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Rechtsbericht Spanien Coronavirus

Spanien: Coronavirus und Verträge

Die derzeit anhaltende Corona-Pandemie hat weitreichende wirtschaftliche Auswirkungen in Spanien, insbesondere auch auf bestehende Verträge.

Von Nadine Bauer | Bonn

Einleitung

Die Ausbreitung des Coronavirus führt weiterhin zu Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Dies kann auch dazu führen, dass Verträge nicht mehr wie geplant durchführbar sind oder die Durchführung sogar unmöglich wird. Dies betrifft den Waren- wie auch den Dienstleistungsverkehr gleichermaßen.

Um die Auswirkungen auf Verträge abschätzen zu können, gilt es zunächst, zu kontrollieren, welche Regelungen der konkrete Vertrag vorsieht. Trifft der Vertrag diesbezüglich keinerlei Aussagen, so ist auf die anwendbaren gesetzlichen Regelungen zurückzugreifen.

Individualvertragliche Regelungen

Rechtsgrundlage für das Vertragsrecht ist in Spanien das Zivilgesetzbuch (Código Civil). Verträge unterliegen grundsätzlich der Vertragsfreiheit, sie sind rechtlich verbindlich und verpflichten ihre Parteien zu deren Erfüllung (Artikel 1258 spanisches Zivilgesetzbuch). Sie dienen als Ausgangspunkt und die in ihnen getroffenen Regelungen haben grundsätzlich Vorrang vor gesetzlichen Bestimmungen: so auch im Falle einer außergewöhnlichen Situation. Hier gilt, dass bei vertraglicher Regelung, zum Beispiel in Form einer Force Majeure- beziehungsweise Höhere Gewalt-Klausel, diese den durch Gesetz getroffenen Bestimmungen vorgeht.

Maßgeblich zur rechtlichen Einschätzung ist ein direkter Blick in den Vertrag: Denn zum einen ist es erheblich einfacher, sich auf höhere Gewalt zu berufen, wenn der Vertrag ausdrücklich eine solche Klausel enthält. Zum anderen kann die Klausel je nach Vereinbarung der Parteien den Begriff der höheren Gewalt genauer bestimmen und beispielsweise konkrete Anwendungsfälle nennen.

Ob die durch den COVID19-Ausbruch verursachte Situation ein Ereignis höherer Gewalt darstellt, hängt von der jeweiligen Ausgestaltung einer entsprechenden Klausel ab. Es hat daher eine konkrete Betrachtung des Einzelfalles zu erfolgen, eine pauschale Beantwortung ist nicht möglich.

Höhere Gewalt im spanischen Recht

Die Rechtsfigur der höheren Gewalt ist in Artikel 1105 des spanischen Zivilgesetzbuches enthalten. Höhere Gewalt wird von den spanischen Gerichten als das Eintreten eines außerordentlichen und unvorhersehbaren Ereignisses verstanden, das auch bei Anwendung aller möglichen Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können. Das Ereignis darf nicht durch eine schuldhafte Handlung der Partei, die sich darauf beruft, eingetreten sein; es muss seinen Ursprung demnach außerhalb des Wirkungskreises der verpflichteten Partei haben.

Die Annahme höherer Gewalt kann unterschiedliche vertragliche Folgen haben:

  • Die Partei kann von jeglicher Haftung aus der Nichterfüllung des Vertrages befreit sein.
  • Die Partei kann von der Verpflichtung zu Erfüllung des Vertrages befreit sein (Artikel 1182, 1184 spanisches Zivilgesetzbuch).
  • Die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen kann zeitweise ausgesetzt werden, wenn die Auswirkungen nur vorübergehender Natur sind.

Ob die durch das Coronavirus verursachte Situation als höhere Gewalt einzustufen ist, hängt jeweils von den Auswirkungen auf das konkrete Vertragsverhältnis und davon ab, ob die Anforderungen der Unvorhersehbarkeit und Unvermeidbarkeit erfüllt werden.

Die rebus sic stantibus-Klausel

Eine weitere Möglichkeit, den Vertrag anzupassen oder sich sogar vom Vertrag zu lösen, ist die Berufung auf eine sogenannte rebus sic stantibus-Klausel. Dieses Rechtskonstrukt betrifft Fälle der Störung der Geschäftsgrundlage. Die gerichtliche Anwendung erfolgt allerdings nur sehr restriktiv.

Um eine Störung der Geschäftsgrundlage annehmen zu können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Das Eintreten einer außerordentlichen, unvorhersehbaren und nicht zurechenbaren Veränderung der Umstände zwischen Vertragsschluss und Erfüllungszeitpunkt, ein enormes Missverhältnis zwischen den von den Parteien zu erfüllenden Verpflichtungen sowie das Fehlen anderer vertraglicher Abhilfemaßnahmen. Eine rebus sic stantibus-Klausel greift demnach nur subsidiär.

Wird die Störung der Geschäftsgrundlage bejaht, so besteht das Recht auf Vertragsanpassung oder sogar auf Vertragsanfechtung, sofern dem Vertragspartner nicht mehr zugemutet werden kann, weiter am Vertrag festzuhalten.

Ob dieses rechtliche Konstrukt vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Pandemie greift, lässt sich ebenfalls nicht allgemeinverbindlich sagen, sondern ist einzelfallbezogen zu beurteilen.

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