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Special | Polen | Wasserstoff

Noch kein Durchbruch für emissionsarmen Wasserstoff

Polen will mehr Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen herstellen. Unternehmen haben eigene Strategien vorgestellt. Was fehlt, sind große Leuchtturmprojekte.

Von Christopher Fuß | Warschau

  • Polen will regionale Wasserstoffzentren aufbauen

    Die polnische Regierung hat eine Wasserstoffstrategie verabschiedet. Auch die Industrie interessiert sich für den Energieträger. Zwei Probleme stehen einem schnellen Ausbau im Weg.

    Polen ist für rund 14 Prozent der jährlichen Wasserstoffproduktion in der EU verantwortlich. Das Düngemittelunternehmen Grupa Azoty oder der Mineralölkonzern PKN Orlen zählen zu den wichtigsten Herstellern des Landes. Der Wasserstoff fällt im Rahmen von industriellen Verarbeitungsschritten an. Große Mengen an klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid (CO2) gelangen dabei in die Atmosphäre. Daher gilt dieser sogenannte graue Wasserstoff nicht als umweltfreundlich.

    Klimaverträglicher grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien ist in Polen Mangelware. Das könnte sich mittelfristig ändern. Bis 2030 will das Land neue Elektrolyse-Anlagen für die Produktion von emissionsarmem und emissionsfreiem Wasserstoff in Betrieb nehmen. Sie sollen eine Leistung von 2 Gigawatt haben. Die Regierung hat weitere Ziele in einem Strategiepapier (Polska Strategia Wodorowa 2030; PSW) festgehalten.

    Ziele der polnischen Wasserstoffstrategie
    1. Nutzung von Wasserstoff in der Strom- und Wärmeversorgung
    2. Nutzung von Wasserstoff als alternativer Kraftstoff
    3. Dekarbonisierung der Industrie mithilfe von Wasserstoff
    4. Eigene Herstellung von Wasserstoff
    5. Transport und Lagerung von Wasserstoff sicherstellen
    6. Schaffung eines gesetzlichen Rahmens

    Wasserstoff soll Benzin und Diesel ersetzen

    Polen will nicht nur die Produktion von grünem Wasserstoff fördern. Auch der aus fossilen Energieträgern gewonnene blaue Wasserstoff soll an Bedeutung gewinnen. Abscheide- und Speichertechnologien (Carbon Capture, Utilisation and Storage; CCU/CCS) neutralisieren hier das anfallende Treibhausgas.

    Geht es nach dem Strategiepapier PSW, rollen ab 2030 auf Polens Straßen bis zu 1.000 Wasserstoffbusse. Mindestens 32 neue Wasserstofftankstellen liefern den nötigen Treibstoff. Der Fokus auf den Verkehrssektor ist kein Zufall. Internationale Bushersteller wie MAN oder Solaris produzieren in Polen.

    Bei der Strom- und Wärmeversorgung sind die Ziele weniger konkret. Polen will Wasserstoffkraftwerke für Wohnsiedlungen und für industrielle Zwecke installieren. Die Regierung verspricht außerdem Investitionen in das Gasnetz. Ab 2030 werden den Plänen zufolge neben Erdgas auch alternative Brennstoffe mit einem Anteil von bis zu 10 Prozent am Gesamtvolumen durch die Leitungen fließen.

    International erprobte Modelle dienen als Vorlage beim Aufbau regionaler Cluster. Nach dem Muster anderer europäischer Staaten kündigt Polens Regierung die Gründung von Hydrogen-Valleys an. Öffentliche und private Akteure schaffen im Rahmen dieses Kooperationsmodells regionale Wertschöpfungsketten. Der Anteil polnischer Unternehmen an heimischen Wasserstoffprojekten soll ab 2030 bei mindestens 50 Prozent liegen.

    Hydrogen-Valleys in Polen

    Name

    Ausgewählte Mitglieder

    Hydrogen-Valley Dolnośląska

    Grupa Azoty, KGHM, Toyota

    Hydrogen-Valley Podkarpacka

    Autosan, ML System, Polenergia

    Hydrogen-Valley Mazowiecka

    Alstom, PESA, PKN Orlen, Siemens, Solaris, Toyota

    Hydrogen-Valley Śląsko-Małopolska

    Columbus Energy, Grupa Azoty, Orlen Południe, Polenergia, Węglokoks

    Hydrogen-Valley Uznam-Wolin 1)

    EcoEnergyH2, Stocznia Alumare, Task Engineering GmbH

    Hydrogen-Valley Sanok 2)

    Autosan, Fibrain, Hynfra, Stadt Sanok

    1) in Gründung; 2) Die Partner gründen ein kommunales UnternehmenQuelle: h2poland.eu 2022

    Europäische Fördergelder können bei der Finanzierung helfen

    Laut PSW liegen die Kosten für den Wasserstoffausbau bei rund 2,4 Milliarden Euro. Fördergelder sollen helfen, diese Summe zu stemmen. Polen hat 800 Millionen Euro aus dem europäischen Wiederaufbaufonds für neue Elektrolyseure und Tankstellen eingeplant. Der europäische Forschungsrahmen IPCEI (Important Projects of Common European Interest) oder kohäsionspolitische Töpfe könnten weitere Gelder bereitstellen.

