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Indien möchte Export-Hub für Kfz-Teile werden
Neue Subventionen sollen die lokale Produktion stärken und Importe reduzieren. Die Branchenausfuhren nach Deutschland sind bislang gering, steigen aber an.
14.04.2021
Von Florian Wenke | Bonn
Indien ist keine Unbekannte auf der Landkarte der Automobilindustrie. Große deutsche Hersteller sind mit Werken vor Ort vertreten, ebenso Teile der deutschen Zulieferindustrie. Die Standorte dienen oft zur Erschließung des lokalen Marktes. Einige Unternehmen produzieren in Indien auch für den deutschen Markt oder beliefern von dort aus andere Märkte der Region. Die Lohnkosten sind noch vergleichsweise gering. Die Regulierung hat sich verbessert und die Bürokratie nimmt ab. Auch die Vielzahl an IT-Fachkräften und Ingenieuren ist laut Expertenmeinung ein Pluspunkt für den Standort, gerade wenn es um Digitalisierungsthemen geht.
Der Verband der indischen Automobilzulieferer Automotive Component Manufacturers Association of India (ACMA) gibt für das Finanzjahr 2019/20 (1. April bis 31. März) an, dass die Firmen der Branche insgesamt rund 49,6 Milliarden US-Dollar (US$) umsetzten. Dies waren 11,7 Prozent weniger als 2018/19. Der Umsatz dürfte 2020/21 weiter zurückgegangen sein, denn die Coronakrise hat Spuren hinterlassen.
Deutschland ist wichtiges Ziel indischer Kfz-Teile-Exporte
Die Exporte von Kfz-Teilen aus Indien sanken 2019/20 gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 15,2 Milliarden auf 14,5 Milliarden US$ ebenfalls leicht, so Zahlen von ACMA. 2015/16 hatten sie noch bei 10,8 Milliarden US$ gelegen. Wie in den Vorjahren waren Nordamerika und Europa die wichtigsten Absatzregionen für die Automobilzulieferbranche.
Bild vergrößernDeutschland nahm zuletzt 7 Prozent der indischen Ausfuhren von Kraftfahrzeugteilen ab und lag damit auf Rang zwei hinter den USA (26 Prozent). Aus deutscher Sicht stand Indien 2019 für lediglich 0,5 Prozent der ausländischen Lieferungen ausgewählter Kfz-Teile. Allerdings hat sich die Einfuhr aus dem Subkontinent seit 2010 wertmäßig mehr als verdoppelt.
Weitere wichtige Abnehmer der indischen Branchenlieferungen sind das Vereinigte Königreich, die Türkei, Thailand und Brasilien mit Anteilen von jeweils 4 Prozent. Diese sind seit Jahren weitgehend konstant, was auch daran liegen dürfte, dass die Exportströme hauptsächlich durch feste Lieferbeziehungen international agierender Unternehmen dominiert werden. Kleinere indische Zulieferer sind oftmals noch nicht in den internationalen Handel eingespannt und produzieren nach wie vor ausschließlich für den heimischen Markt. Branchenkenner sehen hier Raum für steigende Exportquoten – auch nach Deutschland.
Getriebe-, Lenkungs- und Motorenteile dominieren die Ausfuhr
Für Indien sind Getriebe-, Lenkungs- und Motorenteile die mit Abstand wichtigsten Exporte bei Kfz-Teilen. Sie machen mehr als die Hälfte der gesamten Branchenausfuhren aus. Wichtiger wird das Segment der elektrischen Komponenten und Elektronik. Gegen den allgemeinen Trend konnten die Exporte in diesem Bereich 2019/20 sogar gesteigert werden. Der größte Teil der Branchenlieferungen nach Deutschland entfällt auf die Kategorie Fahrgestelle, Karosserien und Stoßstangen, gefolgt von Kfz-Elektrik.
