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Wirtschaftsumfeld | Kanada | Lieferketten

Lieferkettenprobleme stören Kanadas Erholung

Trotz abebbender Coronabeschränkungen erholt sich die kanadische Wirtschaft langsamer als erwartet. Probleme in den Lieferketten der Industrie drücken das Wirtschaftswachstum.

Von Daniel Lenkeit | Toronto

In vielen Branchen in Kanada führt die anhaltende Pandemie zu Problemen bei der Beschaffung. Knappes Material (Halbleiter, Kunststoffe, Baustoffe etc.) erschwert das Geschäft vieler Firmen. Zudem steigen die Kosten für Materialpreise und Logistik zum Teil rasant. Das bestätigt eine Umfrage im Netzwerk der deutsch-kanadischen Industrie- und Handelskammer (AHK Kanada): Über 90 Prozent der befragten Mitglieder beklagen Lieferschwierigkeiten und gestiegene Vorproduktpreise.

Frachtkosten sind enorm gestiegen

Vor allem die Transportkosten stiegen im letzten Jahr beachtlich. Unternehmen und Verbände berichten von vier- bis sechsmal höheren Kosten für Containertransporte. Betroffen ist maßgeblich das verarbeitende Gewerbe, von Technologieunternehmen bis Kfz- und Kfz-Teile-Produzenten.

Im 2. Quartal 2021 verzeichnete Kanada den ersten Rückgang (zum Vorquartal) seines Bruttoinlandsprodukts seit Beginn der Coronakrise 2020.  Verbleibende Einschränkungen zur Sicherung des Gesundheitsschutzes belasten viele Branchen. Hartnäckige Lieferkettenstörungen verhindern die Rückkehr zu voller Stärke allerdings noch stärker.

Globale Halbleiterengpässe treffen Kanadas Automobilindustrie

Vor allem die für Kanada wichtige Automobilindustrie leidet stark unter der Halbleiterkrise. Im Zuge der Pandemie hatten die meisten Kfz- und Kfz-Teile-Produzenten ihre Mikrochipbestellungen drastisch reduziert. Gleichzeitig stieg der Bedarf an Halbleitern in anderen Branchen, etwa der Unterhaltungselektronik. Die Kfz-Industrie rutschte in der Prioritätenliste der Halbleiterproduzenten nach unten. Die Auswirkungen sind noch immer spürbar. 

Kanadas Automobilproduzenten mussten bereits in den vergangenen Monaten ihre Produktion wegen Halbleitermangels drosseln. General Motors kündigte Anfang September 2021 an, dass die anhaltende Beschaffungskrise auch im laufenden Monat zu Produktionsausfällen in den meisten seiner nordamerikanischen Werke führen wird. Das CAMI-Werk in Ingersoll, Ontario ist davon ebenfalls betroffen.

Aus den gleichen Gründen wird Ford die Produktion leichter Nutzfahrzeuge reduzieren. Toyota kündigte bereits im August eine Kürzung seiner für September geplanten globalen Produktion um 40 Prozent an. Toyota und Ford produzieren beide auch in Kanada.

Dem Tech-Sektor fehlen die Vorprodukte

Nicht nur die Kfz-Industrie, sondern auch kanadische Technologieunternehmen haben weiterhin Lieferkettenprobleme. Ein Beispiel ist Voltera, das Leiterplatten im 3D-Druck herstellt. Vor der Pandemie nutzte die Firma den zivilen Luftverkehr für die Beschaffung aus Übersee. Nach der Einstellung vieler Flugstrecken sattelte sie auf Containerschifffahrt um, deren Transportpreise in kurzer Zeit explodierten. Schließlich konnte Voltera bestimmte Teile (Kunststoff, Halbleiter) nicht mehr beschaffen und kämpft nun darum, verlorene Umsätze wettzumachen.

Auch Konsum- und Freizeitgüter beeinträchtigt

Betroffen sind auch einige Groß- und Einzelhändler, die Produkte aus Asien beziehen. Sie können aufgrund gestiegener Transport- und Lagerkosten ihre Margen nicht halten und geben höhere Kosten entweder weiter oder verlieren ihr Geschäft.

Selbst Unternehmen, die in Kanada beispielsweise Freizeitausrüstung wie Kajaks und Kanus herstellen, also in einer Branche tätig sind, deren Produkte in der Pandemie stärker nachgefragt werden, müssen sich umstellen. Trotz gestiegener Aufträge und Umsätze müssen die Firmen höhere Preise für Kunststoffe und Lieferkosten abfedern und gleichzeitig langfristiger für Nachschub planen.

ClearWater Design aus Ontario zum Beispiel hat sein Steuerungskonzept in der Pandemie schnell aufgegeben. Die Geschäftsführerin gibt an, dass sie Teile für ihre Boote acht statt einen Monat im Voraus bestellen muss. Die Zeiten der Just-in-time-Produktion seien längst Geschichte, sagt sie, und ClearWater hielte den Großteil seiner Vorprodukte für 2022 bereits auf Lager.

Beschaffungsnetzwerke werden digitalisiert und regionaler

Die Probleme der Automobilindustrie aufgrund der engen Halbleiterversorgung werden wohl bis mindestens Ende 2021 anhalten. Einige Analysten und OEMs sind pessimistischer und glauben, die Beschaffungsprobleme werden sich 2022 fortsetzen und die Kfz-Produktion negativ beeinflussen. In der Folge könnten Erstausrüster zukünftig eine stärkere Integration in ihrer Zulieferkette anstreben und direkte Verbindungen zu Lieferanten der zweiten und dritten Ebene aufbauen. 

Viele kanadische Unternehmen werden versuchen, sich besser auf globale Schocks wie Covid-19 vorzubereiten. Dazu gehört auch, Lieferketten und deren Management zu prüfen. In den vergangenen Jahrzehnten lag der Fokus auf Lieferkettenoptimierung. Dies minimierte Kosten und Lagerhaltung und maximierte die Ressourcenauslastung. Flexibilität, um externe Schocks auszugleichen, ging jedoch verloren. Neue digitale Technologien, die das Management komplexer Beschaffungsprozesse vereinfachen und somit Störungen kleinteiliger Lieferketten schneller sichtbar machen, könnten die nötige Flexibilität bieten.

Der Ausbau von digitalen Liefernetzwerken zur Abfederung von Schocks benötigt eine weitgehende Digitalisierung in den Unternehmen. Hier hat Kanada viel aufzuholen. Dazu sind der Ausbau eines 5G-Netzes und die Vernetzung von intelligenten Produkten mit digitalen Liefernetzwerken entscheidend. Eine massive Datensammlung entlang der Lieferketten und dahinter geschaltete Echtzeitanalysen wären notwendig, um Schocks frühzeitig zu erkennen und idealerweise automatisch mit intelligenten Netzwerken zu reagieren.

Unternehmen, die der Staat in der Krise gestützt hat, dürften zukünftig stärker auf Resilienz bauen. Einige Firmen werden vorsichtiger globalisieren. Für Lieferketten könnte diese neue Ausrichtung weniger Komplexität sowie weniger Just-in-time-Produktion und minimale Lagerhaltung bedeuten; stattdessen mehr lokale Versorgung (soweit möglich). Dazu passen Stimmen aus den Provinzen, bei essenziellen Gütern zur medizinischen Versorgung wieder autarker zu werden.

Investitionsumfeld Kanada

Informationen zum Wirtschaftsstandort und zu den allgemeinen Rahmenbedingungen in Kanada bieten unter anderem die folgenden GTAI-Publikationen:

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