Die Entwicklung der Digitalisierung der rumänischen Landwirtschaft hängt stark vom Alter der Landwirte, dem verfügbaren Kapital und dem Know-how ab.
Die Landwirtschaft ist in Rumänien ein wichtiger Sektor. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag im Jahr 2019 bei 4,1 Prozent und war dreimal höher als im EU-Durchschnitt. Aber Produktivität der Landwirtschaft beträgt nur niedrige 30 Prozent im Vergleich mit der Landwirtschaft aller EU-Länder. In Rumänien zählt die Europäische Union 3,9 Millionen landwirtschaftliche Betriebe, rund ein Drittel aller landwirtschaftlichen Betriebe in der gesamten EU. Diese Disparitäten wirken sich negativ auf die Produktivität des gesamten Sektors aus.
Rumänien gehört zu den größten Maisproduzenten in der EU
In Rumänien bewirtschaften die Landwirte rund 8,9 Millionen Hektar Ackerland und bauen dort etwa 70 Prozent Getreide - hauptsächlich Mais und Weichweizen - an. Die rumänische Landwirtschaft ist der größte Maisexporteur aus der Europäischen Union. Rund 61 Prozent der Maislieferungen aus der EU kommen aus Rumänien. Neben Getreide sind Sonnenblumen und Raps die am meisten angebauten Pflanzen. Die größten Importgüter - Fleisch, Obst, Proteinmehle und Milchprodukte - importiert Rumänien zu 80 Prozent aus der Europäischen Union. Die größten Handelspartner mit Agrarprodukten und verarbeiteten Lebensmitteln sind Deutschland, Ungarn, Polen und Bulgarien.
Strukturelle Bedingungen bestimmen Geschwindigkeit der Modernisierung
Viele kleine und mittleren Betriebe haben nicht genügend finanzielles und auch humanes Kapital, um neue Smart-Farming-Lösungen einzusetzen. Die meisten Kleinbauern betreiben Semi-Subsistenzwirtschaft, bringen also nur einen geringen Teil ihrer Produktion auf den Markt. Es fehlt ihnen zudem an Wissen über digitale Technologien. Entsprechend schreitet die Digitalisierung der kleinen und mittleren Betriebe deutlicher langsamer voran, als bei den größeren Farmen.
Die rumänische Landwirtschaft ist stark geprägt von kleinen Familienbetrieben. Rund 93 Prozent der Bauernhöfe besitzen jeweils weniger als fünf Hektar Land - im Schnitt nur 3,4 Hektar, berichtet die EU-Kommission. Familienbetriebe bewirtschaften insgesamt 30 Prozent der im Land verfügbaren Flächen. Entsprechend verfügen nur 7 Prozent der rumänischen Landwirte über 70 Prozent des rumänischen Ackerlandes. Das sind Großbetriebe.
Die Landwirtschaft beschäftigte 2019 rund 22 Prozent der gesamten Erwerbstätigen. Damit ist der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft fünfmal höher als im EU-Durchschnitt. Ein weiteres strukturelles Problem ist die Demografie. Rund 42 Prozent der Landwirte sind über 65 Jahre alt. In Rumänien nutzten im Jahr 2020 knapp 40 Prozent der Menschen dieser Altersgruppe das Internet, ergab eine Datenerhebung von Eurostat vom 17. Mai 2021.
Eckdaten zur Landwirtschaft und Infrastruktur in Rumänien
Indikatoren | 2020 |
---|
Einwohner (in Millionen) | 19,3 |
Ackerfläche (in Mio. Hektar; 2019) | 8,966 |
Anteil der Landwirtschaft an der Entstehung des BIP (in Prozent) | 3,9 |
IMD Digital Competitiveness Ranking (Rang unter 63 untersuchten Ländern) | 49 |
Quelle: Statistikamt, Landwirtschaftsministerium, Eurostat, IMD World Competitiveness Center
Digitalisierung macht Gegensätze sichtbar
Auf rumänischen Feldern setzen die Landwirte, die es sich leisten können, bereits Drohnen und automatisierte Saat- und Erntetechnik zur Teilschlagbewirtschaftung - zielgerichtete Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen - ein. Somit können sie präzise auf Unterschiede des Bodens innerhalb eines Feldabschnittes reagieren. Das heißt die Menge der Saat, Düngemittel oder Bewässerung anpassen.
