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Special EU Konnektivität

Gaia-X will Europas digitale Souveränität stärken

Mit Gaia-X soll ein Rahmen für eine sichere europäische Dateninfrastruktur geschaffen werden, um die Macht der Tech-Giganten zu brechen. Nur sind diese nun mit an Bord.

Von Sebastian Holz | Bonn

Große amerikanische Techfirmen stellen die IT-Infrastruktur vieler europäischer Unternehmen. Damit lagern deren Daten in der Cloud und somit auf Servern, die sie nicht kontrollieren. Im digitalen Zeitalter wird dieser Mangel an Datensouveränität zunehmend zu einer strategischen Frage. Das Projekt Gaia-X soll Abhilfe schaffen.

Ein offenes, transparentes europäisches System

Gaia-X wurde erstmals im Oktober 2019 auf dem Digitalgipfel in Dortmund vorgestellt. Hintergrund ist, dass Europas Firmen bislang vor allem auf die Cloud-Lösungen amerikanischer Anbieter wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure und Google Cloud setzen. Diese Firmen kontrollieren zwei Drittel des Marktes und funktionieren als sogenannte Hyperscaler. Das heißt, die Server der drei großen Anbieter bieten so viel Rechenkapazität, dass Kunden ihre Bedürfnisse an Cloud-Dienstleistungen schnell und ohne größere Anpassungen hochschrauben können.

Dass ein Großteil der digitalen Infrastruktur europäischer Unternehmen auf dem Angebot dreier amerikanischer Firmen aufbaut, stößt zunehmend auf Kritik. Mit den Urteilen "Schrems I" und "Schrems II" hat der Europäische Gerichtshof bereits zweimal entschieden, dass das Schutzniveau von Daten in den USA unter dem in Europa liegt und eine Angleichung gefordert. Nach dem ersten Urteil hatte das bilaterale EU-US Privacy-Shield-Abkommen die Datenströme neu geregelt. Das zweite Urteil erklärte auch dieses für ungenügend.

Ziel von Gaia-X ist daher die Schaffung eines Standards für sichere und transparente Cloud-Dienstleistungen für Europa. Neben der Garantie eines hohen Datenschutzniveaus soll auch die Position europäischer Anbieter auf dem Markt gestärkt werden. 

Deutsch-französische Initiative

Dazu wurde im September 2020 mit der Gaia-X European Association for Data and Cloud AISBL eine Stiftung gegründet, die die Umsetzung dieser Ambition überwachen soll. Als Erstes waren elf deutsche und elf französische Unternehmen mit an Bord, darunter Bosch, die Telekom und der französische Softwarekonzern Atos. Der Stiftung steht seit März 2021 Francesco Bonfiglio vor, der zuletzt die Cloud-Sparte des italienischen IT-Konzerns Engineering führte. 

Die Mitglieder der Stiftung verpflichten sich, europäische Werte bezüglich Privatsphäre, Transparenz, Sicherheit und Datenschutz hochzuhalten. In den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten dienen sogenannte Hubs als Ansprechpartner für interessierte Unternehmen. Solche Anlaufstellen gibt es bislang in Belgien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Slowenien und Schweden.

Neuer Standard setzt auf dezentrale Lösungen

Auf technischer Seite dreht sich Gaia-X um das Konzept der sogenannten Federation Services. Dabei sollen Unternehmenskunden die Möglichkeit bekommen, sich die gewünschten Cloud-Dienstleistungen frei aus den Angeboten verschiedener teilnehmender Anbieter zusammenstellen zu können. Diese sollen dafür Teile eines nutzerfreundlichen und dezentralen Infrastruktur-Ökosystems werden. Dabei soll sichergestellt werden, dass bestehende Cloud-Lösungen nach einem gemeinsamen europäischen Standard interoperabel werden. Europäische Firmen würden somit über Gaia-X-zertifizierte Lösungen verfügen, die ihnen eine einfachere Zusammenarbeit mit den Cloud-Anbietern ermöglichen.

