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China baut Stellung als Pharma-Wirkstoffanbieter aus

Die Volksrepublik ist nicht nur führender Anbieter von aktiven pharmazeutischen Wirkstoffen (API), sondern auch wichtiger Markt für Fertigarzneimittel - gerade für deutsche Firmen.

Von Roland Rohde | Hongkong

China beherbergt den zweitgrößten Pharmamarkt der Welt. Er dürfte in den nächsten Jahren und Jahrzehnten kräftig wachsen. Einerseits gibt es bei der medizinischen Versorgung noch ordentlich Nachholbedarf. Die gesamtwirtschaftlichen Gesundheitsausgaben beliefen sich 2019 nach Angaben des lokalen Statistikamtes auf 6,6 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Entwickelte Länder kommen in der Regel auf eine doppelt so hohe Quote. Zugleich wird die Lebenserwartung weiter steigen.

Einheimische Firmen dominierenden bei Generika und weniger modernen Präparaten das Geschehen. Die Markteintrittsbarrieren für ausländische Firmen sind hoch. Doch in bestimmten Produktsegmenten, insbesondere bei forschungsintensiven Medikamenten, gibt es teils keine chinesischen Alternativen. Darüber hinaus besteht großes Misstrauen in der Bevölkerung bezüglich der Wirksamkeit und Reinheit vieler lokaler Produkte.

Industrie strebt höheren lokalen Marktanteil an

Es gibt im Fertigarzneimittelbereich das Bestreben nach einer höheren Autarkie. Mit anderen Worten: Die lokale Industrie ist zunächst bestrebt, ihren Marktanteil im Inland zu erhöhen. Laut Statistikamt existierten 2019 in der Volksrepublik knapp 7.400 größere pharmazeutische Hersteller. Dazu zählen Unternehmen ab einem Jahresumsatz von umgerechnet 2,9 Millionen US-Dollar (US$). Exporte spielen für die Branche traditionell eine vergleichsweise geringe Rolle.

Chinas Pharmaindustrie im Überblick (2019) *)

Anzahl Unternehmen

7.392

Umsatz (in Mrd. US$)

345,7

Gewinn (in Mrd. US$)

45,5

Exporte (2020, in Mrd. US$)

42,1

Anzahl Mitarbeiter (in Mio.)

2,0

*) alle Werte außer Exporte beziehen sich auf Unternehmen ab 2,9 Millionen US-Dollar JahresumsatzQuelle: Nationales Statistikamt; International Trade Centre

So beliefen sich die Ausfuhren von Fertig- und Halbfertigprodukten 2020 laut dem International Trade Centre (ITC) auf knapp 10 Milliarden US$. Sie waren damit im Vergleich zum Vorjahr um ganze 55 Prozent gestiegen. Das Plus ist vor allem auf das boomende Auslandsgeschäft mit Covid-19-Vakzinen zurückzuführen. Ohne diese Position lag der Zuwachs nur bei knapp 10 Prozent.

Die Exporte von aktiven pharmazeutischen Wirkstoffen (API), auch Inhaltsstoffe oder Grundstoffe genannt, und Vorprodukten stiegen 2020 um 9 Prozent auf gut 32 Milliarden US$. Der tatsächliche Wert dürfte noch etwas höher liegen, weil mehrere kleinere Zollpositionen nicht darin enthalten sind. Laut Schätzung der Weltgesundheitsbehörde WHO kommt die Volksrepublik bei pharmazeutischen Wirkstoffen auf einen weltweiten Marktanteil von einem Fünftel.

Deutschland wichtigster Zulieferer von Fertigprodukten

Während das Reich der Mittel bei API einen großen Handelsüberschuss erzielt, sieht es bei fertigen und halbfertigen Arzneiwaren genau umgekehrt aus. So importierte das Land 2020 entsprechende Produkte im Wert von nahezu 35 Milliarden US$, ein Plus von 4 Prozent gegenüber 2019. Die Einfuhren aus Deutschland, dem wichtigsten Lieferanten, summierten sich dabei auf 9 Milliarden US$ (+2 Prozent zum Vorjahr).

