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Wirtschaftsumfeld
Special USA Coronavirus
In einigen Wirtschaftsbereichen keimt seit Juni 2020 Hoffnung auf. Erste Industriebranchen hoffen nun, zur Aufholjagd ansetzen zu können. (Stand: 11. Februar 2021)
Von Heiko Steinacher, Ullrich Umann | San Francisco, Washington, D.C.
Viele Menschen haben in den letzten Monaten deutlich mehr Waren im Internet bestellt als vor Ausbruch der Coronakrise, vor allem beim Onlineversandhändler Amazon. Aber auch andere Einzelhändler berichten in den letzten Monaten über eine Flut von Onlinebestellungen, wodurch neue Herausforderungen insbesondere für die "Letzte-Meile"-Logistik entstehen. Auch wenn „Social Distancing“ nur eine vorübergehende Erscheinung sein wird, könnte die Verlagerung zum Onlineshopping anhalten. Für Präsenzhändler wie Nordstrom, Macy's und Kohl's ist diese Entwicklung katastrophal: Sie schließen Geschäfte und entlassen Mitarbeiter, da der traditionelle Einkauf zum Erliegen kam.
Für den Lebensmitteleinzelhandel stellt sie vor allem Herausforderungen an die Handelslogistik. Einige, darunter die deutsche Discounterkette Aldi, expandieren sogar derzeit stark in den USA, trotz Coronakrise.
Für die Luftfahrt- und Autobranche ist das Coronavirus ebenfalls ein sehr harter Einschnitt. Neben der Gefahr eines Virusausbruchs muss die US-Autoindustrie auch auf Unterbrechungen in der Teileversorgung, insbesondere aus Mexiko, gefasst sein. So musste unter anderem Daimler bereits in der zweiten Maihälfte 2020 wegen Lieferengpässen die Arbeit in seinem US-Montagewerk in Tuscaloosa, Alabama, wieder stoppen. Immerhin sind die Umsätze vieler Hersteller im 3. und 4. Quartal 2020 nicht ganz so stark gesunken wie zuvor befürchtet. Ford erwartet 2021 sogar einen Gewinn von 8 bis 9 Milliarden US$, nach einem Verlust 2020 in Höhe von 1,3 Milliarden US$.
Zusätzliche Auswirkungen durch das am 1. Juli 2020 in Kraft getretene NAFTA-Nachfolgeabkommen USMCA (United States-Mexico-Canada-Agreement) speziell auf die Kfz-Industrie hat Germany Trade & Invest in einem Webinar analysiert.
Auch die chemische Industrie leidet unter den Entwicklungen. Denn die Automobilbranche zählt zu ihren wichtigsten Kunden, zum Beispiel bei Lacken und Kunststoffen. Außerdem hinkt der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos dem Bedarf hinterher. Beflügelt durch Aussagen des neuen US-Präsidenten Joe Biden, der den Ausbau der Elektromobilität in Aussicht stellt, halten viele Autobauer aber an ihren Investitionen in neue Elektroautos in den USA fest.
Besonders stark in der US-Chemie betroffen sind Petrochemikalien: Eine Konsolidierung im Petrochemiebereich scheint unausweichlich. Auch wenn es angesichts der starken Einbrüche zu Beginn der Coronakrise nicht überbewertet werden darf, so hat sich der Auftragseingang in der US-Chemie ab Juni 2020 zumindest wieder ein Stück weit erholt. Im Vergleich zur Vor-Krisen-Zeit verzeichneten bei Chemie seither aber nur Desinfektionsmittel, Kunststoffe für Verpackungen und Synthetik für Schutzausrüstung nennenswerte Zuwächse; auch die Bauchemie könnte 2021 an Fahrt gewinnen.
Bei einigen medizinischen Geräten und Zubehör ist die US-Nachfrage im Moment gewaltig. Gerade in den USA, dem Land mit der weltweit höchsten Zahl an Infizierten, ist der Bedarf an Schutzausrüstungen für den medizinischen Einsatz enorm gestiegen. Die US-Aufsichtsbehörde FDA (Food and Drug Administration) hat seit Krisenausbruch eine Reihe von Notfallzulassungen erteilt. Dadurch kamen relativ schnell neuartige Beatmungsgeräte, Testkits und Testimpfungen auf den Markt. Für bestimmte medizinische Produkte wurden Importerleichterungen erlassen. Mitte November haben wir gemeinsam mit unserem US-Partner Alira Health über Herausforderungen und Chancen in der US-Gesundheitswirtschaft gesprochen; hier der Link zum Webinarmitschnitt.
Anlass für verhaltenen Optimismus geben Nachfragebelebungen unter anderem nach Werkzeugmaschinen sowie Komponenten und Zubehör. Der Purchasing Manager´s Index (PMI), den das Institute for Supply Management (ISM) aus Umfragewerten unter Einkaufsleitern in Industriebetrieben erstellt, sorgt ebenfalls für positive Stimmung. Demnach ist der PMI im Dezember 2020 im Vergleich zum Vormonat um 3,2 Prozentpunkte auf 60,7 Prozent gestiegen. Damit rückte der Index den achten Monat in Folge nach oben. Von 18 durch ISM untersuchten Industriezweigen vermeldeten 16 im Dezember Wachstum. Rückgänge verzeichneten lediglich die Druck- und Baustoffindustrie.
Mit dem zu erwartenden Wirtschaftsaufschwung im Jahr 2021 wird die Nachfrage nach modernen Maschinen und Anlagen anziehen. Im verarbeitenden Gewerbe gilt es mehr denn je, Effizienzsteigerungen durch Innovationen und unter Einhaltung aller pandemiebedingten Sicherheitsstandards zu erzielen. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die Digitalisierung und Automatisierung der Fertigungs-, Lager- und Logistikprozesse.
Selbst der US-Mittelstand, der sich in der Vergangenheit eher zögerlich mit Innovationen beschäftigte, sucht spätestens seit der Wirtschaftskrise 2020 nach neuen Wegen, um seine Fertigungsqualitäten zu wettbewerbsfähigen Preisen zu erhöhen. Gleichzeitig wollen die Mittelständler flexibler auf Nachfrageveränderungen reagieren können. Für deutsche Hersteller von Automatisierungslösungen vergrößert sich dadurch der Kreis potenzieller Kunden.
Zwar müssen die Energieerzeuger aus erneuerbaren Quellen in Zukunft ohne nennenswerten staatlichen Hilfen auskommen, denn eine Verlängerung der steuerlichen Förderung über das Jahr 2021 hinaus scheiterte bislang am Widerstand der republikanischen Senatsfraktion. Wie Marktindikatoren jedoch zeigen, werden Projekte der Photovoltaik, Windkraft und des Ausbaus von Energiespeichern unbeachtet des steuerlichen Aspekts fortgeführt. Sinkende Installations- und Betriebskosten sowie umweltpolitische Vorgaben der Biden-Regierung sind hierfür die ausschlaggebenden Argumente.