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Branchen | Russland | Nahrungsmittel und Getränke

Schwächere Wachstumssignale in der Milchwirtschaft

Die geringen Einkommenszuwächse in Russland schlagen auf den Verbrauch und die Produktion von Milchprodukten durch. Dennoch investiert die Branche weiter in neue Kapazitäten.

Von Gerit Schulze | Moskau

Das Entwicklungstempo in der russischen Milchwirtschaft hat sich 2021 verlangsamt. Im Zeitraum Januar bis Oktober lag das Produktionsvolumen bei Trinkmilch und Sauermilchprodukten lediglich auf dem Niveau des Vorjahres. Branchenvertreter begründen das mit dem geringen Wachstum der Realeinkommen und der daraus resultierenden Stagnation der Nachfrage.

Größere Zuwächse verzeichnete 2021 laut Fachportal Milknews lediglich die Herstellung von Sahne (21 Prozent), Speiseeis (15 Prozent), Molkenpulver (7 Prozent) und Käse (5 Prozent). Leicht gesunken ist der Ausstoß an Butter, Margarine und Kefir.

Importierter Käse bleibt sehr beliebt

Die schwache Marktentwicklung 2021 schlug sich auch in der Importstatistik nieder. Nur bei Käse (+6 Prozent) und käseähnlichen Produkten (+15 Prozent) gab es in den ersten neun Monaten nennenswerte Zuwächse der Einfuhren, während die Lieferungen von Milch und Butter sanken. Auf Käse entfallen laut Milknews 42 Prozent des Importwertes an Milchprodukten.

Gleichzeitig ist Russlands Milchwirtschaft auf Auslandsmärkten zunehmend erfolgreich. Von Januar bis Oktober 2021 stieg das Exportvolumen nach Berechnungen des Verbands Sojusmoloko um 15 Prozent auf 822.000 Tonnen. Neben den traditionellen Absatzregionen in der Nachbarschaft wie Belarus und Kasachstan rücken neue Märkte in den Fokus. In die USA beispielsweise wird sehr viel Speiseeis verkauft, China kauft überwiegend Molkenpulver.

Auf dem Inlandsmarkt hat das Marktforschungsunternehmen GfK zuletzt größere Absatzzuwächse bei Trinkjoghurt, Salzlakenkäse und Milchdesserts festgestellt. Überdurchschnittlich wachsen die Umsätze mit veganen Milchersatzprodukten, beispielsweise Hafer- und Sojagetränken. Davon können westliche Hersteller profitieren, da diese Produkte nicht dem russischen Lebensmittelembargo unterliegen.

Weniger Kühe in den Ställen

Da einige Agrarbetriebe aus Rentabilitätsgründen von der Milchwirtschaft auf Pflanzenzucht umgestiegen sind, schrumpfte 2021 die Zahl der Kühe. Sojusmoloko gab die Zahl der Milchkühe per 1. November mit 7,9 Millionen an. Das waren 100.000 weniger als zum Vorjahreszeitpunkt.

Der Melkertrag je Kuh stieg um 4,2 Prozent. Er liegt in Russland durchschnittlich bei rund 6.700 Kilogramm pro Jahr. Die großen, modernen Agrarholdings wie Step, Irmen, Krasny Majak, Russkaja agrarnaja gruppa und Kilatschewski kommen auf Werte zwischen 12.000 und 14.000 Kilogramm.

Subventionen sorgen für weitere Investitionsprojekte

Trotz der trüben Marktentwicklung 2021 investiert die russische Milchwirtschaft in neue Projekte. Sie kann sich dabei auf großzügige Hilfen des Staates stützen. Die Subventionen für die Branche betrugen 2021 rund 45,5 Milliarden Rubel (522 Millionen Euro, durchschnittlicher Jahreswechselkurs der EZB 2021: 1 Euro = 87,15 Rubel) und lagen damit um ein Fünftel über dem Vorjahreswert. Die Agrarbetriebe bekommen Geld für Investitionsausgaben, für die Züchtung neuer Rinderrassen, die Anschaffung von Futter und die Umsetzung der digitalen Kennzeichnungsvorschriften.

Aktuell entstehen in erster Linie neue Milchviehbetriebe und Käsefabriken. Allein die Republik Tatarstan hat angekündigt, dass in den kommenden zwei Jahren 16 Milchfarmen für 15.000 Rinder in der Region errichtet werden. Zu den Investoren gehören Kamski Bekon, OOO PMK und OOO Mir.

Die Agrarholding Komos Group aus Udmurtien beabsichtigt, ihre Käseproduktion bis 2023 um 60 Prozent auf 14.600 Jahrestonnen zu steigern. Dafür wird der Betrieb Kesski syrsawod in Ischewsk erweitert und modernisiert.

In Baschkortostan baut das Milchkonservenwerk MMK für 18 Millionen Euro eine Produktionslinie für Trockenmilchmischungen. Rund 12 Millionen Euro steckt das Unternehmen Knjagininskoje moloko bei Nischni Nowgorod bis 2023 in eine Fabrik für Trockenmolke.

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Aktuelle Investitionsprojekte in der russischen Milchwirtschaft

Projekt / Ort

Investitionssumme in Mio. Euro

Projektstadium

Anmerkungen / Projektbetreiber

Bau eines automatisierten Lagers für Speiseeis / Korenowsk, Region Krasnodar

k.A.

