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Special | Zentralasien | Konnektivität

Nördliche Route über Kasachstan ist immer stärker ausgelastet

Der Transitgüterverkehr auf Kasachstans Schienen hat sich in wenigen Jahren vervielfacht. Auf der Route wird viel in Schienen- und Straßenbau investiert, aber nicht immer effektiv.

Von Lukas Latz | Berlin

Beim Ausbau der Schieneninfrastruktur arbeitet Kasachstan eng mit DB Engineering and Consulting, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn, zusammen. 2019 schlossen DB und die kasachische Eisenbahn (Kazakhstan Temir Zholy; kurz: KTZh) einen Management-Kooperationsvertrag. Mit Peter Sturm ist ein Mitarbeiter von DB Engineering seit August 2020 Generaldirektor der KTZh-Tochtergesellschaft, die für den Personenverkehr zuständig ist.

Kasachstan investiert ins Schienennetz

„Kasachstan investiert viel in den Ausbau seiner Schieneninfrastruktur. Die Aussichten, dass der Transitverkehr weiter wachsen wird, sind gut. An der kasachisch-chinesischen Grenze, so erzählen uns Logistiker, klappt der Spurbreitenwechsel bereits besser als an der östlichen EU-Grenze“, erklärt Eduard Kinsbruner, Regionaldirektor für Zentralasien beim Ostausschuss der deutschen Wirtschaft.

Beobachter mahnen, dass Kasachstans staatliche Ausgaben in Infrastruktur mit einem hohen Korruptionsrisiko einhergehen, wenn sie nicht von multilateralen Banken finanziert werden. Im Februar 2021 wurde durch eine parlamentarische Anfrage bekannt, dass die Schulden des Staatsbetriebes KTZh 4,5 Milliarden US-Dollar (US$) betragen. Das entspricht fast zehn Prozent der gesamten kasachischen Staatsschulden. Die Ziele der kasachischen Eisenbahn zu Ausbau und Verbesserung des Schienennetzes könnten durch die hohen und intransparenten Auslandsschulden des Staatsbetriebes verzögert werden.

Innerhalb von knapp zehn Jahren erweiterte Kasachstan sein Schienennetz um fast 2.000 Kilometer. Das Netz erreicht damit nach Angaben der kasachischen Eisenbahn mittlerweile eine Gesamtlänge von über 16.000 km. Zum Vergleich: Deutschlands Schienennetz ist 38.400 km lang. Innerhalb von zwei Jahren konnte zudem die Geschwindigkeit des Transit-Containerverkehrs von 1.011 Kilometern pro Tag im Jahr 2018 auf 1.155 Kilometer pro Tag im Jahr 2020 gesteigert werden. Angestrebt werden 1.300 Kilometer pro Tag.

Darüber hinaus treibt Kasachstan die Elektrifizierung seines Schienennetzes voran. Im Rahmen des staatlichen Entwicklungsprogramms „Nurly Zhol“ sollen die Bahnstrecken Moyjnty-Aktogaj (522,4 km) und Tobol-Nikeltau (510,3 km) bis 2025 elektrifiziert werden.

Kasachische Eisenbahn: Daten im Überblick (Stand: 2020)

Länge des Schienennetzes

16.000 km (davon elektrifiziert: ca. 5.000 km)

Fracht-Umschlagsvolumen der kasachischen Eisenbahn insgesamt

256 Millionen 20-Fuß-Standardcontainer (TEU)

Geschwindigkeit von Transit-Containerzügen

1152 km pro Tag

Anzahl der Containerzüge im Transitverkehr über Kasachstan insgesamt

7000

Containerzüge im Transitverkehr über Kasachstan zwischen China und der EU

4800 (Im Jahr 2020 stieg die Zahl um 55 Prozent)

Quelle: Kasachische Eisenbahn (Kazakhstan Temir Zholy)

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Für den Transitfernverkehr gewinnt auch die Straße an Bedeutung

Infolge der Covid-Krise und der Blockade des Suez-Kanals durch das Auflaufen des Containerschiffs Ever Given ist der Warenverkehr zwischen China und Europa nach wie vor gestört. Da Container aktuell Mangelware sind, liefern Logistiker kleine Margen von China nach Westeuropa komplett über die Straße.

Der Straßentransit ist auch deshalb von Bedeutung, weil China den Transport von Gefahrgütern über die Schiene streng reglementiert. Als Gefahrgüter zählen beispielsweise auch Batterien und Akkuteile für die Motoren von E-Autos. Diese Güter, die von der deutschen Automobilindustrie stark nachgefragt werden, müssen die kasachische Grenze über die Straße passieren. Wegen strenger Hygieneauflagen kam es 2020 häufig zu LKW-Rückstau an der kasachisch-chinesischen Grenze.

Russische Autobahnen sollen Transitverkehr zwischen Westeuropa und China ermöglichen

In Russland werden aktuell zwei neue Autobahnen gebaut, die den Transitverkehr zwischen Europa und China verbessern sollen. Russlands Regierung hat ein „föderales Projekt“ zur Errichtung einer „internationalen Transportroute Europa-Westchina“ ausgerufen. In Teilen existiert die Route bereits. Das Projekt sieht den Neubau der Autobahn M12 zwischen Moskau und Kasan vor, den Bau einer Umgehungsstraße um die Stadt Toljatti und die Modernisierung einiger Teilstücke des bereits bestehenden Autobahnnetzes, das im Oblast Orenburg nach Kasachstan führt. Projektträger ist der staatliche Straßenbaukonzern Avtodor. Die Fertigstellung des Projektes ist bis 2024 geplant. Jedoch wurden beim Erwerb der nötigen Bodenrechte einige Fehler gemacht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Januar 2021 wegen Korruption. Dadurch könnte das Projekt verzögert werden.

Finanziert aus privaten Mitteln plant die Investitionsfirma „Russkaja Choldingovaja Kompanija“, geleitet vom ehemaligen Gazprom-Manager Aleksandr Rjazanov, eine kostenpflichtige Autobahn. Die „Meridian“ genannte Autobahn soll durch Südrussland führen. Da die großen russischen Metropolen umgangen werden und auf der Strecke kaum PKWs fahren würden, wäre die Strecke für autonomes Fahren und Schwertransporter geeignet. Nach Angaben des Investors soll der Bau der Strecke 7,5 Milliarden Euro kosten und könnte bis 2024 fertiggestellt werden. Die Finanzierung des Projekts ist bislang jedoch nicht vollständig geklärt.

Unilaterale Vorstöße stören gemeinsame Zollpolitik der EAWU

Kasachstan, Kirgisistan und Russland sind Teil der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), Usbekistan ist Mitgliedschaftsanwärter. Die EAWU arbeitet an der Vereinfachung der Zollregeln und will einen gemeinsamen Markt für Transportdienstleistungen schaffen. Jedoch ist häufig noch unklar, wann nationale Regeln und wann die supranationalen Regeln angewandt werden. Immer wieder kommt es zu spontanen unilateralen Regeländerungen, die Probleme verursachen.

Solche Regeländerungen führen zu langen LKW-Staus an der kasachisch-kirgisischen und an der russisch-kirgisischen Grenze. Zuletzt waren im April 2021 750 LKWs am kasachisch-russischen Grenzübergang Syrym/Maschtakowa blockiert. Wie die Tageszeitung Kommersant berichtete, war der Anlass eine Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen durch Russlands Geheimdienst FSB. Die Regelung sah vor, dass Lastwagen weniger dicht beladen werden müssen, damit die Behörden besser gegen Menschenhandel vorgehen können.

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