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Special | Russland | Klimawandel lokal

Klimaschutz wird zum Marktfaktor

Grüne Technologien entwickeln sich in Russland zum Verkaufsschlager. Dafür sorgen das Nationale Projekt "Umwelt", der Green Deal der EU und der weltweite Klimaschutz.

Von Gerit Schulze | Moskau

Die brennenden Wälder in Sibirien und der auftauende Permafrostboden bewegen Russland zu einem Umdenken beim Klimaschutz. Bei mehreren Auftritten betonte Präsident Putin 2021 den Handlungsbedarf. Im Juli unterschrieb der Staatschef das Gesetz über die Begrenzung der Treibhausgas-Emissionen, Ende Oktober wurde die „Strategie für eine kohlenstoffarme Entwicklung Russlands“ vorgestellt. Sie sieht eine Senkung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase um 79 Prozent bis 2050 vor. Zehn Jahre später will das Land klimaneutral sein.

Auch in den Chefetagen großer russischer Unternehmen gewinnt ökologische Verantwortung an Bedeutung. Immerhin zwei Drittel aller Führungskräfte sehen Nachhaltigkeit als eine Priorität ihrer Arbeit an, ergab Mitte 2021 die Studie „Environmental Social Governance“ im Auftrag internationaler Wirtschaftsverbände in Russland.

Druck bekommen die russischen Konzerne vor allem durch den Carbon Border Adjustment Mechanism, mit dem die Europäische Union (EU) ab 2026 schrittweise eine Klimaabgabe auf Importprodukte einführt. Davon wären russische Waren im Gesamtwert von rund 7 Milliarden Euro betroffen, vor allem Eisen und Stahl, Mineraldünger, Aluminium und Zement. Die Regierung hat angekündigt, Investitionsprojekte zur Verbesserung der CO2-Bilanz mit Steueranreizen zu fördern.

Speicherung von Treibhausgasen

Als Beitrag zum Klimaschutz rücken auch die Abscheidung und Speicherung von Treibhausgasen in den Blick. Russlands Rohstoffkonzerne entwickeln erste Konzepte für das sogenannte Carbon Capture and Storage (CCS), um ihre Ausgleichszahlungen bei Exporten in die EU möglichst gering zu halten. Novatek plant bei der Erdgasverflüssigung auf den Halbinseln Jamal und Gydan die Verpressung von Treibhausgasen. Lukoil hat am Gasverarbeitungswerk Korobkowski bei Wolgograd eine Anlage zur Abscheidung von CO2 installiert und will ein ähnliches Projekt bei Perm realisieren. Tatneft erarbeitet Projekte zur Abscheidung von Kohlendioxid im Wärmekraftwerk Nischnekamsk und beim Raffineriekonzern Taneko.

Das Beratungsunternehmen Vygon Consulting schätzt die potenziellen Speicherkapazitäten auf 1,2 Billionen Tonnen CO2. Noch sind allerdings hohe Subventionen nötig, um Pilotprojekte anzuschieben. Die Regierung hat deshalb Fördermittel in Aussicht gestellt.

Kohleförderer sollen in Umweltschutz investieren

Auf mehr Nachhaltigkeit sollen auch die Kohlekonzerne achten. Im Kusbass-Revier dürfen sie zwar weiter den fossilen Brennstoff abbauen und sogar ihre Exporte Richtung Asien ausweiten. Im Gegenzug müssen sich die Unternehmen aber verpflichten, in Umweltprojekte zu investieren. Dazu gehört die Rekultivierung von Lagerstätten und geschundenen Bergbaulandschaften.

Allmählich kommen in Russland „grüne Finanzierungen“ auf den Finanzmarkt, also Anleihen für Investitionen in Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Bislang taxiert die russische Zentralbank den Markt erst auf 2 Milliarden US-Dollar. Doch das Interesse bei Unternehmen und Geldgebern ist groß. Die Regierung plant stimulierende Maßnahmen wie den Wegfall der Ertragssteuern auf Zinseinnahmen aus Green Bonds.

Abfallreform nimmt Schwung auf

Bei der Abfallreform verzeichnet Russland erste Erfolge. Nach Angaben der für die Steuerung zuständigen Gesellschaft REO (Russischer ökologischer Operator) können heute schon 20 Millionen Tonnen Hausmüll sortiert und davon 5 Millionen bis 7 Millionen Tonnen wiederverwertet werden. Laut REO sind über 100 neue Projekte zur Sortierung, Behandlung und Verarbeitung von Hausmüll in der Planungsphase.

Verzögerungen gibt es beim Bau von fünf Müllverbrennungsanlagen (MVA) im Moskauer Gebiet und in Tatarstan, weil ausländische Monteure während der Coronapandemie zeitweise nicht ins Land kamen. Nach Angaben des halbstaatlichen Investors RT-Invest sollen die Anlagen nun 2023 in Betrieb gehen.

RT-Invest hält trotzdem an seinen Plänen fest, 25 weitere Müllkraftwerke zu errichten. Die notwendigen Investitionen werden auf über 15 Milliarden Euro geschätzt. Das Unternehmen erwartet, dass durch die Verbrennungsanlagen 200 Hausmülldeponien geschlossen werden können.

Fortschritte macht die stoffliche Verwertung von Haushaltsbatterien. Große Kapazitäten haben Megapolisresurs in Tscheljabinsk und NEK in Jaroslawl aufgebaut. Bis 2024 sollen sieben weitere Recyclingwerke für Altbatterien und Leuchtstoffröhren entstehen. In Russland werden jährlich rund 1 Milliarde Batterien weggeworfen. Nur knapp 2 Prozent davon werden recycelt.

Aktuelle Investitionsprojekte in Umwelttechnik

Projekt / Ort

Investition (Mio. Euro)

Projektstand

Projektbetreiber

Einbau von Elektrofiltern in Kohlekraftwerken

834

Umsetzung: 2020 bis 2025

SUEK-Tochter SibGenCo

Müllverbrennungsanlage / Kasan, Republik Tatarstan

317

Fertigstellung: 2023

RT-Invest

Sanierung der Wasserreinigungsanlagen / Archangelsk

71

Projektdauer: 2021 bis 2024

Roswodokanal Archangelsk

Anlage zur Verarbeitung von Hausmüll / Sankt Petersburg

61

Baustart: 2022, geplante Fertigstellung: 2024

AO Newski ekologitscheski operator

Modernisierung einer biologischen Reinigungsanlage an der Wolga / Nowotscheboksarsk, Tschuwaschien

12

Fertigstellung: 2023

GUP Biologitscheskije otschystnyje sooruschenija, MUP Kommunalnyje seti goroda Nowotscheboksarska

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

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