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Russischer Werkzeugmaschinenbau im Aufwind
Russland nimmt einen neuen Anlauf zur Modernisierung des Werkzeugmaschinenbaus. Die Importabhängigkeit bleibt mittelfristig hoch. Dies eröffnet deutschen Herstellern Lieferchancen.
09.06.2021
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau
- Deutsche Hersteller produzieren vor Ort
- Regierung fördert Werkzeugmaschinenbau
- Hersteller bauen Werke und Produktportfolio aus
- Digitalisierung soll Betriebsbereitschaft und Arbeitsproduktivität erhöhen
- Einfuhrquote verharrt auf hohem Niveau
- Konkurrenz durch asiatische Anbieter wächst
- Digitale Fernwartung schafft neue Perspektiven
Der Werkzeugmaschinenbau kommt 2021 mit unterschiedlicher Dynamik aus den Startlöchern. Die Herstellung von Zerspanungsmaschinen stieg im 1. Quartal 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,7 Prozent auf 935 Stück. Die Produktion von Press-Schmiedemaschinen ging im gleichen Zeitraum hingegen um 3,9 Prozent auf 879 Einheiten zurück. Für das Gesamtjahr 2021 rechnet der Branchenverband Stankoinstrument mit einem Produktionswachstum um 5 bis 6 Prozent. Im Jahr 2020 betrug der Produktionswert rund 400 Millionen Euro.
Deutsche Hersteller produzieren vor Ort
Mit DMG Mori und Berthold Hermle sind unter den landesweit 1.075 Herstellern von Werkzeugmaschinen auch zwei deutsche Unternehmen mit einer lokalen Produktion in Russland vertreten. Ende Mai 2021 hat die Trawema GmbH aus Düren mit der Staatsholding Rostec eine Vereinbarung zur Lokalisierung der Produktion von mobilen Dreh- und Fräsmaschinen in Moskau unterzeichnet. Der Chemnitzer Werkzeugmaschinenbauer Niles-Simmons-Hegenscheidt hat den geplanten Bau seines Werkes in Moskau hingegen auf Eis gelegt.
TOP-10 Werkzeugmaschinenbauer in Russland
Unternehmen/Region | Produktion | Umsatz (Millionen Rubel, 2020) |
Tjaschpressmasch / Rjasan | Press-Schmiede-Maschinen | 4.459,8 |
NPK Morswjazawtomatika (NPK MSA) / Sankt Petersburg | Metallverarbeitungsmaschinen | 2.751,3 |
Uljanowski stankostroitelnyj sawod (DMG Mori) / Gebiet Uljanowsk | Metallverarbeitungsmaschinen | 1.962,9 |
Tjaschmechpress / Gebiet Woronesch | Press-Schmiede-Maschinen | 1.538,9 |
Penzenskoje konstruktorsko-technologitscheskoje byuro armaturostrojenija (PKTBA) / Gebiet Pensa | Komponenten für Werkzeugmaschinen | 1.514,7 |
Spezialnyje naplawotschnyje materialy (ASM) / Gebiet Wologda | Komponenten für Werkzeugmaschinen | 1.200,2 |
Sasta / Gebiet Rjasan | Metallverarbeitungsmaschinen | 1.191,3 |
Sawod schtampow i pressform (ZSCHP) / Gebiet Nischni Nowgorod | Komponenten für Werkzeugmaschinen | 1.120,1 |
Komponenten für Werkzeugmaschinen | 1.078,7 | |
OKB Mikron / Region Krasnojarsk | Metallverarbeitungsmaschinen | 692,0 |
Regierung fördert Werkzeugmaschinenbau
Die Regierung will mit der „Strategie zur Entwicklung des Werkzeugmaschinenbaus“ den Produktionswert bis 2035 auf etwa 890 Millionen Euro mehr als verdoppeln. Der Lokalisierungsgrad der Erzeugnisse soll von derzeit 47 Prozent auf 70 Prozent steigen. Die Priorität liegt auf der Entwicklung und Ausweitung der Serienfertigung von Komponenten, um die hohe Abhängigkeit von Bauteileimporten zu senken. Das Exportvolumen soll sich auf rund 185 Millionen Euro in etwa verfünffachen.
Zudem gewährt der Staat Werkzeugmaschinenbauern vergünstigte Kredite, Absatzhilfen und fördert die Entwicklung von Pilotbauteilen mit bis zu 50 Prozent der Produktionskosten. Das Russische Exportzentrum (REZ) übernimmt einen Teil der Transportkosten in Exportmärkte.