Chinas Pharmahandel im Überblick (2020, in Milliarden US-Dollar)

Exporte

Importe

Überschuss/Defizit

Insgesamt

42,1

42,3

-0,2

  Wirkstoffe (API) und Vorprodukte 1)

32,3

7,7

24,6

  Halbfertig- und Fertigwaren 2)

9,8

34,6

-24,8

1) Wirkstoffe (API) und Vorprodukte: HS-Pos. 2922, 2924.29, 2932 bis 2941, 3001; 2) Halbfertig- und Fertigwaren: HS-Pos. 3002 bis 3004, 3006Quelle: International Trade Centre

Laut dem Marktforschungsunternehmen IBISWorld belief sich der Umsatz der pharmazeutischen Wirkstoffindustrie Chinas 2020 auf 91,7 Milliarden US$, was einem Plus von 6,5 Prozent gegenüber 2019 gleichkam. Der Zuwachs lag damit deutlich über der durchschnittlichen Rate des Zeitraums 2015 bis 2020 von 3,2 Prozent. Er dürfte vor allem auf die stark gestiegene Nachfrage vonseiten der Impfstoffhersteller zurückzuführen sein.

Wirkstoffsparte produziert überwiegend für lokalen Markt

Insgesamt zählen die Analysten in Chinas pharmazeutischer Wirkstoffindustrie knapp 5.000 Firmen mit einer halben Million Beschäftigten. Größte Anbieter sind die North China Pharmaceutical Group Aino, Northeast Pharmaceutical Group, Zhejiang NHU, Yifan Pharmaceutical und Shijiazhuang Pharmaceutical. Die Branche hat sich - neben der Herstellung von klassischen Wirkstoffen - vor allem auf die Produktion von Vitaminen und Mineralien, Analgetika, Antipyretika, Hormone, Enzyme, antiseptische Mittel sowie Zusätze für Arzneien spezialisiert.

Der Ausstoß an Wirkstoffen und Vorprodukten ist überwiegend für die einheimische Industrie bestimmt. Immerhin liegt hier die Exportquote wesentlich höher als in der Fertigproduktsparte. Die meisten Ausfuhren gehen nach Indien. Der Subkontinent soll 70 Prozent seiner API aus der Volksrepublik beziehen. Auch in den USA, dem zweitwichtigsten Exportmarkt, besteht eine hohe Abhängigkeit von chinesischen Zulieferungen. Für Japan stammen die Hälfte der importierten Wirkstoffe aus Südkorea oder China.

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Hohe Lieferabhängigkeit nur bei bestimmten Produkten

Deutschland kam 2020 auf Rang vier der wichtigsten Abnehmermärkte Chinas für pharmazeutische Wirkstoffe und Vorprodukte. Allerdings waren die entsprechenden deutschen Importe aus der Volksrepublik mit fast 1,7 Milliarden US$ nicht besonders umfangreich. Das entsprach einem Lieferanteil von lediglich knapp 7 Prozent. Es gibt aber in einigen Produktsparten eine um das Vielfache höhere Quote und damit Abhängigkeit, unter anderem bei Vitaminen und Koffein, Heparin, Kortison, bestimmten Antibiotika (Tetrazykline, Chloramphenicol), einigen heterozyklischen Verbindungen (Benzothiazol, Barbitursäure, Phenazon, Lactone), sowie Aminen (Aminophenole, Lysin).

Chinesischer Lieferanteil bei ausgewählten Pharmaprodukten (in Prozent) 1)

Produkte (HS-Pos.)

