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Die Weltbank erwartet für 2020 in Subsahara-Afrika einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um bis zu 5,1 Prozent. Es wäre die erste Rezession seit einem Vierteljahrhundert.
14.05.2020
Von Wolfgang Karg | Bonn
Nach einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent im Jahr 2019 in Subsahara-Afrika sorgt die aktuelle Krise für einen Rückschlag. "Die Covid-19-Pandemie testet die Grenzen der Gesellschaften und Volkswirtschaften auf der ganzen Welt, und die afrikanischen Länder werden wahrscheinlich besonders hart betroffen sein", sagt Hafez Ghanem, Vizepräsident der Weltbank für Afrika. Die drei größten Volkswirtschaften der Region bekommen die Krise besonders zu spüren: In Nigeria, Angola und Südafrika wird das Bruttoinlandsprodukt deutlich sinken. Allein in Südafrika wird im laufenden Jahr ein Rückgang von mindestens 5,8 Prozent erwartet.
Land | 2020* | 2021* |
Angola | -1,4 | 2,6 |
Äthiopien | 3,2 | 4,2 |
Cote d'Ivoire | 2,7 | 8,7 |
DR Kongo | -2,2 | 3,5 |
Ghana | 1,5 | 5,9 |
Kenia | 1,0 | 6,1 |
Nigeria | -3,4 | 2,4 |
Südafrika | -5,8 | 4,0 |
Neben der Pandemie sorgt der stark gefallene Ölpreis besonders in Nigeria und Angola für Einnahmeausfälle. 40 Prozent der afrikanischen Exporte entfallen auf die Erdölindustrie. Neue ehrgeizige und teure Förderprojekte wie vor der Küste Westafrikas dürften aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit zurückgeworfen oder ganz aufgegeben werden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass das Bruttoinlandsprodukt der vom Erdölexport abhängigen Länder in Subsahara 2020 mindestens um 2,8 Prozent sinken wird. Die von Ölimporten abhängigen Länder Afrikas dagegen profitieren von den gefallenen Rohölpreisen.
Aufgrund der weltweiten Reisebeschränkungen ist der Tourismus nicht nur in Südafrika als weitere wichtige Einnahmequelle vorerst praktisch zum Erliegen gekommen. Vielen Hotels, Restaurants und Touranbietern droht dort das Aus. Auch andere populäre Reiseziele südlich der Sahara wie Kenia, Tansania und Namibia spüren die Folgen, ebenso wie kleinere vom Tourismus abhängige Länder und Inselstaaten wie die Kapverden, Komoren, Gambia, Mauritius, São Tomé und Príncipe sowie die Seychellen. Diese Länder werden nach Angaben des IWF 2020 einen Rückgang des BIP in Höhe von 5,1 Prozent verzeichnen.
Nach Schätzungen der Weltbank könnten die Folgen der Pandemie und der Ölpreisverfall die Region in diesem Jahr umgerechnet zwischen 35 und 75 Milliarden Euro an Produktionsverlusten kosten. Dennoch sind die einzelnen Länder, Regionen und Branchen unterschiedlich stark betroffen. Einige wenige Rohstoffe wie Gold als Krisenwährung und Uran für die Energieproduktion erzielen im Frühjahr 2020 teilweise Höchstpreise.
Einzelne Industrien, wie etwa die Autoindustrie in Marokko und Südafrika, waren dagegen stark betroffen. Einzelne Lieferketten sind unterbrochen, viele Unternehmen leiden unter rückläufiger Nachfrage aus Absatzländern in Europa, Amerika und Asien.
Außerdem führte die weltweite Krise zu einem deutlichen Rückgang bei den Überweisungen, die Millionen Expats aus Europa, den USA und Asien an ihre Familien in Afrika senden. Aber milliardenschwere Hilfsprogramme der Regierungen sowie internationaler Geldgeber sind auf den Weg gebracht. Insgesamt sorgt die Pandemie zwar für eine gefährliche Mischung von Problemen, aber für das Jahr 2021 prognostizieren Weltbank und IWF eine Erholung der Wirtschaft Afrikas.
Zu Panik und apokalyptischen Einschätzungen bestehe kein Anlass, sagt David Schwake. Der Generalsekretär der Deutschen Afrika Stiftung hat lange als Diplomat auf dem Kontinent gearbeitet. "Wir sehen, dass die Länder Afrikas die Krise ernst nehmen. Es gibt kein Kleinreden der Seuche. Sie sind bereit, sich über die Afrikanische Union zu koordinieren." Frühzeitiger und entschlossener als viele Länder in Europa und Amerika habe man mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens reagiert. Individuelle Schutzmaßnahmen wie durch selbst gefertigte Masken seien vielerorts klaglos umgesetzt worden. Denn die Erfahrungen mit Erregern wie Ebola und Malaria sei tief im Bewusstsein der Bevölkerung verankert.
Gleichzeitig sei man sich der Mängel der eigenen Gesundheitssysteme und oft prekären Lebensumstände sehr wohl bewusst. "Vielleicht ist das eine gewisse Chance, dass sich die Geber in Zukunft noch stärker auf Gesundheitssysteme Afrikas konzentrieren“, sagt Schwake. Entscheidend sei nun, wie sich die Infektionszahlen in Subsahara-Afrika weiter entwickeln.
Während einige Länder Afrikas bereits die sozialen und wirtschaftlichen Einschränkungen lockern, haben andere den Höhepunkt der ersten Infektionswelle noch nicht erreicht. Die Zentren vieler Städte wurden zwar abgeriegelt. Aber die Menschen in Armenvierteln und auf dem Land gehen häufig weiterhin ihrem Alltag nach, wenn auch unter Auflagen. Denn für diese Menschen in der informellen Wirtschaft hat die tägliche Sicherung des Lebensunterhalts Priorität. Covid-19 gilt hier als Krankheit des weißen Mannes und der nationalen Eliten. Aber der Fallout der Pandemie droht eine Abwärtsspirale auszulösen aus Arbeitslosigkeit, Versorgungsengpässen, Inflation, Kriminalität und politischer Gewalt. Diese gelte es besonders in Afrika zu verhindern.
"Zusätzlich zu den Eindämmungsmaßnahmen haben wir gesehen, dass sich die Länder bei der Reaktion auf Covid-19 für eine Kombination aus fiskal- und geldpolitischen Notfallmaßnahmen entscheiden, wobei viele Zentralbanken in der Region wichtige Maßnahmen wie Zinssenkungen und außerordentliche Liquiditätshilfen ergreifen", sagt Albert Zeufack, Chefökonom für Afrika bei der Weltbank. Wichtig sei , dass die Fiskalpolitik afrikanischer Regierungen Raum für soziale Schutzmaßnahmen schaffe, besonders im informellen Sektor. "Die Jugendlichkeit der Bevölkerung und die Vernetztheit, der Zusammenhalt der Bevölkerung, sowie die Solidarität innerhalb der Familie kann sich als Stärke zeigen", sagt Generalsekretär Schwake.