Bild vergrößernDeutsche Einfuhr ausgewählter Kfz-Teile aus Indien (in Millionen Euro, Veränderung in Prozent)
Indikator | 2010 | 2019 | Veränderung 2019/2010 *) |
---|---|---|---|
SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 27,0 | 61,1 | 126 |
SITC 784 Fahrgestelle, Karosserien, Stoßstangen etc. | 76,2 | 164,9 | 116 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 6,9 | 7,9 | 14 |
SITC 713.2 Verbrennungsmotoren | 0,2 | 2,7 | 1.132 |
Summe | 110,3 | 236,6 | 114 |
Indien möchte die lokale Kfz-Teile-Produktion künftig fördern und den heimischen Markt unabhängiger von Importen machen. Nach Angaben von ACMA weisen die Importe für 2019/20 im Bereich der Automobilzulieferindustrie einen Wert von 15,4 Milliarden US$ aus. Aus Asien kamen 65 Prozent der Einfuhren. Das ist hauptsächlich durch die starke Marktstellung asiatischer Firmen auf dem indischen Markt zu erklären sowie durch die hohen Importe aus China.
Insbesondere die Abhängigkeit von der Volksrepublik soll zukünftig verringert werden. Von dort stammen 26 Prozent der Kfz-Teile-Importe, gefolgt von Südkorea mit 14 Prozent. Mit 11 Prozent Anteil liegt Deutschland auf Rang drei, noch vor Japan mit 9 und den USA mit 7 Prozent.
Bild vergrößernUm die Importe zu reduzieren, wurden Zölle auf Autoteile bereits erhöht. Ferner wurde das Subventionsprogramm Production Linked Incentives (PLI) aufgelegt, mit dem Firmen gefördert werden sollen. Auch wenn die genaue Ausgestaltung der PLI noch nicht bekannt ist, wurden umgerechnet rund 7,7 Milliarden US$ als Subventionshöhe für die Zulieferindustrie genannt. Indien möchte sich so zum Exporthub entwickeln und hofft dabei auch auf Neuansiedlungen im Zuge der Verlagerung von Lieferketten. Dabei hat die Regierung in Neu-Delhi auch deutsche Zulieferfirmen im Blick, die über alternative Fertigungsstandorte nachdenken.
Indiens fehlende Einbindung in Handelsabkommen sowie Probleme bei der Festlegung gegenseitig akzeptierter einheitlicher Standards könnten hierbei jedoch Hindernisse darstellen, so ein deutscher Branchenexperte. Aus indischen Fachkreisen verlautet, dass vornehmlich große Firmen von den Subventionen profitierten. Im Rahmen von Spill-Over-Effekten seien aber auch positive Entwicklungen für kleine und mittlere Unternehmen der Branche zu erwarten.
Aufbau einer Batteriefertigung angestrebt
Zukünftig möchte Indien in die Batteriefertigung einsteigen. Bei den deutschen Einfuhren aus Indien spielen Akkumulatoren bisher keine Rolle. Im Jahr 2019 hatten die Gesamtimporte (HS-Code: 850760) laut Comtrade-Datenbank der Vereinten Nationen einen Wert von 761.963 US$.
Der Staat stellt für den Aufbau der Produktion rund 2,4 Milliarden US$ im Rahmen von PLI bereit. Problematisch ist, dass bei den Vorprodukten weiterhin eine Importabhängigkeit bestehen dürfte, denn Indien verfügt bisher nur über vergleichsweise geringe Mengen an nachgewiesenen Lithiumreserven.
Dennoch will der Automobilsektor die Möglichkeiten der Produktion auf dem Subkontinent nutzen. So hat Suzuki - als Joint Venture Maruti-Suzuki der größte Automobilproduzent in Indien - gemeinsam mit Toshiba und dem japanischen Automobilzulieferer Denso das Unternehmen TDS Lithium-ion Battery gegründet und plant, im Bundesstaat Gujarat Lithiumionenbatterien zu fertigen. Ab April 2021 soll die Montage von Akkupacks starten, und ab dem Finanzjahr 2024/25 sollen auch Batteriezellen gefertigt werden.
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