    Bereits jetzt setzt der staatliche Umweltfonds (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej; NFOŚiGW) Maßnahmen um. Das Programm Neue Energie (Nowa Energia) unterstützt den Einsatz alternativer Energiequellen in der Industrie. Städte und Gemeinden, die Wasserstoffbusse einkaufen, können sich bis zu 90 Prozent der Kosten vom Umweltfonds erstatten lassen. Nicht nur die Zuzahlungen für den Nahverkehr stoßen auf Interesse. Anfang 2022 stellte der Umweltfonds 189 Millionen Euro für den Bau von Ladesäulen und Wasserstofftankstellen zur Verfügung. Das Geld war innerhalb weniger Tage aufgebraucht.

    Investitionsbedarf für die polnische Wasserstoffstrategie in Millionen Euro

    Projekt

    Bis 2025

    Bis 2030*

    Kauf von Bussen

    100

    400

    Bau von Tankstationen

    56

    -

    Bau von Elektrolyseuren

    50

    2.001

    Summe

    206

    2.401

    *) inklusive der Beträge bis 2025Quelle: PSW 2021

    Unternehmen stellen eigene Pläne vor

    Neben der Regierung haben auch polnische Firmen Wasserstoff-Strategien vorgestellt. Der staatliche Mineralölkonzern PKN Orlen will bis 2030 seine Wasserstoffproduktion für 1,7 Milliarden Euro ausbauen. An zehn Standorten sollen emissionsfreie und emissionsarme Anlagen mit einer Leistung von 0,5 Gigawatt in Betrieb gehen. Große Hoffnungen setzt PKN Orlen auf CCU/CCS-Technologien.

    Auch der Düngemittelhersteller Grupa Azoty baut auf Wasserstoff. Das Unternehmen kündigt Investitionen in Forschungs- und Entwicklungsprojekte an. Sehr ambitioniert sind die Pläne des Braunkohleriesen ZE PAK. Bis 2030 will der Konzern komplett aus der Kohleverstromung aussteigen. Wasserstoff soll beim Firmenumbau eine Schlüsselrolle spielen. ZE PAK setzt für die Elektrolyse auf Energie aus Biomassekraftwerken. Außerdem plant das Unternehmen, eigene Busse herzustellen.

    Fehlende Gelder und lückenhafte Regulierung

    Zwei Hürden bremsen den Ausbau von grünen und blauen Wasserstofftechnologien. Polen erhält aktuell kein Geld aus dem europäischen Wiederaufbaufonds. Die Europäische Kommission will die Mittel freigeben, wenn die Regierung Teile einer umstrittenen Justizreform zurücknimmt. Branchenvertreter bekräftigen, dass Fördergelder entscheidend für den Erfolg von Wasserstoff sind: "Ohne öffentliche Mittel wird es schwierig, eine Wasserstoffindustrie in Polen aufzubauen", erklärt Sławomir Halbryt, Leiter des Energieanlagenbauers Ses Hydrogen. Der stellvertretende Geschäftsführer des Konkurrenten SBB Energy, Robert Żmuda, ergänzt: "Bei den meisten Projekten [in Polen] handelt es sich aufgrund der hohen Kosten um Ideen oder um Maßnahmen auf der Suche nach Finanzierungsquellen."

    Ein weiteres Problem ist, dass viele juristische Fragen rund um den Wasserstoffausbau nicht geklärt sind. Wie der Anwalt Mateusz Romowicz im Branchenmagazin Gospodarka Morska erläutert, regelt das polnische Energierecht nicht den Einsatz von Wasserstoff im Energiesektor. Auch fehlen Vorschriften für Lagerung und Transport. Ohne einen rechtlichen Rahmen geben Investoren kein Geld.

    Immerhin: Seit Februar 2022 befindet sich ein Verordnungsentwurf des Energieministeriums über technische Anforderungen an Wasserstofftankstellen in der Beratung. Im 3. Quartal 2022 will die Regierung einen allgemeinen Rechtsrahmen für den Wasserstoffmarkt auf den Weg bringen. Der Gesetzestext soll eine Definition von Wasserstoff für Energiezwecke beinhalten, sowie die Netzeinspeisung, Lagerung und Veredelung des chemischen Elements regeln.

    Von Christopher Fuß | Warschau

  • Unternehmen verfolgen unterschiedliche Ansätze

    Polen will Wasserstoff vor allem als Alternative zum Diesel im Transportwesen nutzen. Großinvestitionen existieren auf dem Papier. Lieferprobleme erschweren den Durchbruch.

    Polnische Staatsfirmen kündigen Wasserstoffprojekte an. Obwohl die Betriebe bereits Erfahrungen mit dem chemischen Element sammeln konnten, produziert bislang keines von ihnen emissionsfreien grünen oder blauen Wasserstoff. Neben den öffentlichen Gesellschaften interessieren sich auch private Bergbauunternehmen für Wasserstoff. Firmen stellen außerdem neue Busse mit alternativen Antrieben vor.

