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Special | Singapur | Lieferketten

Pharmalieferungen aus Singapur haben enorm an Bedeutung gewonnen

Der Stadtstaat fördert die Pharmaindustrie als Schwerpunktsektor. Neue Unternehmen lassen sich nieder und viele bereits ansässige Firmen erhöhen ihre Investitionen.

Von Werner Kemper | Kuala Lumpur

Das südostasiatische Land ist ein blühender Pharmastandort. Es verfügt über 55 Produktionsanlagen, die zumeist von ausländischen multinationalen Unternehmen betrieben werden. Vier der weltweit zehn umsatzstärksten Medikamente werden in Singapur hergestellt. Der Sektor hat einen Anteil von fast 5 Prozent am Bruttoinlandsprodukt und beschäftigt knapp 8.000 Menschen.

Neben der Produktion ist der Stadtstaat auch attraktiv für Forschung und Entwicklung

Im 1. Halbjahr 2020, inmitten der schlimmsten Rezession Singapurs seit 55 Jahren, stieg der Wert der produzierten pharmazeutischen Erzeugnisse um 35,8 Prozent. Bereits 2019 konnte er um 3 Prozent auf über 15 Milliarden US-Dollar (US$) zulegen. Insbesondere die Monate März und April im Jahr 2020 sahen rasante Produktionssteigerungen um 126,6 Prozent beziehungsweise 141 Prozent.

Zu den größten internationalen Pharmaunternehmen, die in Singapur produzieren, gehören: GlaxoSmithKline, Merck Sharp & Dohme, Novartis, Pfizer, Sanofi-Aventis, Roche, AbbVie, Amgen, Schering-Plough, Wyeth und Kaneka. Neben der Produktion ist vor allem Forschung und Entwicklung (F&E) ein wichtiges Standbein des lokalen Wirtschaftszweiges.

Der Stadtstaat ist einer der globalen Standorte, an dem etliche der genannten Unternehmen außer aktiven pharmazeutischen Inhaltsstoffen (API) insbesondere auch antibakterielle und antivirale Medikamente herstellen. Mitte April 2021 kündigte Sanofi Pasteur an, in den nächsten fünf Jahren rund 450 Millionen US$ zu investieren, um eine Produktionsanlage für Impfstoffe zu errichten. Baubeginn ist für das 3. Quartal 2021 avisiert. Voll betriebsfähig soll die Anlage im 1. Quartal 2026 sein. Ziel des Unternehmens ist es, in Zukunft von dort aus den asiatischen Markt mit Impfstoffen zu versorgen.

Staat, Wissenschaft und Unternehmen arbeiten eng zusammen

Es ist der ausdrückliche Wunsch der Regierung, die Branche als Schwerpunktsektor zu fördern und dauerhaft in F&E zu investieren. Dies ist neben den allgemeinen Rahmenbedingungen wie politischer Stabilität, Rechtssicherheit und einer sehr starken Integration Singapurs in die Weltwirtschaft der wichtigste Standortvorteil für Pharmaunternehmen.

So hat der Staat sehr stark in die Schaffung der notwendigen Infrastruktur investiert. Fertige Industrieparks bieten sowohl Produktionsflächen als auch Möglichkeiten, Labore zu betreiben. So zum Beispiel der Tuas Biomedical Park, in dem die Anlage von Sanofi Pasteur errichtet werden soll. Firmen werden dadurch in die Lage versetzt, relativ schnell und kostengünstig ihre Produktion aufnehmen zu können oder, je nach Bedarf, Flächen hinzuzunehmen oder abzubauen.

Außerdem ist Singapur sehr daran interessiert, ein verlässliches und unterstützendes Ökosystem für die Arzneimittelbranche anzubieten. So hat beispielsweise Merck im Jahr 2018 ein 3.800 Quadratmeter großes Labor eröffnet. Dort können Pharma- und Biotech-Unternehmen ihre Produkte testen lassen. Dies ist die erste derartige Anlage, die Merck im asiatisch-pazifischen Raum installiert hat. Der 20 Millionen US$ teure Komplex ist extrem wichtig für regionale Hersteller, da sie dadurch schneller und kostengünstiger ihre Erzeugnisse vor Ort überprüfen lassen können. Somit entfällt der ansonsten deutlich aufwändigere Transport nach Europa oder in die USA in eines der dortigen Labore.