Montagearbeiten laufen

Lagerkapazität für 5.000 Tonnen Speiseeis / ZAO Korenowski Molotschno-konserwny kombinat

Ausbau einer Molkerei / Bezirk Talizki, Gebiet Swerdlowsk

100

Geplante Fertigstellung: 2023

Talizki molotschny zawod

Bau der Milchfarm "Bortnikowo" / Gebiet Moskau

45

Geplante Fertigstellung: 2022

Stupinskaja Niva (gehört zu EkoNivaAgro)

Bau eines Milchviehbetriebs / Bezirk Tschamsinski, Republik Mordowien

44

Im Bau, geplante Fertigstellung: 2024

Kapazitäten für 6.450 Milchkühe und die Verarbeitung von 400 Tonnen Milch pro Tag / GK Horoscheje delo

Ausbau der Molke- und Käseproduktion / Gebiete Wolgograd und Rostow

k.A.

Geplante Fertigstellung: 2022

Geplante Verarbeitung von täglich 850 Tonnen Milch / GK Foodland

Modernisierung der Produktionsanlagen / Gebiet Moskau

k.A.

Im Bau

OOO Valio

Modernisierung der Käseproduktion / Welikije Luki, Gebiet Pskow

k.A.

Projektierung; geplante Fertigstellung: 2024

GK Kabosch

Bau eines Milchviehbetriebs / Gebiet Twer

k.A.

Projektierungsphase

ZAO Kalininskoje

Bau eines Milchviehbetriebs / Region Krasnodar

k.A.

Geplante Fertigstellung: 2023

Kapazität für 2.000 Kühe / AO AgroGard

Bau eines Milchviehbetriebs / Gebiet Pskow

29

Geplante Fertigstellung: 2023

Kapazität für 1.920 Kühe / PskowAgroInvest

Bau des Milchviehbetriebs "Bugry" / Bezirk Wsewoloschski, Leningrader Gebiet

15

Geplante Fertigstellung: 2023

Kapazität für 3.000 Kühe mit einer Milchleistung von 47.500 Tonnen pro Jahr / Verwaltung Leningrader Gebiet

Quelle: Presseauswertungen, Recherchen von Germany Trade & Invest

Deutsche Unternehmen bauen Aktivitäten aus

Auch deutsche Unternehmen engagieren sich weiter in der russischen Milchwirtschaft. DMK Deutsches Milchkontor eröffnete Ende 2021 im Gebiet Woronesch eine zweite Käserei, in der jährlich 25.000 Tonnen Käse und Trockenmolke produziert werden können. In das Vorhaben investierte DMK rund 24 Millionen Euro.

Hochland plant im Gebiet Belgorod eine Erweiterung seiner Käseproduktion und will dafür rund 40 Millionen Euro investieren. Bis 2025 soll eine vierte Linie entstehen, durch die der Jahresausstoß auf 80.000 Tonnen steigen könnte.

Ehrmann hat im Sommer 2021 von der russischen Antimonopolbehörde grünes Licht bekommen für die Übernahme der Produktionskapazitäten von FrieslandCampina in Stupino bei Moskau.

Der Düsseldorfer Anlagenbauer GEA startete im Dezember 2021 im Gebiet Tula eine Fabrik, die Reinigungs- und Hygienemittel für die Milchwirtschaft produziert. Laut Gebietsverwaltung investierte das Unternehmen 3,6 Millionen Euro in das Werk und will dort jährlich 10.000 Tonnen Spezialreiniger für Melkbetriebe herstellen.

Kennzeichnungspflicht für Milchprodukte

Mercury 

Rohstoffe für die Milchverarbeitung müssen in Russland seit 2019 im staatlichen System Mercury registriert und entsprechend gekennzeichnet werden. Damit soll der Prozess von der Milchgewinnung bis zur Verarbeitung nachverfolgt werden können. 

Tschestny Znak

Die digitale Kennzeichnung der Fertigprodukte mit Hilfe von DataMatrix-Codes erfolgt im System Tschestny Znak. Seit 1. Juni 2021 unterliegen Käse- und Speiseeispackungen einer Kennzeichnungspflicht; seit 1. September 2021 sonstige Milchprodukte mit einer Haltbarkeit von mehr als 40 Tagen und seit 1. Dezember 2021 auch alle übrigen Milchprodukte mit einer kürzeren Haltbarkeitsdauer. Mehr Details lesen Sie hier.

Förderquoten bleiben bestehen

Vorerst ist die Regierung abgerückt von ihren Plänen, die Zinssätze für subventionierte Kredite zu erhöhen. Bislang können Milchwirtschaftsbetriebe vergünstige Darlehen mit einer Verzinsung von maximal 5 Prozent pro Jahr aufnehmen. Die Regierung hatte geplant, diese Schwelle auf 7 Prozent anzuheben. Außerdem wollte der Staat die Zinskosten nicht mehr bis zur Höhe des offiziellen Leitzinses erstatten, sondern nur noch bis maximal 70 Prozent.Gegen diese Subventionskürzungen hatten Branchenvertreter heftig protestiert und konnten das Agrarministerium so dazu bringen, die Pläne wieder fallen zu lassen. Der Verband Sojusmoloko verwies auf die angespannte Finanzlage der Unternehmen infolge der hohen Inflation. Die Produktionskosten für Rohmilch waren 2021 laut Sojusmoloko um 16 Prozent gestiegen, während die erzielten Preise nur um 6 Prozent zulegten. Zusätzliche Kosten hatte die Milchwirtschaft durch die Kennzeichnungspflicht, teurere Verpackungen, Baumaterialien und Investitionsgüter zu schultern.


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