Hersteller bauen Werke und Produktportfolio aus
Russische Werkzeugmaschinenbauer investieren in den Ausbau ihrer Produktion. Das Twerskoj Stankostroitelnyj Sawod entwickelt neue 5-Achs-Bearbeitungszentren und erweitert sein Sortiment an Dreh- und Fräsmaschinen. Sasta baut 2021 seine Kapazitäten zur Fertigung von Metallbearbeitungsmaschinen im Gebiet Rjasan aus. Stankomaschstroj erweitert die Produktion von Bauteilen für Dreh- und Fräsmaschinen, um den Lokalisierungsgrad zu steigern. Das Kowrowski Elektromechanitscheski Sawod (gehört zu Rostec) nimmt 2021 die Produktion von 5-Achs-Dreh- und Fräszentren mit CNC-Steuerung im Gebiet Wladimir auf.
Aktuelle Projekte im russischen Werkzeugmaschinenbau (Investitionen in Millionen Euro)
Projekt / Region | Investitionen | Geplante Inbetriebnahme | Projektbetreiber |
Aufbau einer Produktion von CNC-Bearbeitungszentren / Cluster Lipezkmasch, Gebiet Lipezk | 102,8 | 2022 | |
Aufbau einer Produktion von CNC-Bearbeitungszentren / Region Krasnodar | 40,5 | 2025 | |
Aufbau einer Produktion von Portal- und Horizontalfräsbearbeitungszentren / Gebiet Kaluga | 11,1 | k.A. | OOO Gazpromtechnika, Tel: +7 (915) 066 60 62 |
Der Konzern Tjaschstankogidropress, einer der größten russischen Hersteller von hydraulischen Pressen, Metallbearbeitungsmaschinen und anderen Maschinen in Nowosibirsk, wird im Rahmen des Insolvenzverfahrens der Firma Steelline versteigert.
Digitalisierung soll Betriebsbereitschaft und Arbeitsproduktivität erhöhen
Russische Werkzeugmaschinenbauer setzen zur digitalen Vernetzung verstärkt auf Industrie 4.0-Anwendungen. Neben Lösungen von SAP, Siemens oder Bosch bauen die Hersteller aus Kostengründen häufig auf einheimische Anbieter, die von der Regierung mit Steuererleichterungen und Vergünstigungen gefördert werden.
Die Holding STAN hat den Prototypen eines digitalen Zwillings auf den Markt gebracht, der die Wartung und Instandsetzung von Werkzeugmaschinen mit CNC-Steuerung aus der Entfernung ermöglicht. Die IoT-Lösung „Dispatcher“ der russischen IT-Firma Zyfra (gehört zur Renova-Holding des Oligarchen Viktor Wekselberg) sammelt und analysiert große Datenmengen (Big Data). Das Unternehmen VAST entwickelte die Lösung DREAM zur vorausschauenden Wartung (Predictive Maintenance) und Diagnose der Anlagen. Zur Produktion von Bauteilen setzen Werkzeugmaschinenfabrikanten zudem verstärkt auf additive Technologien.
Einfuhrquote verharrt auf hohem Niveau
Der russische Markt für Werkzeugmaschinen beläuft sich auf rund 1,1 Milliarden Euro. Etwa 90 Prozent der jährlich etwa 17.000 verkauften Exemplare entfallen auf ausländische Lieferanten. Rund 70 Prozent des aktuellen Werkzeugmaschinenparks müssen in den kommenden Jahren erneuert werden. Im niedrigen und mittleren Preissegment dominieren Anbieter aus China, Südkorea und Taiwan. Aus Japan und Deutschland kommen meist Anlagen im Hochpreissegment. Im Jahr 2020 gingen die Ausfuhren von Werkzeugmaschinen aus Deutschland nach Russland um 4,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 226 Millionen Euro zurück, meldet der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA).