Gaia-X im Vergleich – offen, dezentral und kooperativ

 

Hyperscaler (USA)

Staatliches Modell (China)

Gaia-X (EU)

Plattformbetreiber

Einer

Einer

Viele

Plattformarchitektur und Datenmanagement

Zentral

Zentral

Dezentral

Software

Proprietär oder offen

Proprietär

Offen

Wirtschaftlicher Effekt

„Winner takes it all“

Staatswirtschaft

Kooperativ

Quelle: Eigene Darstellung nach Fraunhofer ISST

Dabei soll der neue offene Standard Sovereign Cloud Stack (SCS) Anwendung finden, der einen gemeinsamen Rahmen für technisch miteinander kompatible Cloud-Dienste schafft. Unternehmen, die selbst Gaia-X-konforme Dienste anbieten möchten, können dazu erste SCS-Schulungen absolvieren. Ein weiterer Standard im Gaia-X-Ökosystem, International Data Spaces (IDS), will den Datenaustausch zwischen Unternehmen sicherer und transparenter gestalten. 

Innovative Anwendungsvorschläge zu Gaia-X werden vom Bundeswirtschaftsministerium mit Fördermitteln in Höhe von 175 Millionen Euro unterstützt. Im Juni 2021 wurden 16 Projektskizzen in der ersten Runde des Förderwettbewerbs ausgezeichnet. Darunter finden sich Anwendungsbeispiele im Gesundheitssektor, der Bauindustrie oder im Bildungsbereich. Teile der deutschen Automobilindustrie haben mit Catena-X bereits eine Initiative für einen sicheren Datenaustausch entlang ihrer Lieferketten ins Leben gerufen.

Neuzugänge sorgen für Kontroverse

Im März 2021 wurde angekündigt, dass 212 neue Mitgliedsunternehmen als Day One Members zu den 22 Gründerfirmen stoßen würden. Während 92 Prozent dieser Neumitglieder europäische Unternehmen sind, kommen nun erstmals auch Firmen aus Amerika und Asien hinzu, darunter Industriegrößen wie Amazon, Google, Microsoft und Salesforce. Auch die chinesischen Techkonzerne Huawei und Alibaba sind dabei, genau wie die amerikanische Firma Palantir, der eine enge Kooperation mit US-Geheimdiensten nachgesagt wird. Zeitgleich wurde die Schaffung eines neuen Vertrauenslabels angekündigt, an dessen Ausarbeitung alle Mitglieder von Gaia-X mitwirken können, allerdings ohne Garantie, dass sie das Label am Ende auch tragen dürfen.

Die Ankündigung stieß bei einigen IT-Experten auf Kritik, weil mit den Neuzugängen nun Unternehmen an Bord sind, wegen deren Marktmacht die Initiative einst ins Leben gerufen worden war. Aus Protest gründeten 23 kleinere IT-Unternehmen im Sommer 2021 die alternative Cloud-Initiative Euclidia, bei der ausschließlich europäische Firmen mitwirken dürfen. Aufgrund der geringen Größe ihrer Mitgliedsunternehmen erscheint die Wirksamkeit von Euclidia allerdings begrenzt.

Cloud-IPCEI soll Gaia-X-Projekte skalieren

Parallel zu Gaia-X finanziert die Europäische Union das sogenannte Großprojekt von gemeinsamem europäischen Interesse für Cloud-Infrastrukturen und -Dienste der nächsten Generation IPCEI-CIS. Auf Basis der Gaia-X-Standards wird damit der Aufbau einer europäischen Cloud-Infrastruktur vorangetrieben. Die EU-Mittel sollen die schnelle Skalierbarkeit von Gaia-X-Dienstleistungen ermöglichen. Die Bundesregierung stellt in diesem Rahmen Fördermittel in Höhe von 750 Millionen Euro bereit.

Weitere Informationen

GAIA-X

Homepage des Projekts GAIA-X und der Gaia-X European Association for Data and Cloud AISBL

Euclidia

Homepage der European Alliance of Cloud Industrials (Euclidia)

IPCEI-CIS

Gemeinsames EU-Vorhaben "Nächste Generation Cloud Infrastrukturen und Services"
auf den Seiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie

SCS

Homepage des quelloffenen Cloud-Standards Sovereign Cloud Stack

IDS

Homepage des Datenmanagementstandards International Data Spaces.

Catena-X

Homepage der Allianz für sicheren und standardisierten Datenaustausch in der Automobilindustrie

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