Nach sechs Wachstumsjahren verzeichnete Schweden 2020 einen Rückgang der Bauleistung. Ein Trend, der auch 2021 fortwähren soll mit einer chancenreichen Ausnahme.
Wachstum nur im Tiefflug
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Im Hochbau begann die Trendwende bereits 2019, konnte aber noch vom sprunghaften Anstieg im Tiefbau aufgefangen werden. Dieser ließ 2020 aber ebenfalls leicht nach. Das Jahr 2021 begann für den Hochbau mit einem weiteren Knick, der Tiefbau zeigte im Januar aber wieder eine positive Tendenz. Dieses zwiespältige Bild soll auch im Gesamtjahr bestehen bleiben. Insgesamt geht der schwedische Bauverband Byggföretagen von einer negativen Geschäftsentwicklung 2021 aus. Eine Trendwende könnte laut Experten 2022 folgen.
Marktvolumen der Bauwirtschaft in Schweden (in Milliarden Euro, Veränderung in Prozent) 1)
Kennziffer | 2018 | 2019 | Veränderung 2019/18 2) |
Wert der Bauinvestitionen insgesamt, davon | 53,4 | 50,6 | -2,2 |
Wohnungsbau | 24,8 | 22,0 | -8,1 |
Neubauten | 13,8 | 11,2 | -16,0 |
Renovierungen | 8,6 | 8,6 | 3,3 |
Freizeithäuser | 0,9 | 0,7 | -19,3 |
Wirtschaftsbau | 19,2 | 19,0 | 2,3 |
öffentlich | 7,5 | 7,3 | 0,1 |
privat | 11,7 | 11,7 | 3,7 |
Infrastrukturbau | 9,4 | 9,5 | 4,8 |
öffentlich | 4,8 | 4,9 | 6,4 |
privat | 4,6 | 4,6 | 3,2 |
Wert der erbrachten Ingenieur-, Architektur- und Consultingleistungen | | | |
1) Umrechnung nach jeweiligem Jahresdurchschnittskurs der EZB - 2018: 1 Euro = 10,2583 Schwedische Kronen (skr), 2019: 1 Euro = 10,5891 skr; 2) auf Basis LandeswährungQuelle: Schwedischer Bauverband (Byggföretagen) 2021
Renovieren beliebter als bauen
Den Wohnungsbau belasten die in den letzten Jahren stark verschärften Kreditvergaberegeln. Nicht mehr möglich ist die vormals übliche "Bankmiete" - abgezahlt wurden nur die Zinsen, der Kredit selbst erst beim nächsten Eigenheimwechsel, was dank kontinuierlich wachsender Wohnungspreise kein Problem war. Zudem erschweren die Anforderungen an Eigenmittel vor allem jungen Erwachsenen den Zugang zu Krediten. Die im Zuge der Coronapandemie um ein Viertel gestiegene Arbeitslosenzahl dürfte die Kreditwürdigkeit weiter hemmen.
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Entsprechend wurden 2020 abermals Baugenehmigungen für weniger Wohneinheiten vergeben als im Vorjahr - um 5 Prozent. Gleichzeitig stieg aber die genehmigte Fläche leicht. Angesichts der wachsenden Homeoffice-Quote sehen Experten eine zunehmende Nachfrage nach mehr Wohnraum.
Ein weitaus wichtigerer Treiber des Wohnungsbaus waren laut dem Bauverband 2020 aber Mietwohnungen. Diese Investitionen dürften angesichts der Umstände 2021 sinken. Entsprechend wird für den Wohnungsbau ein Rückgang um etwa 4 Prozent erwartet.
Zulegen dürften weiter Renovierungen. Dafür wird oft die ungenutzte Reisekasse verwendet. Zusätzlich können pro Steuerzahler im Haushalt und Jahr bis zu knapp 5.000 Euro entsprechender Ausgaben steuerlich geltend gemacht werden. Und ab Sommer 2021 fördert der Staat die Energiesanierung.
Diese Möglichkeit besteht auch beim Ausgestalten des Freizeithauses. Die Sommarstuga gewann während der Pandemie ebenfalls an Zuspruch. Knapp 2.500 Baugenehmigungen wurden für sie erteilt - ein Zehntel mehr als 2019.
Zurückhaltende Unternehmen
Immobilieninvestitionen wurden laut einer Umfrage des schwedischen Statistikamtes SCB 2020 am stärksten von Unternehmen beschnitten. Vor allem der Handel und Dienstleister setzten hier den Rotstift an - die Kürzungen lagen jeweils bei etwa 15 Prozent. In 2021 und 2022 sollen Bruttoanlageinvestitionen insgesamt wieder wachsen - jeweils um 2 bis 4 Prozent. Antriebskraft wird allerdings der öffentliche Sektor. Die von SCB befragten Unternehmen planten für 2021 durchschnittlich 11 Prozent weniger Investitionsausgaben als im Vorjahr ein.
