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Branchen | Slowakei | Wasserstoff

Die Slowakei positioniert sich beim Wasserstoff

Das Land präsentiert seine ersten Brennstoffzellenfahrzeuge. Eine nationale Strategie stellt wirtschaftspolitisch die Weichen für den Einsatz von Wasserstoff.

Von Miriam Neubert | Bratislava

Im slowakischen Pavillon auf der Expo in Dubai gab es Anfang Oktober 2021 eine Premiere: MH2, das erste Auto mit Wasserstoffantrieb aus der Slowakei, Produkt der Zusammenarbeit des Automobilzulieferers Matador Group und der Maschinenbaufakultät der Technischen Universität (TU) Košice. Das Konzept des spritzigen Sportwagens kündet davon, dass die Slowakei beim Thema Wasserstoff in den Startlöchern steht. "Wasserstoff ist die Zukunft, und wir wollen auf sie vorbereitet sein, da einer der Effekte seiner Einführung als Brennstoff eine bedeutende Emissionssenkung ist", sagte Wirtschaftsminister Richard Sulík.

Košice als Zentrum der Wasserstoffkompetenz

An der Fakultät für Maschinenbau der TU Košice beschäftigen sich Experten schon länger mit Wasserstofftechnologien und ihrer Anwendung im Verkehr. So entwickelte die Firma Rošero-P gemeinsam mit ihnen einen Prototyp eines Wasserstoffbusses.

Die beiden Fahrzeuge nannte der slowakische Koordinator für Wasserstofftechnologien, Juraj Sinay, auf dem Deutsch-Slowakischen Wirtschaftsforum in Bratislava als Beispiele, dass sein Land beim Thema Wasserstoff vorn mitspielen wolle. "Aktuell läuft die Anmeldung eines Patents für metallhydride Wasserstoffspeicher durch die Maschinenbaufakultät der TU Košice", sagte er auf der von der Auslandshandelskammer Slowakei organisierten Veranstaltung. Im Rahmen der Wasserstoffstrategie werde in der Stadt Košice ein Forschungszentrum für Wasserstofftechnologien entstehen.

Wasserstoffstrategie wird durch Aktionsplan ergänzt

Die Nationale Wasserstoffstrategie (Národná vodíková stratégia NVS), die die Regierung im Sommer 2021 verabschiedete, knüpft an die Europäische Wasserstoffstrategie für ein klimaneutrales Europa an. Sie steht unter dem programmatischen Titel "Bereit für die Zukunft". Ihre Umsetzung erfolgt über einen Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen. Dieser soll bis Ende 2021 vorliegen und die Dekarbonisierung von industriellen Prozessen, Energie und Verkehr mithilfe von Wasserstoff (H2) einleiten.

Das Ziel lautet, die Wettbewerbsfähigkeit der hoch industrialisierten Wirtschaft zu erhöhen und gleichzeitig zu einer kohlenstoffneutralen Gesellschaft gemäß dem Pariser Abkommen zu werden. Auch über die Landesgrenzen hinaus werden in der sich anbahnenden Wasserstoff-Revolution in Europa Chancen für slowakische Unternehmen gesehen - bei Infrastrukturaufbau, Technologien, der Einbindung in Netzwerke und in Projekte der Europäischen Union (EU).

H2-Produktion auch auf Basis von Atomstrom

Die Strategie liefert den Rahmen für den Einsatz von H2 in der gesamten Wertschöpfungskette – Erzeugung, Transport, Distribution, Speicherung, aber auch Forschung, Entwicklung und Herstellung von Materialien, Komponenten, Produkten. Dabei sollen die Bedingungen so gestellt sein, dass sie private Investoren anziehen. Die Mittel kommen aus einem Dutzend Programmen, die vor allem aus Fonds der EU, aber auch national finanziert werden.

Bei der Versorgung mit Wasserstoff lautet die Devise: So wenig Importe wie möglich, auch wenn es langfristig ohne sie nicht gehen wird. Das erfordert auf der einen Seite neue Kapazitäten von Strom aus erneuerbaren und emissionsarmen Energiequellen. Da bei Wind und Sonne nur begrenzte Potenziale gesehen werden, soll auch Strom aus den Reserven der Kernkraftwerke eingesetzt werden. Auf der anderen Seite geht es um den Bau von Elektrolyseuren und andere Produktionsformen.

Priorität hat die Deckung des heimischen industriellen Bedarfs. In Zukunft kann es im Wärmesektor zu einem teilweisen Ersatz von Erdgas kommen. So testet Erdgasdistributor SPP-distribúcia die Beimischung von bis zu 20 Prozent H2 im Vertriebsnetz.

Nationaler Jahresbedarf von 200.000 Tonnen 

Auf der Basis des aktuellen Verbrauchs wird geschätzt, dass bis 2030 jährlich etwa 200.000 Tonnen H2 verbraucht werden. Der Bedarf könnte bis 2050 auf bis zu 600.000 Tonnen steigen, davon 90 Prozent aus CO2-armen Quellen.

Es wird erwartet, dass vor allem Industrie und Verkehr die wachsende Nachfrage nach Wasserstoff bestimmen, perspektivisch auch der Energiesektor. Über seine Rolle als Chemiestoff hinaus kann er besonders in energieintensiven Produktionen als Energiespeicher und -träger zum Einsatz kommen. Aktuell wird Wasserstoff auf Basis fossiler Rohstoffe erzeugt. Das macht in Zukunft den Ersatz durch saubere Quellen oder eine Nachrüstung mit Technologien zur CO2-Abscheidung beziehungsweise -Verwertung nötig. Die slowakische Chemieindustrie ist mit ihrem Verbrauch von rund 200.000 Tonnen pro Jahr zugleich der größte Produzent grauen Wasserstoffs.

Für die Logistik des künftigen Marktes soll die Transport- und Distributionskapazität des Erdgasnetzes genutzt werden. Die Regierung prüft, inwieweit die Erdgasinfrastruktur bei freien Kapazitäten für den H2-Transport eingesetzt werden kann. Gesucht werden technologische Lösungen, um das Netz an die Marktentwicklung anzupassen.

Beim Wasserstoff als einer Energiequelle im Verkehr stehen wegen der Effizienz vor allem der öffentliche Verkehr und der Lkw-Fernverkehr im Vordergrund, aber auch Züge, Flugzeuge und Schiffe. Potenzial wird darüber hinaus bei Transporttechnik im Baugewerbe, der Land- und Forstwirtschaft sowie der Logistik gesehen.

Um die Wasserstoffmobilität in Gang zu bringen, stehen in der Slowakei zunächst sieben Tankstellen auf dem Plan. Die ersten beiden wurden vom Staat im Sommer 2021 ausgeschrieben und sollen bis Ende des Jahres in Betrieb gehen – eine stationäre in Bratislava und eine mobile im Raum Košice. Auch erste Wasserstofffahrzeuge wurden beschafft.

Brüssel prüft 16 slowakische IPCEI-Projekte

Auf den Aufruf, Vorhaben von gesamteuropäischen Interesse (IPCEI) einzubringen, waren bei der Slowakischen Innovations- und Energieagentur SIEA 32 Projekte eingegangen. Die Hälfte von ihnen liegt der Europäischen Kommission zur Bewertung vor.  

An der Wasserstoffstrategie war auch der Slowakische Wasserstoffverband NVAS beteiligt. Er vereint mehr als drei Dutzend Unternehmen, mehrere Universitäten und Institutionen.

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