2020

Barbitursäure (2933.52)

99,2

Chloramphenicol (2941.40)

92,7

Phenazon (2933.11)

83,4

Koffein (2939.30)

80,6

Benzothiazol (2934.20)

65,9

Heparin (3001.9091) 2)

64,0

Vitamine (2936)

63,1

Tetrazykline (2941.30)

59,0

Kortison, Prednison (2937.21)

56,9

Aminophenole (2922.29)

52,5

1) Deutschlands Importe aus China im Vergleich zu den Gesamtimporten der jeweiligen Position; 2) 2019Quelle: Internationale Trade Centre

Da die Zeichen in der chinesischen Pharmaindustrie langfristig auf Wachstum stehen, engagieren sich auch ausländische Unternehmen stärker. Nach Einschätzung von Moody's können insbesondere internationale Branchenfirmen mit starker lokaler Präsenz (eigene Fertigung, gut etablierte Vertriebskanäle) profitieren. Gleiches gilt für Spezialhersteller auf den Gebieten innovative Arzneimittel und Krebsbehandlung, Impfungen und seltene Krankheiten.

Ausländische Firmen verstärken ihr Engagement

Zuletzt kündigte im November 2019 der amerikanische Biotechnologie- und Pharmakonzern Amgen an, einen Anteil von 20,5 Prozent an der führenden chinesischen Biotechfirma BeiGene erwerben zu wollen. Mit einem Umfang von 2,7 Milliarden US$ wäre es der bislang größte Deal im chinesischen Pharmasektor. Schon seit vielen Jahren erfolgreich mit Produktionsstätten in China vertreten sind deutsche Firmen wie Bayer, Merck oder Boehringer Ingelheim.

Insgesamt zeigt sich, dass Investitionen in China vor allem darauf abzielen, einen besseren Zugang zu dem abgeschirmten lokalen Markt zu erhalten. Lohnkostenvorteile spielen eine eher geringe Rolle, da die Produktion zumeist hochautomatisiert ist. Zudem spricht ein ernsthafter Facharbeitermangel aus Sicht der Personalabteilung eher gegen ein Engagement in der Volksrepublik. Dafür gibt es handfeste Vorteile im administrativen Bereich. So sind die Vorschriften bei klinischen Tests weniger streng als etwa in der Europäischen Union. Investitionen in Forschung und Entwicklung lassen sich so schneller in echte Ergebnisse ummünzen.

Deutsche Einfuhr ausgewählter Pharmachemikalien aus China (in Millionen US-Dollar, Veränderung in Prozent)

Produktgruppe (HS-Pos.)

2010

2019

2020

Veränderung 2019/2010

Wirkstoffe (API) und Vorprodukte *)

1.357,9

1.583,3

1.673,4

16,6

 Amine (2922)

97,9

222,5

239,2

127,3

 Zyklische Amide (2924.29)

34,0

36,1

47,4

6,2

 Heterozyklische Verbindungen (2932, 2933)

310,4

553,0

496,7

78,2

 Nucleinsäuren (2934)

50,4

177,1

205,1

251,4

 Sulfonamide, Antibiotika (2935, 2941)

145,6

91,9

98,2

-36,9

 Vitamine, Mineralien (2936)

442,9

313,4

409,4

-29,2

 Hormone, Prostaglandine, Thromboxane (2937)

16,9

52,3

45,9

209,5

 Glykoside, Alkaloide, chem. reiner Zucker (2938, 2939, 2940)

25,2

47,6

49,2

88,9

 Drüsen und andere Organe, Heparin (3001)

234,6

89,4

82,3

-61,9

Halbfertig- und Fertigwaren

101,6

116,0

361,8

14,2

  Vakzine, Antisera, Toxine, zubereitetes Blut (3002)

4,0

16,2

232,0

305,0

  Arzneiwaren (3004, 3005)

68,6

60,7

96,3

-11,5

  Zubereitungen pharm. Art (3006)

29,0

39,1

33,5

34,8

*) Wert weicht vom spiegelbildlichen Wert im vorhergehenden Diagramm "Chinas wichtigste Exportmärkte" ab, vermutlich wegen unterschiedlicher Zollerfassung; die Zolltarifpositionen sind gleichQuelle: International Trade Centre

Informationen zu Branche und Standortfaktoren in China

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