Einfuhr ausgewählter Werkzeugmaschinen nach Russland (in Millionen US-Dollar)
Zolltarifummer (HS) / Erzeugnis | Importvolumen 2020 | Davon aus Deutschland |
8456 Werkzeugmaschinen zum Abtragen von Stoffen aller Art durch Laser-, Licht- oder anderen Photonenstrahl, Ultraschall, Elektroerosion, elektrochemische Verfahren oder Elektronen-, Ionen- oder Plasmastrahl, Wasserstrahlschneidemaschinen | 161,4 | 16,6 |
8457 Bearbeitungszentren, Mehrwegemaschinen und Transfermaschinen, zum Bearbeiten von Metallen | 789,4 | 56,7 |
8458 Drehmaschinen (einschließlich Drehzentren) zur spanabhebenden Metallbearbeitung | 239,4 | 38,5 |
8459 Spanabhebende Werkzeugmaschinen (einschließlich Bearbeitungseinheiten auf Schlitten) zum Bohren, Ausbohren, Fräsen oder Außen- oder Innengewindeschneiden von Metallen, (ausgenommen bestimmte Drehmaschinen und Drehzentren, sowie von Hand zu führende Maschinen) | 80,0 | 10.0 |
8460 Werkzeugmaschinen zum Entgraten, Schärfen, Schleifen, Honen, Läppen, Polieren oder zu anderem Fertigbearbeiten von Metallen oder Cermets mit Hilfe von Schleifscheiben, Schleifstoffen oder Poliermitteln | 100,1 | 25,1 |
8461 Hobelmaschinen, Waagerecht- und Senkrechtstoßmaschinen, Räummaschinen, Verzahnmaschinen, Zahnfertigbearbeitungsmaschinen, Sägemaschinen, Trennmaschinen und andere Werkzeugmaschinen zur spanabhebenden Bearbeitung von Metallen oder Cermets | 75,3 | 27,5 |
8462 Werkzeugmaschinen (einschließlich Pressen) zum Freiformschmieden, Gesenkschmieden oder Hämmern von Metallen; Werkzeugmaschinen (einschließlich Pressen) zum Biegen, Abkanten, Richten, Scheren, Lochstanzen oder Ausklinken von Metallen; Pressen zum Bearbeiten von Metallen oder Metallcarbiden | 269,3 | 29,5 |
8463 Werkzeugmaschinen zum spanlosen Be- oder Verarbeiten von Metallen oder Cermets | 34,2 | 7,4 |
8464 Werkzeugmaschinen zum Bearbeiten von Steinen, keramischen Waren, Beton, Asbestzement oder ähnlichen mineralischen Stoffen oder zum Kaltbearbeiten von Glas | 119,1 | 6,3 |
8465 Werkzeugmaschinen (einschließlich Nagel-, Heft-, Klebe-, Verleim- und andere Zusammenfügemaschinen) zum Bearbeiten von Holz, Kork, Bein, Hartkautschuk, harten Kunststoffen oder ähnlichen harten Stoffen | 322,8 | 47,5 |
Konkurrenz durch asiatische Anbieter wächst
Deutsche Lieferanten müssen die Sanktionen der Europäischen Union (EU) beachten und dürfen keine Werkzeugmaschinen, die sowohl zu zivilen als auch militärischen Zwecken eingesetzt werden können (dual use), nach Russland liefern. Asiatische Anbieter müssen hingegen auf die EU-Sanktionen keine Rücksicht nehmen und nutzen diesen Vorteil. Zudem werden Werkzeugmaschinen „Made in China“ qualitativ immer konkurrenzfähiger bei unschlagbar niedrigen Preisen.
Digitale Fernwartung schafft neue Perspektiven
Beim Import geht der Trend hin zu gebrauchten Anlagen sowie Ersatzteilen, berichteten Unternehmensvertreter auf der Leitmesse Metalloobrabotka Ende Mai 2021. Aus Kostengründen setzen viele Kunden auf einfachere Lösungen. Lokale Reparaturbetriebe machen ausländischen Anbietern beim Service Konkurrenz. Dem kann der Lieferant durch das Angebot digitaler Fernwartungen entgehen.
Deutsche Unternehmen sollten ihren Wettbewerbern technologisch immer einen Schritt voraus sein. Um sich einen Zeitvorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen, lohnt es sich, frühzeitig Lösungen für die künftigen Bedürfnisse des Kunden zu entwickeln. Generell sollte sich der russische Kunde bei seinem Lieferanten aus Deutschland gut aufgehoben wissen. Ersatzteilelieferungen und Servicedienstleistungen sollten schnell und unbürokratisch erfolgen.
Fachverbände:
Verband der Maschinenbauer
ul. Pokrowka 22/1, Haus 1, 101000 Moskau
Tel.: 007 (495) 781 11 04
E-Mail: office@soyuzmash.ru
Russischer Verband für Werkzeugmaschinenhersteller
Twerskaja ul. 22A, Haus 2, 125009 Moskau
Tel.: 007 (495) 650 59 21
E-Mail: mail@stankoinstrument.ru
ul. Giljarowskogo 65/1
Tel: 007 (495) 640 67 16
E-Mail: info@stankoprom.ru
Leitmesse:
Expozentrum Moskau
Zeitraum: 23.-27.5.2022
E-Mail: metobr@expocentr.ru