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Special | Russland | Smart Farming

Marktstruktur: Starke Position bei Software und autonomem Fahren

Russische Hersteller im Bereich Smart Farming sind vor allem bei Software, Drohnensteuerung und autonomem Fahren erfolgreich. Die Technik muss meist importiert werden.

Von Gerit Schulze | Moskau

Start-ups in Russland forschen bislang weitgehend unabhängig voneinander an Smart-Farming-Lösungen. Eine strategische Planung, die den Bedarf des Agrarsektors und die Angebote der Technologiefirmen aufeinander abstimmt, fehlt noch.

Immerhin erfasst das Landwirtschaftsministerium die in Russland entwickelten Lösungen für Smart Farming in einem „Katalog digitaler Lösungen“. Die Datenbank ist unterteilt in die Abschnitte Big Data/Künstliche Intelligenz, Internet der Dinge (IoT), Automatisierung und Dienstleistungen. Ende Mai 2021 waren dort 190 Anwendungen und Unternehmen eingetragen, die meisten im Bereich Datenanalyse.

Im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums erstellt der Systemintegrator Lanit-Integrazija eine übergreifende Plattform für Smart Farming in Russland.

Nach Einschätzung von Marktkennern entwickeln in Russland rund 20 Startups Anwendungen für Smart Farming. Sie platzieren am Markt Produkte für Enterprise-Resource-Planning (ERP), Buchhaltung und elektronischen Dokumentenaustausch. Darüber hinaus haben sie eine gute Position bei Navigationssystemen und Flächenkartierung zur optimalen Ackernutzung, Technologien für autonomes Fahren und bei der Steuerung von Drohnen. Auch bei künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen sind russische IT-Unternehmen traditionell stark.

Einsatz von Drohnen

Der Einsatz von Drohnen im russischen Agrargeschäft ist ein wichtiges Wachstumssegment. Mehrere Unternehmen haben sich darauf spezialisiert, unbemannte Fluggeräte an die Bedürfnisse der Landwirte anzupassen. Große Agrarholdings nutzen diese Technik bereits in der Praxis. Salathersteller Belaja Datscha setzt Drohnen mit Multispektralkameras ein, die Problemstellen auf den Feldern ausfindig machen.

Das Sankt Petersburger Unternehmen Geoscan entwickelt Flugdrohnen und Software, die bei der Kartierung von Ackerflächen helfen und den Zustand der Anpflanzungen kontrollieren. 

Die Agro Drone Group arbeitet an Drohnen, die dabei helfen, den Einsatz von Düngemitteln zu dosieren, die Erntereihenfolge zu bestimmen oder Moor- und Sumpfbildung vorherzusagen.

Weitere Anbieter von Agrar-Drohnen:

Autonomes Fahren

Cognitive Pilot ist eines der bekanntesten Branchenunternehmen in Russland. Das Start-up entwickelt Systeme für autonom fahrende Vollerntemaschinen und Traktoren. Diese lassen sich an herkömmliche Fahrzeugmodelle anschließen und ermöglichen Effizienzsteigerungen von bis zu 25 Prozent bei der Ernte. Das gelingt mit Sensoren, die fortlaufend Hindernisse und Abweichungen von der Fahrspur erkennen, den Radlauf der Fahrzeuge messen, die Schneidkante überwachen und entsprechend reagieren. Auch der Einsatz bei schwierigen Wetterbedingungen wird vereinfacht. Im Herbst 2020 gelang bei Orenburg erstmals die vollautomatisierte Ernte eines verschneiten Maisfeldes.

In der Erntesaison 2020 bearbeiteten russlandweit 350 Mähdrescher mit der neuen Technik eine Fläche von 160.000 Hektar. Im Jahr 2021 sollen 1.230 Kunden hinzukommen. Das Unternehmen will weltweit expandieren und hat dabei große Agrarnationen wie Brasilien, Argentinien und China im Blick.

