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Special Brasilien Konjunktur

Konjunktur und wichtigste Branchen

Brasiliens Wirtschaft durchsteht die Pandemie besser als erwartet. Allerdings beeinträchtigen immer mehr Faktoren die Wachstumsprognosen. (Stand: 20. Oktober 2021)

Von Gloria Rose | São Paulo

Mit den fortschreitenden Impfungen sinken die Zahl der täglichen Covid-19-Todesfälle seit April und die Zahl der Infektionen seit Ende Juni. Brasilien beschleunigte den Impfrhythmus und weist nun einen höheren Bevölkerungsanteil mit Erstimpfung auf als Deutschland. In Lateinamerika liegt die Impfquote nur in Chile und Uruguay höher. In São Paulo gehen bereits über 95 Prozent der Erkrankungen auf die Delta-Variante zurück, dennoch blieb eine dritte Pandemiewelle aus. Die Basisreproduktionszahl liegt deutlich unter 1, derzeit bei 0,81 (Stand: 22.10.2021). 

Bislang starben in Brasilien über 604.679 Menschen an Covid-19 (Stand: 22.10.2021). Positiv getestet wurden über 21,6 Millionen Brasilianer. Nur in den USA und Indien waren mehr Menschen mit SARS-CoV-2 infiziert.

São Paulo beendete die Einschränkungen für Handel und Dienstleistungen am 17. August. Nach und nach folgen die Städte und Gemeinden. Ab dem 18. Oktober gingen alle Schulen des bevölkerungsreichsten Bundesstaats Brasiliens wieder zur Präsenzpflicht über. Die Stadt Rio de Janeiro flexibilisierte die Maßnahmen und will bis Ende November alle Restriktionen aufheben. Der Jahreswechsel und Karneval 2022 sollen ohne Abstandsregeln und Mund-Nasen-Schutz gefeiert werden, wenn sich der Trend fortsetzt.

Präsident Bolsonaro unter Beschuss

Seit fast sechs Monaten stellt der Untersuchungsausschuss des Senats täglich Fehler und Versäumnisse der Regierung in der Coronakrise an den Pranger. Über den Abschlussbericht wird am 26. Oktober abgestimmt. Zudem leiteten der oberste Gerichtshof sowie das oberste Wahlgericht insgesamt fünf Ermittlungsverfahren gegen Präsident Jair Bolsonaro ein. Ein Amtsenthebungsverfahren ist dennoch sehr unwahrscheinlich. Meinungsumfragen belegen eine hohe Ablehnung von Bolsonaro, dessen Wiederwahl auch durch die erneute Wählbarkeit von Ex-Präsident Lula in Frage gefährdet ist. Durch höhere Hilfszahlungen an die ärmere Bevölkerung im Jahr 2022 versucht Präsident Bolsonaro Unterstützung zu gewinnen. Nun fordern die Lkw-Fahrer einen niedrigeren Dieselpreis und drohen mit einem Streik ab dem 1. November. Die intransparente Entwicklung der Staatsausgaben und die politische Lage sorgen für Unsicherheit. Hohe Volatilität dürfte das zweite Halbjahr 2021 und insbesondere das Wahljahr 2022 prägen.

Trotz Verbesserung der Pandemielage: Wachstumsprognosen sinken

Störungen in Lieferketten belasten die Industrie, insbesondere den Kfz-Sektor und die Elektroindustrie. Aber auch die Bekleidungs- und Möbelindustrie produzierte im August weniger als vor der Pandemie. Dahingegen laufen der Maschinenbau, die Metallverarbeitung und die Plastikindustrie auf Hochtouren. Der Dienstleistungssektor erholt sich, konnte jedoch im August die Verschlechterung in Industrie und Handel nicht ganz abfangen, deuten Hochrechnungen an. Laut der wöchentlichen Zentralbankumfrage erwarten die Finanzinstitute für 2021 nur noch ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 5 Prozent und für 2022 um 1,5 Prozent.

Risiken, die nicht unmittelbar aus der Pandemielage resultieren, gewinnen an Bedeutung. Aufgrund der anhaltenden Trockenheit durch das Klimaphänomen La Niña stiegen die Stromtarife, die auch auf die Produktionskosten und die Inflation durchschlagen. In der Politik rücken die Präsidentschaftswahlen 2022 in den Vordergrund und mindern die Chancen auf Reformen, die aufgrund der hohen und stark angestiegenen Staatsverschuldung notwendig sind. Darüber hinaus wirkt sich die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft negativ aus.

Aufgrund der fiskalpolitischen Lage wertet die brasilianische Währung bislang nicht in gleichem Maße auf wie die anderer Schwellenländer. Neben der Wechselkursabwertung und den Stromtarifen treiben die gestiegenen Rohstoffpreise die Inflation in Brasilien an. Durch den Inflationsdruck zieht die brasilianische Zentralbank die geldpolitischen Anreize zurück und hob den Leitzins Selic Ende September zum fünften Mal in Folge auf nun 6,25 Prozent an.

Ausführlichere Informationen zum gesamtwirtschaftlichen Hintergrund bieten der Wirtschaftsausblick und die SWOT-Analyse.

Gute Aussichten für Land- und Bauwirtschaft

Mit Rekordergebnissen erweist sich die Land- und Forstwirtschaft ebenso wie in der Rezession von 2014 bis 2016 als Säule der Stabilität. Über den Dominoeffekt auf andere Wirtschaftsbereiche, wie den Transport-, Landmaschinen- und Agrarchemiesektor, trägt das Agribusiness mittlerweile zu über einem Viertel des brasilianischen BIP bei. Der Sektor profitiert von den hohen Rohstoffpreisen am Weltmarkt, verzeichnet jedoch besondere Risiken durch die Trockenheit.

Die Stromwirtschaft steht angesichts der Niedrigwasserstände in den Staudämmen der Wasserkraftwerke vor besonderen Herausforderungen. Die steigenden Tarife begünstigen die Abwanderung großer Stromverbraucher in den freien Strommarkt. Dieser Trend belebt die Investitionen in erneuerbare Energien.

Gut sieht es in Brasiliens Baubranche aus. Der Immobilienmarkt erholte sich erstaunlich schnell von der Krise: 2020 legte der Wohnungsverkauf um fast 10 Prozent zu. Neben dem Wohnungsbau mehren sich auch die Investitionen in Logistikimmobilien. Der Tiefbau erwartet Anreize durch neue Infrastrukturkonzessionen. Herausforderungen bergen allerdings die drastischen Preissteigerungen für Baumaterialien, insbesondere Stahl, Zement und PVC.

Kfz-Branche leidet unter Lieferengpässen

In der Automobilbranche stellen Lieferengpässe für Halbleiter die Hersteller weltweit vor Herausforderungen. In Brasilien muss der Betrieb immer wieder vorübergehend ausgesetzt werden. Der brasilianische Kfz-Sektor trifft zudem auf weitere Hürden durch die hohen Überkapazitäten und die Verteuerung der importierten Komponenten.

Der Branchencheck Brasilien bietet einen Überblick zu Maschinenbau, Chemieindustrie, Energiewirtschaft, Bau, Gesundheitswirtschaft, Landwirtschaft, Bergbau, Nahrungsmittelindustrie, Metallindustrie, Kfz und Kfz-Teile sowie Umwelttechnik.

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