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Special Kasachstan Solarenergie

„Da können Sie Stahl beim Größer und Kleiner werden zusehen“

Für kasachische Winter können Solartechnik und Baumaterial nicht nach deutschen Standards verbaut werden. Ingenieure müssen kreativ sein und auf lokale Expertise zurückgreifen.

Von Lukas Latz, Quentin Blommaert | Berlin, Bonn

Nach Informationen der European Bank for Reconstruction and Development (EBRD) investierte Goldbeck Solar in den 100-Megawatt-Solarpark in Saran rund 105 Millionen US-Dollar (US$). Der Solarpark erstreckt sich in der Steppe auf 20 Quadratkilometern.

Für Ingenieure ist das Klima in Kasachstan eine große Herausforderung. Im Jahr 2018 gab es in der Branche noch weniger Expertise dazu, wie gut Technologie in den kalten Steppenwintern und bei abrupten Temperaturschwankungen zurechtkommt.

SMA, ein nordhessischer Produzent von Solarwechselrichtern, nahm für das Projekt keinen Auftrag an, weil das Unternehmen nicht garantieren wollte, dass die Anlage bei minus 40 Grad funktioniert. „Ein großes technisches Problem der ganzen Region ist das Klima, vor allem Kälte“, erklärt Jan Stottko, Sales Manager Eastern Europe bei SMA, „für den Wechselrichter-Hersteller ist das kein Problem. Aber Kettenproblematiken können entstehen. Bei dem Goldbeck-Projekt waren wir noch nicht so weit, dass wir dort das Funktionieren bei minus-40-Grad garantieren konnten. Heute würden wir das tun. Diese Klima-Spezifizierungen werden auch für andere Märkte gefordert, die immer wichtiger werden: Polen, Ukraine, oder Kanada.“

Als Generalunternehmer war das Hamburger Unternehmen Enerparc für den Bau des Solarparks in Saran verantwortlich. In einem Interview erklärt Stefan Müller, Chief Operations Officer und Miteigentümer des Unternehmens, die Herausforderungen bei Planung und Bau:

Herr Müller, wie sind Sie an den Auftrag gekommen, den Solarpark in Saran zu bauen?

Wir hatten schon vorher in der Region gebaut, in Kasachstan, im Altai-Gebirge in Sibirien, in Belarus und in der Ukraine. Da kam Goldbeck Solar auf uns zu und hat uns gefragt, ob wir helfen können. Kasachstan ist extrem schwierig zum Beispiel von der technischen Seite her, weil Sie dort Temperaturschwankungen von minus 50 bis plus 30 Grad innerhalb von kürzester Zeit haben. Da können Sie Stahl beim Größer- und Kleinerwerden zuschauen. Da muss man eben ein bisschen mehr Erfahrung haben. Und die haben wir.

Stefan Müller, Enerpark AG Stefan Müller, Enerpark AG | © Enerparc AG

Braucht man bei diesem Klima spezielle Module?

Das sind alles Glas-Glas-Module gewesen. Normalerweise nimmt man Module mit einem Alurahmen drum herum. Aber Glas und Aluminium haben unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten. Bei starken Temperaturschwankungen kann es sein, dass das Modul das nicht mitmacht. Ein Glas-Glas-Modul kann mitwandern, wenn sich die Unterkonstruktion verändert.

Die Montage der Anlage zog sich in den Dezember. Wie war es im Winter auf der Baustelle?

Im Winter bei minus 30 Grad Solarmodule zu montieren ist nicht witzig. Wir haben jetzt vor Kurzem auch wieder riesige Schneestürme gehabt mit Schneewehen, wo Teile des Solarparks einfach verschwunden waren. Da machen Sie nichts mehr mit Schneeschiebern. Da brauchen Sie einen Megabagger. Es treten eine Menge Temperatur-Themen auf, die wir hier nicht kennen: Einen Kabelbinder zu finden, der weder bei plus 30 noch bei minus 50 Grad zerbröselt, ist gar nicht so leicht. Auch Kabel dürfen Sie bei minus 10 Grad nicht mehr verlegen, weil ansonsten ein Kabelbruch entstehen kann. Man baut deshalb kleine Hütten, die man auf 20 Grad heizt, verlegt das Kabel und schiebt die Hütte immer weiter. Also nicht nur, damit die Menschen dort vernünftig arbeiten können, sondern auch für das Material.

Man braucht wohl auch speziellen Beton, um die Haltesysteme zu fixieren?

Ja, das ist auch schwierig. Da ist dann der Vorteil, wenn Sie mit Lokalen arbeiten. Die wissen, was man braucht. Lokale Baufirmen haben auch anderes Gerät. Da ist alles ein bisschen größer und kräftiger. Ein deutscher Tiefbauer würde das nicht können.

Sie hatten zuvor schon viel in der Region gearbeitet. Ist die Kenntnis von Land, Kultur und Leuten wichtig für ein solches Projekt?

Ja. Wir haben auch russischsprachige Projektmanager an Bord. Wir haben einen ganz starken Partner: Rodina aus Kiew, der über 200 Leute mittlerweile an Bord hat und auch einen großen Maschinenpark. Der konnte über Belarus relativ schnell Rammmaschinen nach Kasachstan bringen, mit denen man die Unterkonstruktion im Boden befestigt. Diese Geräte gibt es in Kasachstan so nicht.

War es schwer, lokale Arbeitskräfte zu finden?

Das Schöne an der Fotovoltaik ist ja, dass sie nicht sonderlich komplex ist. Sie können relativ einfach 100 Leute auf die Baustelle kriegen und ihnen erklären, was zu tun ist. Natürlich müssen Sie Qualitätssicherung machen. Wir arbeiteten mit unseren Ingenieuren aus Deutschland und der Ukraine. Auch die Bauleiter kamen aus der Ukraine. Die haben dann Teams angeführt, die lokal gesourct wurden. Wir hatten zeitweise über 500 Leute auf der Baustelle. Im Umkreis von 100 Kilometern war jedes Hotel für sechs Monate ausgebucht. Es war schwer, einen Ort zu finden, wo die Monteure hin konnten. Wir haben Arbeiter dann privat untergebracht, sind da in einem Dorf herumgegangen. Die Dorfbewohner haben sich nebenbei gut Geld verdient.

Haben Sie Waren 'Made in Kazakhstan' benutzt?

Alles, was speziell mit den Modulen zu tun hat, also Unterkonstruktion und Wechselrichter, werden in der Regel importiert. Wir haben wirklich jede Schraube von Deutschland nach Kasachstan importiert, weil die Produkte in der Qualität, wie wir sie gebraucht haben, in Kasachstan nicht lieferbar waren.

Sie haben also gar nichts vor Ort gekauft?

Zäune, Kabel etc. kriegt man schon in der richtigen Qualität. Aber auch das ist nicht ganz leicht. Trafo-Station und Übergabestation werden in der Regel von den Leuten vor Ort hergestellt. Es muss ja auch nach den lokalen Standards zertifiziert werden. In solchen Ländern sind oft auch Firmen wie die französische Schneider Electric ansässig, die dann im Land eine eigene Fertigung für Trafos haben.

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