China schloss das Coronajahr 2020 als einziges G20-Land mit einem Wirtschaftsplus ab. Für 2021 wird mit einem Wachstum zwischen 8 und 9 Prozent gerechnet. (Stand: 22. März 2021)
In China erholte sich die Wirtschaft schneller als erwartet und nahm ab Mitte 2020 wieder stark an Fahrt auf. Nach dem Prinzip "First in – First out" war die Volksrepublik eines der wenigen Länder weltweit, dessen Wirtschaft selbst im Corona-Krisenjahr gewachsen ist. Während es China gelang, die Zahl der Neuinfektionen erfolgreich nach unten zu drücken, gingen weltweit die Zahlen weiter nach oben. Inzwischen verzeichnet das Land nur noch wenige, lokal beschränkte Ausbrüche.
Für die chinesische Regierung hing viel davon ab, die Krise zu meistern, denn die wirtschaftliche und soziale Stabilität im Land zu erhalten, ist oberster Fokus ihrer Politik. Zwar spannte sie nach Erfahrungen aus der Weltfinanzkrise nicht den "großen Rettungsschirm für alle" auf, doch sie ergriff eine Vielzahl gezielter Einzelmaßnahmen, um Unternehmen und den Konsum zu unterstützen.
Chinas Wirtschaft erholt sich schneller als erwartet
Infolgedessen wuchs das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach dem historischen Einbruch im 1. Quartal 2020 mit einem Minus von 6,8 Prozent (2. Quartal: -3,2 Prozent) im 3. Quartal um 4,9 Prozent und im 4. Quartal um 6,5 Prozent. Während die Weltwirtschaft 2020 nach Angaben des Internationalen Währungsfonds um etwa 4,4 Prozent geschrumpft ist, ist China somit das einzige G20-Land, dass das Jahr mit einem Zuwachs von immerhin 2,3 Prozent abschloss. Diesen Erfolg hält die Kommunistische Partei vor allem ihrer Politik zugute. Für 2021 – ihr 100-jähriges Jubiläum – wird aufgrund der niedrigeren Basis 2020 sogar ein Wirtschaftsplus zwischen 8 Prozent und 9 Prozent erwartet.
Attraktivität für Auslandsinvestoren wächst
Angesichts dessen betrachten viele ausländische Investoren das Reich der Mitte als sicheren Hafen. Das Reich der Mitte hat während der Coronakrise die USA als größten Empfänger von Direktinvestitionen abgelöst - nach einem Bericht der Organisation für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen. Im Jahr 2020 stiegen die ausländischen Investitionen in der Volksrepublik gegenüber dem Vorjahr um 4 Prozent, während sie in den USA um 49 Prozent einbrachen. Und dies, obwohl Unternehmen in China immer mehr zum Spielball politischer Interessen werden.
Zudem hat die Nachfrage nach chinesischen Staatsanleihen stark zugenommen. Die gestiegene Nachfrage nach chinesischer Währung führte dazu, dass diese seit dem Frühjahr 2020 gegenüber dem US-Dollar tendenziell aufwertet. Es wird erwartet, dass sich dieser Trend fortsetzt.
Statistische Revisionen und Verschuldung trüben das Bild
Doch wie immer lohnt sich ein zweiter Blick: Trotz aller Erfolge bei der Virusbekämpfung und dem offensichtlich gelungenen Wiederanstoßen der Wirtschaft wären die Zahlen etwas weniger rosig, hätte das nationale Statistikamt NBS (National Bureau of Statistics) nicht ein wenig nachgeholfen.
Nach Recherchen der South China Morning Post bewirkte etwa eine Revision älterer Daten, dass die Investitionen in Anlagevermögen für die ersten neun Monate 2020 anstelle eines Minus von 30 Prozent ein Plus von 0,8 Prozent aufwiesen. Mit ähnlichem Effekt wurden die historischen Einzelhandelszahlen revidiert. Dem Bericht zufolge hätte das BIP im 3. Quartal 2020 bei Beibehaltung der alten Zahlen nicht ein Plus von 4,9 Prozent, sondern ein Minus von rund 5 Prozent aufgewiesen.
Generell ist die positive Wirtschaftsentwicklung in großem Umfang staatlichen Ausgaben – etwa für den Ausbau der Infrastruktur – zu verdanken. Hiervon und von den weiter steigenden Immobilieninvestitionen profitierten der Bausektor und ihm nachgelagerte Bereiche. So stieg der Stahlausstoß im 4. Quartal 2020 um 22,1 Prozent, die Zementproduktion um 9,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.
Dabei geht es den Verantwortlichen in erster Linie oft um die kurzfristige Steigerung der aktuellen Wirtschaftszahlen, weniger um einen langfristig effizienten Mitteleinsatz. Mit anderen Worten: Die Produktivität solcher Investitionen ist rückläufig. Zugleich hat die Verschuldung des öffentlichen Bereichs stark zugenommen – Tendenz steigend.
Ähnliches gilt für die Zunahme der Investitionen staatlicher Unternehmen. Durch den leichteren Zugang zu Finanzmitteln steigerten sie ihre Investitionen 2020 um 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr, die Investitionen der Privatwirtschaft stiegen dagegen nur um 1 Prozent.
Privatkonsum hinkt hinterher
Während der Staat mit Investitionen für Nachfrage sorgt, gilt der private Konsum als Achillesferse der staatlichen Wirtschaftsplanung. Um die Kauflaune anzuregen, leiteten die Zentral- sowie verschiedene Lokalregierungen unterschiedliche Maßnahmen ein, so auch die Ausgabe von Gutscheinen. Generell wurden diese gerne genutzt. Doch an der Hauptursache der Kaufunlust, der Unsicherheit darüber, wie es weitergeht, ändern sie wenig.
Automobilmarkt erholt sich
Eine gewisse Ausnahme stellt der Kfz-Markt dar, der sich nach dem katastrophalen 1. Quartal 2020 inzwischen gut erholt hat und bei Kfz mit Verbrennungsmotor nur knapp 2 Prozent unter dem Vorjahresabsatz blieb. Der Absatz von Elektroautos lag 2020 sogar um knapp 11 Prozent über dem von 2019. Um den Sektor zu unterstützen, verlegte die Regierung die Einführung des nationalen Emissionsstandards VI für Leichtlastkraftwagen um sechs Monate auf den 1. Januar 2021. Aufgeschobene Pkw-Käufe wurden angesichts günstiger Preise und Rabatte seit dem 2. Halbjahr 2020 nachgeholt. Die Fahrt im eigenen Auto hat durch Covid-19 nachhaltig an Attraktivität gewonnen.
Chemieindustrie boomt
Die Chemiebranche brummt und bekommt die mit der Wiederaufnahme der Industrieproduktion im Land einsetzende Aufholjagd wichtiger Abnehmerbranchen zu spüren. Vor allem im Spezialchemiebereich übertrafen die Ergebnisse des Gesamtjahrs 2020 teilweise die des Vorjahrs.
Das Bild im Gesundheitsbereich ist gemischt: Während alle Covid-19 relevanten Produkte 2020 im In- und Ausland reißenden Absatz fanden und finden, kommt die Nachfrage in anderen Bereichen, wie beispielsweise bei Medikamenten für chronische Krankheiten, nur langsam zurück.
Von Stefanie Schmitt
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Beijing