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Landstromversorgung verbessert Umweltbilanz großer Seehäfen

Deutsche Unternehmen bieten Lösungen zur Abgasreduktion in Seehäfen. Die Nachfrage danach stagniert. Durch den Green New Deal der EU könnte sie aber deutlich wachsen.

Von Lukas Latz | Berlin

Seehäfen sind ein bedeutender Emittent von Feinstaub und Stickoxiden der Städte, in denen sie sich befinden. Der Großteil davon fällt auf die Dieselmotoren der Containerschiffe, die auch laufen, wenn das Schiff angedockt ist.

„Wenn wir von einem richtig großen Containerschiff reden, das viele Kühlcontainer an Bord hat, dann verbraucht das permanent bis zu 18 Megawatt“, erklärt Nils Kemme, Partner bei HPC Hamburg Port Consulting,

„Dieser Energieverbrauch entspricht vier bis fünf großen Windrädern, die nur für dieses eine Schiff arbeiten würden.“

Landstromversorgung soll Feinstaub- und Stickstoffbelastung senken

Auch angedockte Schiffe lassen im Hafen ihren Motor laufen, damit die Energieversorgung an Bord aufrechterhalten bleibt. Um Schadstoffe und Treibhausgasemissionen zu senken, bietet sich an, die angedockten Schiffe landseitig mit Strom zu versorgen. Systeme zur Landstromversorgung bieten Technologie-Mischkonzerne wie Siemens (mit dem System SIHARBOR), Schneider Electric und ABB Ltd. In der Lieferkette sind auch deutsche Mittelständler beteiligt, etwa die Stemmann-Technik GmbH aus Schüttorf in Niedersachsen. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Lösungen zur Kabelzuführung gemäß dem ISO-Standard, der im August 2012 dafür festgelegt wurde.

„Wir bieten Lösungen zur Einspeisung von Landstrom in das Bordnetz von Schiffen flexibel angepasst an verschiedene Häfen und Schiffstypen“, erklärt Georg Matzku, Leiter der Abteilung Landstromversorgung bei Stemmann-Technik. Der Kabelanschluss befindet sich an Schiffen zumeist in unterschiedlichen Höhen. Die Höhe des Anschlusses kann variieren, wenn sich der Meeresspiegel zwischen Ebbe und Flut stark unterscheidet. Zuführungssysteme bietet Stemmann in drei Grundtypen: als große Kabeltrommeln, Hebefahrzeug oder als Kräne.

"Die Leitungen wiegen zehn Kilogramm pro Meter. Die Stecker wiegen 20 Kilogramm. Mit den meisten Arbeitsschutzgesetzen ist es nicht vereinbar, dass Hafenarbeiter solche Leitungen tragen. Das machen unsere Systeme", erklärt Matzku.

Kabelzuführungen hat Stemmann in der Vergangenheit in die Häfen von Hamburg, Rostock, Kiel, Shanghai, Tianjin, in mehreren norwegischen Städten und auf den kanarischen Inseln installiert. Schiffseitig installierte Stemmann-Technik Bordnetz-Anschlüsse auf weit über 100 Containerschiffen.

Wichtigste Märkte liegen in Norwegen und Kalifornien

Vorreiter in der umweltpolitischen Regulierung von Häfen ist Kalifornien. Im Jahr 2007 führte der US-Bundesstaat eine Vorschrift ein, die fast alle großen Schiffe dazu verpflichtet, auf Landstromversorgung zurückzugreifen, wenn sie in einem kalifornischen Hafen angedockt sind. Das Gesetz trat sukzessive zwischen 2010 und 2020 in Kraft. „Die unter Gouverneur Schwarzenegger eingeführte Regelung hat dazu geführt, dass wir zwischen 2010 und 2016 vermehrt Containerschiffe ausgestattet haben, die Kalifornien anfahren“, sagt Georg Matzku von Stemmann-Technik.

Auch Norwegen ist für Lösungen zur Landstromversorgung ein wichtiger Markt. Das Land hat sich anspruchsvolle Ziele zur Reduktion von Co2-Emissionen in der Schifffahrt gesetzt. So sollen wichtige Fährlinien mit vollkommen elektrischem Motor angetrieben werden. In besonders schützenswerten Fjorden soll die Schifffahrt komplett emissionsfrei werden. So soll auch um den Hafen von Oslo eine emissionsfreie Zone entstehen. Dort müssten dann auch einlaufende Schiffe mit hybridem Motor betrieben werden.

Markt stagniert bislang

Die Verbreitung von Landstromversorgung in Häfen ist bislang noch stark begrenzt. Aus einer Studie von EcoPorts, einem Zusammenschluss von (fast ausschließlich) europäischen Häfen, ergibt sich, dass der Anteil elektrifizierter Infrastruktur zwischen 2016 und 2020 kaum angestiegen ist. Infrastruktur zur Landstromversorgung existiert in 33 der insgesamt 105 Häfen, die dem Netzwerk EcoPorts beigetreten sind.

Eine Alternative zur Landstromversorgung sind LNG-PowerPacs, containergroße Flüssigerdgas-Container. Mit LNG PowerPacs kann der Hafenmotor am Dock betrieben werden. Verbrennendes Erdgas verursacht zwar auch C02-Emissionen, setzt beim Verbrennen aber deutlich weniger Schwefel- und Stickoxide frei. Somit tragen die Flüssigerdgas-Akkus ebenfalls zu einer gesünderen Stadtluft bei. Auch die Kapazitäten von Seehäfen zur Bereitstellung von LNG-PowerPacs ist noch sehr gering. Ein Hersteller der Technologie ist das Hamburger Unternehmen Becker Marine Systems. Für eine Testphase stattete Becker Marine Systems den Hamburger Hafen mit LNG-PowerPacs aus.

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EU könnte kommender Markt für Landstromversorgung werden

„Für die Reedereien gibt es momentan keinen Anreiz, auf Landstromversorgung zu setzen“, erklärt Nils Kemme von Hamburg Port Consulting. „Auch die privaten Terminalbetreiber installieren die Landstromanlagen bislang nicht, weil sie kein Geschäftsmodell darin sehen." In fast allen EU-Ländern ist der Netzstrom deutlich teurer als Energie, die durch einen Diesel-Schiffsmotor generiert wird.

Politische Steuerung könnte dafür sorgen, dass sich das ändert. Sobald ein dichtes Angebot zur Verfügung steht, könnten Hafenbehörden geringere Gebühren von Schiffen verlangen, die auf Landstromversorgung setzen. Zudem müssten noch weitere regulatorische Hürden beseitigt werden. „In Deutschland ist eine Hafenbehörde als Betreiberin einer Landstromanlage offiziell Stromnetzbetreiber“, erklärt Nils Kemme. „Und die Hafenbehörde muss alle regulatorischen Anforderungen eines Netzbetreibers erfüllen. Das heißt, im Hamburger Hafen hat die Hamburg Port Authority die gleichen Anforderungen wie Vattenfall, die ein öffentliches Stromnetz betreibt.“

Im November 2020 setzte die Bundesregierung ein Förderprogramm in Höhe von 176 Millionen Euro auf, das sich an Häfen richtet, die in Landstromversorgung investieren wollen. Im Rahmen des von der EU-Kommission propagierten Green New Deals könnten viele Seehäfen in Landstromversorgung investieren und Anreizsysteme zu ihrer Nutzung entwickeln. Kemme prognostiziert: „Der kommende Markt dafür ist Europa.“

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