Auch Russlands größter Landmaschinenhersteller Rostselmasch entwickelte bereits mehrere Systeme für das autonome Fahren von Mähdreschern, Futtererntemaschinen und Traktoren.

Precision Farming

Ein weiteres Wachstumssegment ist die zielgerichtete Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzflächen („Precision Farming“). Unter anderem investierte der Pflanzenöl- und Majonäsehersteller Efko in das Moskauer Unternehmen Exact Farming, das sich auf Precision Farming spezialisiert hat. Dazu gehören die Digitalisierung und Überwachung von Ackerflächen, Wetterprognosen, ein effizienterer Düngereinsatz und die Ernteplanung.

In diesem Bereich ist auch das Unternehmen RoboProb tätig. Dessen speziell entwickelte Roboter mit Kettenantrieb entnehmen auf den Feldern Bodenproben, um so den Nährstoffgehalt zu messen.

Ebenso beschäftigt sich Agronote mit Precision Farming. Seine Produkte kommen eigenen Angaben zufolge bereits auf 1,5 Millionen Hektar Ackerfläche in Russland zum Einsatz. Die IT-Systeme unterstützen die Aussaat, analysieren den Boden, optimieren die Ackerbearbeitung und helfen bei der Unkrautbekämpfung und Düngung.

RoboProb und Agronote sind neben weiteren Smart-Farming-Start-ups im Innovationscluster Skolkowo bei Moskau angesiedelt, einem bedeutenden Zentrum für die Entwicklung digitaler Agrartechnologien.

Weitere Anbieter von digitalen Technologien für die Landwirtschaft

Unternehmen

Produkt

ISBC

RFDI-Funketiketten zur Markierung von Nutztieren

InfoBiz

Datensammlung und Auswertung zu Aussaat-, Wachstums- und Ernteprozessen im Ackerbau

Intterra

Algorithmen für den Einsatz von Düngemitteln und Saatgut, Finanzierungen, Absatz- und Marketingaktivitäten

SmartAgro

Cloud-Lösungen zur Optimierung der Geschäftsprozesse; Analysen von Feldarbeiten und des Pflanzenwachstums

Agrodosor

Auswertung von Wetterprognosen und Fernerkundung der Erdoberfläche zur Planung für die Applikation von Pflanzenschutzmitteln

Pig's Big Brother 

Verfahren der künstlichen Intelligenz (KI) zur Optimierung der Schweinemast; Verhaltensüberwachung, Früherkennung von Krankheiten 

Connectome.ai

Überwachung neugeborener Kälber

BumbTech 

Überwachung und Steuerung des Mikroklimas in Bienenstöcken

iFarm

Vertikale Gewächshäuser, inklusive Softwaresteuerung des Mikroklimas und der Bewässerung

Marktzugang

Das Regierungskonzept für die digitale Landwirtschaft sieht vor, dass bis 2024 rund 80 Prozent aller Investitionen für Smart-Farming-Technologien in russische Produkte fließen.

Bis dahin ist noch viel Entwicklungsarbeit nötig. Laut VDMA-Experte Alexander Haus haben deutsche Landtechnikhersteller einen großen Vorsprung bei Dosierungs- und Sätechnik sowie beim Vorgewende-Management (Randbereich der Felder zum Maschinenwenden). Auch bei der Vernetzung der Landmaschinen untereinander, mit der Zentrale und den Abnehmern sei Deutschland bislang führend, während russische Hersteller überwiegend Insellösungen anbieten könnten.

Anders als bei konventioneller Landtechnik, wo Moskau mit hohen Entsorgungsabgaben die Importe stark verteuert, sind digitale Technologien bislang noch nicht von Einfuhrbeschränkungen betroffen. Marktkenner gehen aber davon aus, dass einheimische Hersteller bevorzugt werden, sobald sie eine gewisse Marktreife erreicht haben.

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