Den meisten rumänischen Bauern greifen aber noch auf gewöhnliche Erntemaschine ohne Boden- und Wettersensoren sowie Internet- und GPS-Verbindung zurück. "Viele unserer Mitglieder können sich die neusten Maschinen einfach nicht leisten und kaufen daher lieber gebrauchte Landmaschinen, bevorzugt aus Deutschland", erklärt Liliana Piron, Sprecherin der Liga der landwirtschaftlichen Erzeugervereinigungen in Rumänien (LAPAR) im Gespräch mit Germany Trade & Invest. Die LAPAR ist ein Zusammenschluss der regionalen Interessensverbände der rumänischen Bauern.
Digitale Lösungen verbessern Ressourcenmanagement
Den Kleinbauern stehen großen Getreide- und Ölsamenfarmen wie Agricost gegenüber. Das Unternehmen bewirtschaftet auf der Donauinsel Braila eine Fläche von 57.000 Hektar. Seit 2019 ist Agricost im Besitz der Al Dahra Holding, einem multinationalen Agrarunternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Agricost setzt nach eigenen Angaben digitale Plattformen ein, auf denen Daten über das Wetter, den Boden- und Pflanzenwuchs und deren Schädlingsbefall einlaufen. Anhand dieser Daten kann das Unternehmen den optimalen Verbrauch von Wasser, Düngemittel oder Pflanzenschutzmitteln bestimmen und Ressourcen sparen. Weitere Unternehmen, die Präzisionslandwirtschaft betreiben, sind die Serban Agrarholding (13.000 Hektar), Agri Holde (7.830 Hektar) und Frizon Agra (4.100 Hektar).
Agricost gilt als Vorzeigeunternehmen in Sachen Digitalisierung, Wassermanagement und Nachwuchsförderung, wie aus einem Bericht der Agentur für regionale Entwicklung vom 11. Januar 2021 hervorgeht, die auf regionaler Ebene Fördergelder der EU vergibt, unter anderem zur Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit kleinerer und mittlerer Agrarbetriebe. Laut dem Bericht sei Agricost ein Vorbild für die Entwicklung des Strukturwandels in der Landwirtschaft, denn sie setzt moderne Landtechnik ein, kooperiert mit den regionalen Universitäten und betreibt ein landwirtschaftliches Forschungs- und Entwicklungszentrum.
Agrarbetriebe suchen nach gut ausgebildeten Fachkräften
Obwohl Rumänien bekannt ist für eine starke Ausbildung junger IT-Fachkräften, fehlt es an Spezialisten, die eine landwirtschaftliche Ausbildung mitbringen. Und das, obwohl die Universität in Iasi einen guten Ruf als Ausbildungsstätte für Agraringenieure hat. Auch seien freie Mitarbeiter aus Indien zum Programmieren von Algorithmen oft günstiger, erläutert zum Beispiel der CEO des Agrarunternehmens Frizon Agra, Teofil Dascalu im Gespräch mit Germany Trade & Invest.
Ausgewählte Projekte in Rumänien
Projekt | Investition (in Mio. Euro) | Stand | Projektträger |
---|
Chemgas Slobozia: Investitionen in Düngemittelproduktion | 30 | Umsetzung bis 2026 | Popasul Trebes |
Bau eines Logistikzentrums für landwirtschaftliche Produkte im Kreis Braila | 20 | Finanzierung steht noch aus. | RodBun |
Erweiterung der Geflügelproduktion | 15 bis 20 | Planung | Transavia |
Erweiterung der Landwirtschaftsfläche, Errichtung von Lagerräumen, Ausbau eines Silos, Anschaffung von Maschinen und Anlagen in Süd- und Ostrumänien | 12 | Umsetzung für 2021 geplant | Holde Agri Invest |
Investitionen in Bewässerung, Geflügelzucht und Lagerräume in Ostrumänien | 7,5 | Umsetzung für 2021 geplant | Interagroaliment / Grup Serban |
Bau einer Molkerei im Kreis Galati | 5 | Investition läuft. | Artesana |
Investitionen in Logistik, Lagerräume, Digitalisierung, Bau einer Molkerei in Ocna Mures im Kreis Alba | 4,5 | Umsetzung bis 2025 geplant | Ferma cu Omenie |
Modernisierung einer Produktionsstätte für Fleischbearbeitung und Herstellung von Fleischprodukten, Umweltinvestitionen im Kreis Vaslui | 3 | Umsetzung für 2021 geplant | Vascar |
Erweiterung der Obstanbauflächen, Ausbau der Lagerräume im Kreis Iasi | 1,5 | Investition läuft. | Cerasus Grup |
Quelle: Medienberichte, Recherchen von Germany Trade and Invest
Von Dominik Vorhölter
|
Bukarest