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Special Spanien Wege aus der Coronakrise

Konjunktur und wichtigste Branchen

Spaniens Wirtschaft lässt 2021 das schwache Vorjahr hinter sich. Doch Inflation und Materialknappheit sorgen im November für zunehmende Schwierigkeiten. (Stand: 16. November 2021)

Von Oliver Idem | Madrid

Spanien war 2020 das von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie am stärksten betroffene Mitglied der Europäischen Union (EU). Das Statistikamt INE errechnete einen Einbruch des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um real 10,8 Prozent.

Eine Trendwende zeichnet sich ab, jedoch langsamer als zunächst erwartet. Im Herbst 2021 senkte die EU-Kommission ihre Erwartungen auf real 4,6 Prozent Wachstum im laufenden Jahr und plus 5,5 Prozent für 2022.

Gemessen an den Einbrüchen im Vorjahr schaffen 2021 vor allem die Ausrüstungsinvestitionen und die Importe eine schwungvolle Trendwende. Zweistellige Zunahmen erwartet die Kommission für Ausrüstungsinvestitionen (15 Prozent) sowie Importe (11,9 Prozent) und Exporte (12,1) von Waren und Dienstleistungen. Alle drei Indikatoren sollen auch 2022 kraftvoll zulegen.

Moderatere Wachstumsraten im 3. Quartal 2021

Das Statistikamt INE meldete für das 3. Quartal 2021 überwiegend positive Zahlen, jedoch nicht mehr auf dem hohen Niveau wie zur Jahresmitte. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum legte die Wirtschaftsleistung um real 2,7 Prozent zu.

Das verarbeitende Gewerbe kann sich zum Teil nur unzureichend und nur zu hohen Preisen mit Material versorgen. Der kalenderbereinigte Index der Industrieproduktion lag im September um 1,2 Punkte über dem Wert des Vorjahresmonats. Der Einkaufsmanagerindex der Industrie schwächte sich im Oktober leicht auf 56,2 Punkte ab. Die Ausrüstungsinvestitionen behaupteten sich im 3. Quartal mit plus 6,3 Prozent als Wachstumsmotor.

Die Verbraucherpreise ziehen weiterhin steil an. Nach einer Zunahme um 4 Prozent im September legten sie im Oktober um 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zu. Einen derart hohen Wert hatte es in den 29 Jahren davor nicht gegeben. Der Großteil der Steigerungen geht auf die Energiepreise zurück. Strom, Kraft- und Brennstoffe waren die entscheidenden Treiber für die Inflationsentwicklung. 

 

Der Tourismussektor entfernt sich vom niedrigen Niveau des Jahres 2020, ohne an das Rekordergebnis von 2019 anknüpfen zu können. Im Sommer 2021 sorgten vor allem inländische Gäste für eine hohe Hotelauslastung, zum Beispiel in Asturien und dem Baskenland. 

Die Zahl ausländischer Gäste erreichte von Anfang Juni bis Ende August 11,8 Millionen Menschen. Verglichen mit dem entsprechenden Vorjahreszeitraum entspricht das einer imposanten Wachstumsrate von 131 Prozent. Weitaus bitterer fällt die Bilanz in Relation zum Rekordjahr 2019 aus. Die Besucherzahl liegt um 59 Prozent unter dem damaligen Resultat. 

Hohe EU-Zuschüsse für die Transformation des Landes

Die Bestätigung des spanischen Wiederaufbauplans durch die EU am 16. Juni 2021 fand ein positives Echo im Land. Auf Spanien entfallen laut einer Pressemitteilung der Regierung insgesamt rund 140 Milliarden Euro. Spanien erhält 69,5 Milliarden Euro Zuschüsse bis 2026 und überholt Italien damit knapp als größtes Empfängerland.

Die Zielrichtung ist ein nachhaltigeres und digitaleres Spanien. Von Unternehmen und Institutionen gingen rund 17.600 Projektvorschläge ein. Aus diesen muss die Regierung nun auswählen. Seit Mitte Juli sind Informationen zur Mittelverwendung und dem Zugang zu Fördergeldern auf einer Internetseite gebündelt. Im Juli gab die EU erste 9 Milliarden Euro an Hilfen für Spanien frei.

Erste Produktionsunterbrechungen wegen hoher Strompreise

Die Kfz- und Kfz-Teileindustrie in Spanien bewegt sich weiterhin in einem unsicheren Umfeld. Ende September kalkulierte der Automobilindustrieverband Anfac, dass 2021 landesweit etwa 900.000 Fahrzeuge verkauft werden. Das entspräche einer geringfügigen Zunahme gegenüber dem Vorjahr. Die Verkäufe blieben bei diesem Ergebnis jedoch um 25 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2019.

Auf der Produktionsseite macht sich der Halbleitermangel immer deutlicher bemerkbar. Einschränkungen in der Produktion betrafen im Sommer unter anderem SEAT in Martorell, Stellantis in Zaragoza und Renault in Valladolid. Mittlerweile rechnen Branchenexperten damit, dass die Halbleiterprobleme noch bis zum Sommer 2022 anhalten werden. 

Auch weitere Sektoren beklagen knappe und entsprechend teure Vorprodukte - eine Kehrseite des Wirtschaftsaufschwungs und der wachsenden Nachfrage. Dazu zählen die Informations- und Kommunikationstechnologie, die Metallindustrie und die Spielwarenbranche. Der Mangel an Containern führt überdies zu starken Anstiegen der Frachtraten.

Hinzu kommt, dass auch die Strompreise in Spanien kräftig anziehen. Viele Kleinunternehmen können die höheren Kosten nicht weitergeben. Besonders energieintensive Unternehmen stehen ebenfalls vor Schwierigkeiten.

Zu allem Überfluss stellte Algerien Ende Oktober 2021 die Belieferung mit Gas über die Mittelmeerpipeline ein. Spanien wurde somit zum Opfer der politischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko. Der spanische Erdgasbedarf soll nun stärker durch Schiffsladungen gedeckt werden.

Bauwirtschaft wird durch Kostensteigerungen ausgebremst

Die Aufholjagd der Bauwirtschaft erhielt im 3. Quartal 2021 einen deutlichen Dämpfer. Die Bauinvestitionen lagen um 6,2 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Für die Branche ergibt sich eine paradoxe Situation. Der Bedarf an Bauleistungen ist weiterhin hoch. Material- und Energiepreise sowie Personalmangel lähmen jedoch zunehmend die Aktivitäten.

Im August 2021 wechselten knapp 49.900 Häuser die Besitzer. So viele Vertragsabschlüsse wurden zuletzt vor 14 Jahren registriert. Der Verband Confederación Nacional de la Construcción rechnet für das Gesamtjahr mit einer Zunahme der Bauproduktion um 7 Prozent gegenüber 2020. Haupttreiber ist die Gebäudesanierung. 

Bauunternehmen beklagen allerdings hohe Preissprünge für Kupfer, Aluminium, Stahl und Erdölprodukte. Der Branchenverband SEOPAN forderte rechtliche Änderungen, um Verträge mit öffentlichen Auftraggebern anpassen zu können. Zudem fehlen der Branche laut der Wirtschaftszeitung Cinco Días etwa 700.000 Arbeitskräfte.

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