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Im Nachgang der Coronapandemie dürften weiterhin Projekte in Verbindung mit dem Onlinehandel verstärkt angegangen werden, darunter Logistikcenter. Dank der günstigen klimatischen Bedingungen sollte Schweden weiter Investoren aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien anziehen, die dort ihre Servercenter aufbauen. Entsprechende Projekte führen beispielsweise Microsoft und Facebook. Der hohe Anteil erneuerbarer Energien im Energiemix macht das Land - wie den Nachbarn Norwegen - für energieintensive Produktionsstätten, unter anderem für Batterien, interessant. Da diese vor allem in nördlichen, weniger besiedelten Landesteilen angesiedelt werden, fehlt es dort teilweise an Wohnfläche oder Dienstleistungen. Dies betrifft auch öffentliche Angebote im Schul- oder Pflegewesen, die landesweit ausgebaut werden und für die auch dank der Unterstützung der Zentralregierung weiterhin Mittel verfügbar sein sollten.
Einige Experten sprechen ferner von neuen Werksinvestitionen um Lieferketten zu verkürzen. Trotz gewisser Engpässe, die durch Corona aufgetreten sind, legen Umfragen allerdings nahe, dass nur wenige Unternehmen über eine Rückholung nachdenken.
Auch für Planungs- und Architektenbüros dürften hingegen die zahlreichen Projekte im Bereich der Stadtentwicklung interessant sein. Diese werden in Schweden ganzheitlich angegangen und umfassen die komplexe Gestaltung größerer Flächen - zu meist in ehemaligen Gewerbegebieten oder beispielsweise Häfen. Teilweise werden auch attraktive, bisher ungenutzte Flächen neu geplant - beispielsweise das in Stockholm geplante Bahnhofsviertel, das die Schienenwege überbauen soll. Hierfür werden internationale Wettbewerbe veranstaltet.
Das Licht am Ende des Tunnels
Angetrieben durch steigende Ausgaben der Regierung dürfte der Tiefbau in den kommenden Jahren zu den dynamischsten Bereichen im schwedischen Bauwesen zählen. Der großangelegte Ausbau der Windenergie und das fortschreitende Alter der bestehenden Netzinfrastruktur bedürfen hoher Modernisierungs- und Ausbauausgaben. So läuft beispielsweise in Stockholm das knapp 700 Millionen Euro große Netzvorhaben Stockholms ström.
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Modernisierungsbedürftig ist ebenfalls die Wasserversorgung. Der zuständige Verband Svenskt Vatten schätzt, dass die landesweiten Investitionen von heute jährlich 1,5 Milliarden Euro bis 2040 um mindestens 40 Prozent aufgestockt werden müssen. Auf der Agenda stehen dabei vor allem Erneuerungen, weniger neue Anlagen und Verbindungen.
Die in den letzten Jahren steigenden privaten Infrastrukturinvestitionen - hauptsächlich in See- und Flughäfen - werden an Fahrt verlieren. Bis die Coronafolgen für den Sektor nicht klarer definiert werden können, ist kaum mit neuen großen Vorhaben zu rechnen. Nichts ändern dürfte sich dagegen bei der Umsetzung des bereits 2018 beschlossenen Infrastrukturplans der Regierung. Dieser sieht bis 2029 Ausgaben von knapp 70 Milliarden Euro vor, jeweils etwa zur Hälfte für die Instandhaltung und den Ausbau der Schienen- und Straßeninfrastruktur.
Ausgewählte Großprojekte in Schweden (Investitionen in Millionen Euro)
Vorhaben | Investitionssumme | Projektstand | Projektträger |
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Feste Verbindung über den Öresund, Helsingborg/Helsingör | 7.544 | Machbarkeitsstudie abgeschlossen und den Regierungen Ende Januar 2021 übergeben | Weitere Informationen in der Projektdatenbank |
Abriss, Neu- und Umbau Krankenhäuser, Hudiksvall und Gävle | 681 | Baustart Ende 2021
| Weitere Informationen in der Projektdatenbank |
Vertiefung von Hafen und Fahrrinne, Luleå (in der Projektdatenbank veröffentlicht unter ID 615398) | 267 | Finanzierungsbeschluss der Regierung im Dezember 2021 erwartet | Weitere Informationen in der Projektdatenbank |
Verschiebung Containerhafen, Helsingborg | 247 | Absichtserklärung von Kommunal- und Stadtverwaltung im Januar 2021 unterschrieben | Weitere Informationen in der Projektdatenbank |
Neubau Stadtteil Forsåker, Mölndal | 247 | Detailplan wird voraussichtlich im Laufe 2021 rechtskräftig, Baustart kurz danach erwartet | MölnDala Fastighets
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Neubau Stadtteil Nöthagen, Nyköping | 30-49 | Baustart im Laufe 2021 | Weitere Informationen in der Projektdatenbank |
Neubau Kläranlage, Lidköping | 30-49 | Baustart voraussichtlich Ende 2021 | Weitere Informationen in der Projektdatenbank |
Wohngebiet, Kista Äng (Stadt Stockholm) | k.A. | Neuer Detailplan am im Februar angenommen | Weitere Informationen in der Projektdatenbank |
Stadtentwicklung, Solna | k.A. | Verkaufsstart der ersten Wohnungen im Februar 2021 | Weitere Informationen in der Projektdatenbank |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Mehr zu aktuellen Vorhaben in Schweden bietet unsere Projektdatenbank.
Von Michał Woźniak
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Stockholm