren Ereignisses unmöglich geworden ist und die betroffene Vertragspartei alles in ihrer Macht Stehende getan hat um die Auswirkungen des unvorhersehbaren Ereignisses zu mildern. Ferner ist erforderlich, dass die betroffene Vertragspartei mit aller gebotenen Sorgfalt und ohne Verschulden gehandelt hat. Zum Beispiel darf sich die betroffene Vertragspartei nicht schon vor dem Eintritt des unvorhersehbaren Ereignisses mit der Erbringung der Leistung im Verzug befinden.

In diesem Zusammenhang gilt es zu berücksichtigen, dass die Anwendbarkeit des Artikels 45 des chilenischen Zivilgesetzbuches stets eine Frage des konkreten Einzelfalls ist.

Abgesehen von dem im chilenischen Zivilgesetzbuch verankerten Grundsatz der höheren Gewalt finden sich im chilenischen Recht kaum Rechtsinstitute, die eine von der Covid-19-Pandemie betroffene Vertragspartei von ihren vertraglichen Verpflichtungen befreien könnte. In der chilenischen Rechtslehre wird teilweise die sogenannte „Theorie der Unvorhersehbarkeit“ (Teoría de la imprevisión) vertreten. Diese sieht vor, dass, wenn sich Verträge nachträglich - und ohne absolut unmöglich zu werden - für eine Vertragspartei aufgrund eines unvorhersehbaren Ereignisses als übermäßig belastend herausstellen, die betroffene Vertragspartei von ihren vertraglichen Verpflichtungen befreit wird. Die Theorie der Unvorhersehbarkeit ist allerdings bisher auf wenig Akzeptanz in der chilenischen Rechtsprechung gestoßen. Dies liegt vor allen Dingen daran, dass sie im Gegensatz zum Begriff der höheren Gewalt nicht im chilenischen Zivilgesetzbuch normiert ist.

Höhere Gewalt-Klausel in Verträgen

Im chilenischen Recht gilt wie im deutschen Recht das Prinzip der Vertragsfreiheit. Ausdruck der Vertragsfreiheit ist unter anderem, dass chilenische Verträge oftmals eine Klausel über „Höhere Gewalt“ enthalten (sogenannte Force-Majeure-Klauseln). Der Vorteil einer etwaigen im Vertrag vorhandenen Force-Majeure-Klausel gegenüber der gesetzlichen Regelung besteht darin, dass Force-Majeure-Klauseln in einer Vielzahl von Fällen eine genaue und abschließende Aufzählung der Ereignisse enthalten, die als höhere Gewalt gelten. Im konkreten Einzelfall können somit Auslegungsschwierigkeiten vermieden werden.

Sofern eine Vertragspartei ihre vertraglichen Verpflichtungen in Folge der Covid-19-Pandemie nicht erfüllen kann, sollte die betroffene Vertragspartei den Vertag genau lesen und prüfen, ob der Vertrag eine Force-Majeure-Klausel enthält. In vielen Fällen ist die Anwendbarkeit der Klausel allerdings an bestimmte Bedingungen geknüpft. Zum Beispiel kann eine Klausel vorsehen, dass die andere Vertragspartei unverzüglich über das unvorhersehbare Ereignis und dessen Auswirkungen auf die geschuldete Leistung informiert wird. Ferner verlangen viele Klauseln von der betroffenen Partei, dass diese nachweist, dass sie alles wirtschaftlich Zumutbare unternommen hat, um ihre vertraglichen Pflichten, trotz des Vorliegens des unvorhersehbaren Ereignisses, zu erfüllen.

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