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Special Vietnam Wege aus der Coronakrise

Konjunktur- und Hilfsprogramme

Die Regierung fördert den Infrastrukturausbau. Die aktuelle Infektionswelle aber behindert die Planung und Umsetzung von Projekten. (Stand: 19. August 2021)

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Hanoi

Vietnams Regierung hat in der laufenden Infektionswelle neue finanzielle Hilfsprogramme für von der Krise betroffene Unternehmen und Bevölkerung aufgelegt. Von der Pandemie betroffene Provinzen haben darüber hinaus eigene Unterstützungspakete geschnürt. 

Für Arbeitnehmer, die von coronabedingter zeitweiser oder dauerhafter Freistellung betroffen sind und auch für andere, pandemiebedingt notleidende Menschen hat die Zentralregierung ein Hilfspaket in Höhe von umgerechnet 1,1 Millionen US-Dollar (US$) auflegt. Betroffene können Einmal- oder fortlaufende Zahlungen von 250.000 Dong (umgerechnet 10,79 US$, 1 US$ = 23.170 Dong, VND) bis 3,7 Millionen Dong (159,69 US$) erhalten. Allerdings ist die Beantragung dieser Hilfsleistungen kompliziert und kann von einem Großteil der betroffenen Menschen nur schwer wahrgenommen werden.

Unternehmen werden insbesondere durch Steuer- und Sozialversicherungsstundungen sowie zinsfreie Kredite zur Finanzierung der Lohnfortzahlung unterstützt. Das Gesamtpaket soll umgerechnet 877 Millionen US$ umfassen.

Weitergehende zentralstaatliche Hilfen für stillgelegte oder anderweitig von der Pandemie betroffene Unternehmen gibt es zurzeit kaum. Dabei sind gerade in den von Infektionen betroffenen Gebieten die Anforderungen an die Produktion und damit die Produktionskosten massiv gestiegen. So dürfen Unternehmen in Ho Chi Minh City (HCMC) und den umliegenden Provinzen seit Anfang Juli die Produktion nur dann weiterlaufen lassen, wenn sie ihre Arbeitnehmer auf dem Betriebsgelände unterbringen können (Arbeiten, Essen, Schlafen im Betrieb, sogenannte "3 in 1-Lösung"). Die Kosten hierfür sind allerdings durch die Betriebe selbst zu tragen. Fabriken, die aufgrund ihrer Größe, Ausgestaltung oder Finanzkraft nicht in der Lage sind, die strikten Pandemieauflagen zu erfüllen, haben die Fabriktore geschlossen. Auch große Produzenten für Nike, Puma und Adidas sind von diesen zeitweisen Schließungen betroffen.

Impfkampagne der vietnamesischen Regierung

Mangels verfügbaren Impfstoffes lief das Impfprogramm der Regierung nur sehr langsam an. Die Regierung plant nun, bis Ende 2021 rund 50 Prozent der Bevölkerung mit Impfstoff versorgen zu können. Eine Immunisierung von 70 Prozent der Bevölkerung soll Ende des ersten Quartals 2022 erreicht werden. Zugelassen sind die Impfstoffe Biontech, Moderna, AstraZeneca, Johnson&Johnson, Sputnik V sowie Sinopharm.

Banken schnüren Kreditpakete

Zum 1. Oktober 2020 hat die Staatsbank die Kreditzinsen für Darlehen mit kurzer Laufzeit auf 4,5 Prozent herabgesetzt. Weitere Zinssenkungen sind allerdings nach Aussage der Staatsbank zurzeit nicht geplant, auch um Preissteigerungen nicht weiter zu befeuern. Auch die wichtigsten Banken und Finanzinstitute des Landes haben ihre Kreditzinsen für von der Pandemie betroffenen Unternehmen gesenkt und strukturieren laufende Kredite für aktuell notleidende, aber grundsätzlich gesunde Unternehmungen um.

Infrastrukturausbau soll die Binnenkonjunktur anschieben

Die Regierung will mit einem 2020 aufgelegten Konjunkturprogramm, formuliert in Direktive 11 der Regierung vom 4. März 2020, staatliche Investitionen beschleunigen und dadurch die Wirtschaft nach Bewältigung der aktuellen Krisensituation wiederbeleben.

Vor allem der Infrastrukturbereich soll angeschoben werden. So gehen teilweise schon jahrelang verzögerte Großvorhaben wie der Ausbau des Long Thanh-Flughafen im Einzugsbereich von Ho Chi Minh City in die Umsetzung. Auch der Straßenbau wird vorangetrieben. Tatsächlich erhöhte die Zentralregierung im Jahr 2020 ihre Investitionen um knapp 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr und erreichte zuvor selten erzielte 91 Prozent der geplanten Jahresausgaben. In den ersten sieben Monaten 2021 lagen die zentralstaatlichen Investitionssteigerungen knapp 13 Prozent gegenüber dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Allerdings kommt es aufgrund der aktuellen Infektionswelle auch immer wieder zu Unterbrechungen am Bau und zur Verzögerung bei der Planung und Umsetzung neuer Projekte.

Regierung will Verwaltung digitalisieren

Außerdem treibt die Regierung gerade im Export- und Zollbereich den Bürokratieabbau voran, fördert die Digitalisierung der Verwaltung und unterstützt die Ausweitung des elektronischen Zahlungsverkehrs.

Spezielle Förderprogramme für Einzelbranchen wie die Automobilindustrie sind Ende 2020 ausgelaufen. Die hohen Pandemiekosten in Form von Belastungen des Krankenversicherungssystems, Steuerausfällen, Unterstützungspaketen und Kosten für den Ankauf von Impfstoffen schränkt die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates ein. Daher dürfte die Regierung mit weitergehenden Sonderförderprogrammen zunächst zurückhaltend bleiben und sich eher auf die akute Krisenbewältigung fokussieren. 

Lob von der Weltbank

Die Weltbank qualifiziert die Reaktion der vietnamesischen Regierung als pragmatisch und weitsichtig zugleich. Die finanziellen Aufwendungen für die Krisenbewältigung lagen 2020 bei knapp einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und wurden durch den Notfallfonds der Regierung abgedeckt. Zwar dürften aufgrund der Intensität der aktuellen Welle die Kosten für die Bewältigung der Krise steigen, doch internationale Analysten sehen derzeit nicht die Gefahr einer coronabedingten Überschuldung. Die Bruttostaatsverschuldung wird 2021 nach Schätzungen von Deutsche Bank Research von Ende Juni 2021 mit 54,7 Prozent noch weit unterhalb der staatlichen Verschuldungsgrenze von 65 Prozent bleiben.

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