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Special Ukraine Coronavirus

Konjunktur und wichtigste Branchen

Die Nationalbank hat ihre Prognose im Oktober 2021 gesenkt. Hintergrund sind die Zuspitzung der Pandemielage, hohe Gaspreise und globale Lieferkettenprobleme. (Stand: 2. November 2021)

Von Fabian Nemitz | Kiew

Die Erholung der ukrainischen Wirtschaft nach dem Coronajahr 2020 verläuft schleppender als erwartet. Daten des Statistikamts Derzhstat zufolge lag das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 2. Quartal 2021 real nur um 5,7 Prozent über dem Wert des Vorjahresquartals. Analysten hatten einen Anstieg von 7 bis 8 Prozent erwartet. Dieses Wachstumstempo enttäuscht, da die Wirtschaft im 2. Quartal 2020 wegen des Lockdowns besonders stark eingebrochen war.

In den vergangenen Monaten haben verschiedene Wirtschaftsinstitute ihre Wachstumsprognosen herabgesetzt. Am 21. Oktober 2021 zog auch die Nationalbank nach. Nach Einschätzung der Währungshüter wird das BIP 2021 voraussichtlich nur um 3,1 Prozent steigen, statt wie bisher prognostiziert um 3,8 Prozent. Die Prognose für 2022 wurde von 4 auf 3,8 Prozent gesenkt. Für 2023 rechnet die Nationalbank mit einem BIP-Wachstum von 4 Prozent.

Hintergrund der Konjunktureintrübung sind nach Aussage von Nationalbankchef Kyrylo Schewtschenko die Auswirkungen der Coronapandemie, der starke Anstieg der Gaspreise und die globalen Lieferkettenprobleme. Gestützt werde das Wachstum aber durch die Erholung der Weltwirtschaft, einen Anstieg der Binnennachfrage und hohe Preise für ukrainische Exportgüter.

Privatkonsum stützt Wirtschaftserholung

Wichtigste Wachstumsstütze bleibt der Privatkonsum. Laut Angaben von Derzhstat sind die Einzelhandelsumsätze in den ersten drei Quartalen 2021 real um 12,2 Prozent gestiegen. Schwach zeigt sich dagegen die Industrieproduktion mit einem Plus von nur 1,4 Prozent im gleichen Zeitraum.

Die Inflation hat in den letzten Monaten deutlich angezogen. Im September 2021 lagen die Verbraucherpreise 11 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Die Nationalbank hob den Leitzins nach einem Tiefststand von 6 Prozent schrittweise auf 8,5 Prozent an.

Kiew hofft auf neue Tranche aus IWF-Beistandsprogramm

Wichtig für die Ukraine bleibt die Unterstützung internationaler Geber. Nach einer längeren Verzögerung einigten sich die Ukraine und der Internationalen Währungsfonds (IWF) am 18. Oktober 2021 auf eine erste Revision des im Sommer 2020 geschlossenen Beistandsprogramms. Geprüft wird dabei auch eine Verlängerung des Programms, das Ende 2021 auslaufen würde. Gibt der IWF grünes Licht, winkt der Ukraine eine neue Kredittranche über 700 Millionen US-Dollar (US$).

Am 25. Oktober 2021 zahlte die Europäische Union die zweite von zwei Tranchen aus dem laufenden Makrofinanzhilfeprogramm aus. Die Summe belief sich auf 600 Millionen Euro. Zugute kam der Ukraine zuvor bereits die Auszahlung von 2,7 Milliarden US$ aus einem Sonderprogramm des IWF zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft.

Coronainzidenz legt stark zu

Nach einem ruhigen Sommer hat sich das Pandemiegeschehen seit Anfang September 2021 deutlich verschlechtert. Bei der Zahl der Neuinfektionen und der Todesfälle wurden jüngst neue Rekordwerte erreicht. Seit dem 30. Oktober 2021 befinden sich 15 der landesweit 24 Gebiete in der roten Zone, die Hauptstadt Kiew seit dem 1. November 2021.

Problematisch ist die im internationalen Vergleich niedrige Impfquote. Nur rund 17 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft. Zwar sind Mängel bei der Versorgung mit Impfstoffen weitgehend behoben, hinderlich ist jedoch die große Impfskepsis. Vor dem Hintergrund der pandemischen Zuspitzung und Einschränkungen für Ungeimpfte bewegte sich die Zahl der täglichen Impfungen zuletzt aber deutlich nach oben.

Kernbranchen unterstützen wirtschaftliche Erholung

In der Coronakrise kommt der Ukraine ihr Branchenmix, die vergleichsweise geringe Abhängigkeit vom Tourismus- und Dienstleistungssektor und der hohe Anteil konjunkturresistenter Sektoren wie der Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie zugute. Verschiedene Wirtschaftszweige profitieren 2021 von der Erholung der Weltwirtschaft.

Landwirtschaft steht vor neuer Rekordernte

Nach witterungsbedingten Einbußen 2020 steht die Landwirtschaft 2021 vor einer neuen Rekordernte. Das positive Ergebnis des Agrarsektors wird die Wirtschaft in den weiteren Quartalen stützen. Agrargüter und Nahrungsmittel standen 2020 mit 22,2 Milliarden US$ allein für 45 Prozent der gesamten Warenausfuhr der Ukraine.

Impulse für die Landwirtschaft erwarten Fachleute von der am 1. Juli 2021 erfolgten Liberalisierung des Bodenmarktes sowie höheren Investitionen in die Bewässerung. In der ersten Phase bleibt die Öffnung des Handels mit Agrarflächen aber auf Privatpersonen und eine Fläche von 100 Hektar beschränkt.

Starker Produktionsrückgang in der Nahrungsmittelindustrie

Dank der großen Agrarressourcen bietet die Nahrungsmittelindustrie gute Entwicklungsmöglichkeiten. Bislang bleibt sie jedoch weit unter ihrem Potenzial und hat noch nicht zu einem stabilen Aufwärtstrend gefunden. In den ersten drei Quartalen 2021 ging die Produktion der Branche real um 9,9 Prozent zurück. Eine Rolle hierbei spielt die vergleichsweise schwache Ernte 2020.

Metallindustrie profitiert von Erholung der Weltwirtschaft

Die Metallindustrie profitiert 2021 von der Erholung der Weltwirtschaft und hohen Preisen für Erze und Metalle, auch wenn die Preise zuletzt nachgelassen haben. Für das 1. Halbjahr 2021 meldet Derzhstat bei den Exporten von Erzen sowie Schlacken und Aschen (HS-Warenkategorie 26) ein nominales Wachstum von 106,2 Prozent auf 4 Milliarden US$. Die Ausfuhren von Metallen (HS-Warenkategorie 72 bis 83) legten nominal um 54,9 Prozent auf 7 Milliarden US$ zu.

IT-Sektor zeigt sich krisenfest

Die IT-Branche zeigt sich von der Coronakrise unbeeindruckt. Im Jahr 2020 stieg der Export von IT-Dienstleistungen um 20,4 Prozent auf 5 Milliarden US$, meldet der Verband IT Ukraine Association. Im Jahr 2021 setzt sich der Aufwärtstrend fort. Zwar wandern erfolgreiche Start-ups weiter in die USA und nach Europa ab, jedoch eröffnen auch weitere ausländische Firmen Entwicklungszentren in der Ukraine. Die Regierung machte im August 2021 den Weg für den neuen IT-Rechtsrahmen Diia City frei.


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