Mitte 2019 hat der Stadtstaat zudem eine Plattform eingerichtet, um eine intensivere Kollaboration zwischen Grundlagenforschung, Branchenunternehmen und Krankenhäusern zu ermöglichen. Das Experimental Drug Development Centre (EDDC) dient als Bindeglied, um für eine bessere Kommerzialisierung erfolgversprechender neuer Medikamente zu sorgen und Projekte als Public Private Partnership zu koordinieren. Außerdem leitet das EDDC das sogenannte Target Translation Consortium, welches in der Frühphase der Arzneimittelforschung (early-stage drug research) aktiv ist und aus etlichen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Regierungsstellen besteht. Diese sehr enge Kooperation zwischen Staat, Wissenschaft und Pharmaunternehmen ist ein wesentlicher Standortvorteil Singapurs, der seinesgleichen sucht.

Außenhandel bestätigt Bedeutung des Pharmasektors für Singapurs Volkswirtschaft

Die Lieferungen pharmazeutischer Produkte aus dem Land nach Deutschland sind Angaben des Statistischen Bundesamts zufolge zwischen den Jahren 2010 und 2020 um fast 2.400 Prozent gestiegen. Lediglich 2020 gab es eine kleine Delle, als die Brancheneinfuhren von rund 1,8 Milliarden US$ (2019) um 10,9 Prozent auf etwas über 1,6 Milliarden US$ zurückgegangen waren. Singapur liegt damit auf Rang 9 der wichtigsten Bezugsländer für Deutschland bei dieser Warengruppe.

Aus singapurischer Perspektive sieht es jedoch ganz anders aus. Insgesamt belaufen sich die Pharmaausfuhren des Stadtstaates auf etwas mehr als 9,3 Milliarden US$. Dabei entfallen 7,3 Milliarden US$ auf heimische Produkte, sogenannte domestic exports, und 2 Milliarden US$ auf Re-Exporte. Laut den Handelsstatistiken Singapurs lagen die Branchenlieferungen nach Deutschland 2019 bei gerade einmal 77,6 Millionen US$. Deutschland liegt damit in der Rangfolge wichtiger Absatzmärkte für derlei Erzeugnisse weit abgeschlagen auf Rang 23 hinter Italien und knapp vor Panama.

Der Verdacht drängt sich auf, dass diese Diskrepanz von mehr als 1,7 Milliarden US$ in weiten Teilen den sogenannten Rotterdam- und Antwerpen-Effekten geschuldet sein könnte. Laut den lokalen Behörden sind die Niederlande nach den USA und der Schweiz das drittwichtigste Abnehmerland pharmazeutischer Produkte made in Singapore. Im Jahr 2019 lag der Lieferwert den Angaben zufolge bei immerhin 842 Millionen US$. Die Niederlande weisen die entsprechenden Einfuhren ihrerseits jedoch mit lediglich rund 92 Millionen US$ aus. Ähnlich sieht es bei Belgien aus. Für Singapur steht Belgien auf Rang 4 der wichtigsten Exportdestinationen, mit einem Ausfuhrwert von 708 Millionen US$. Die belgische Einfuhrstatistik gibt den Wert allerdings mit 164 Millionen US$ an.

Deutsche Einfuhr ausgewählter Pharmachemikalien aus Singapur (in Millionen Euro, Veränderung in Prozent)

Warenkategorie

2010

2020

Veränderung 2020/2010

Arzneiwaren, a.n.g., dosiert (WA30049000)

1,8

1.364,6

75.711,1

Immunologische Erzeugnisse, gemischt, undosiert (WA30021400)

-

175,6

-

Immunologische Erzeugnisse, ungemischt, undosiert (WA30021300)

-

61,7

-

Heparin und seine Salze (WA30019091)

61,6

17,2

-72,1

gesamte Einfuhren Pharmachemikalien

65,3

1.630,6

2.397,1

Quelle: Destatis

Informationen zu Branche und Standortfaktoren in Singapur

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