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    Staatsbetriebe setzen auf blauen und grünen Wasserstoff

    Der Chemiekonzern Grupa Azoty ist Polens größter Hersteller von grauem Wasserstoff. Die Produktion könnte bald grüner werden, denn das Unternehmen investiert in Fotovoltaikparks. Im August 2022 hat Azoty mit dem Bau eines Forschungslabors in Kędzierzyn-Koźle begonnen. Die rund 4 Millionen Euro teure Anlage soll die Reinheit von Wasserstoff prüfen. Laut Konzernangaben wäre es die erste Einrichtung dieser Art in Polen. Hohe Reinheitsgrade sind vor allem im Straßenverkehr wichtig. Azoty kooperiert bei der Nutzung von Wasserstoff für Kraftfahrzeuge mit dem japanischen Autobauer Toyota.

    Der staatliche Mineralölkonzern PKN Orlen kündigt an, bis 2030 rund 1,7 Milliarden Euro in Wasserstoff zu investieren. Das Unternehmen hat 2021 eine neue Produktionsanlage in Trzebinia bei Krakau in Betrieb genommen. Sie stellt grauen Wasserstoff auf der Basis von fossilen Energieträgern her. Mittelfristig will Orlen auf erneuerbare Energien umsteigen. Der Konzern plant, auch an weiteren Standorten Elektrolyseure zu installieren.

    In Poznań, Katowice und Włocławek baut Orlen Wasserstofftankstellen. Bei der Finanzierung helfen EU-Gelder in Höhe von rund 2 Millionen Euro. Außerdem unterzeichnet das Unternehmen Erklärungen mit potenziellen Abnehmern. Öffentliche Verkehrsunternehmen sind eine wichtige Kundengruppe. Gemeinsam mit dem staatlichen Zughersteller PESA präsentierte Orlen im Herbst 2021 eine Wasserstoff-Lokomotive. Vereinbarungen existieren auch mit dem französischen Hersteller Alstom. Der Eisenbahnproduzent will in Polen Wasserstoffzüge verkaufen. Orlen könnte den Treibstoff liefern.

    Kooperation mit deutschem Unternehmen

    Polens größter staatlicher Gasversorger PGNiG verfolgt laut eigenen Angaben acht Wasserstoffprojekte im Wert von insgesamt über 60 Millionen Euro. Ein zentrales Vorhaben ist das Blue H2-Programm. Im Zentrum steht der Bau einer Produktionsanlage für blauen Wasserstoff im schlesischen Zabrze. PGNiG arbeitet bei diesem Projekt mit dem polnischen Glashersteller ECOGLASS, dem Stahlwerk Huta Pokój und dem deutschen Hersteller von Industriegas Messer Polska zusammen. Im Jahr 2023 soll die Anlage ihren Betrieb aufnehmen. In der Stadt Odolanów könnte PGNiG bald grünen Wasserstoff produzieren. Hier baut das Unternehmen unter dem Projektnamen InGrid eine Modellanlage. Sie soll Wasserstoff aus Fotovoltaikstrom erzeugen und zu Testzwecken ins Gasnetz einspeisen.

    Der staatliche Raffineriebetreiber Lotos will ab 2025 Elektrolyseanlagen mit einer Leistung von bis zu 100 Megawatt in Gdańsk aufbauen. Bereits 2022 könnten Arbeiten an einer Modellanlage beginnen. Lotos schätzt die Kosten für das gesamte Vorhaben auf über 220 Millionen Euro. Den nötigen Strom sollen erneuerbare Energien liefern. Auch im ostpolnischen Jasło baut Lotos eine Wasserstoffproduktion auf. Ähnlich wie Orlen setzt Lotos große Hoffnungen auf Energie aus Offshore-Windanlagen vor Polens Ostseeküste.

    Auch private Unternehmen investieren

    Bis 2030 will der private Braunkohleförderer ZE PAK die Kohleverstromung einstellen. Bereits heute entwickelt der Konzern alternative Geschäftszweige. Für 7,4 Millionen Euro baut ZE PAK eine Wasserstoffproduktion, die mit Fotovoltaikpaneelen betrieben wird. Der gewonnene Kraftstoff soll jährlich 84 Busse mit der nötigen Energie versorgen. Der EU-Innovationsfonds unterstützt das Projekt.

    In einem Biomassekraftwerk in der Stadt Konin will ZE PAK ebenfalls Wasserstoff produzieren. Die Lieferung des bestellten Elektrolyseurs verzögert sich aber. Gemeinsam mit der Stadt Rybnik plant der Braunkohleriese den Bau einer Müllverbrennungsanlage. Sie soll Energie für die Wasserstoffproduktion liefern. Das Projekt steht noch am Anfang. Deutlich weiter ist ZE PAK bei den Plänen, einen eigenen Bus mit Wasserstoffantrieb auf den Markt zu bringen. Ab 2023 soll der Bau eines Produktionswerks in Świdnik beginnen.

    Ein Prototyp des Fahrzeugs existiert bereits. Die Stadt Konin nutzt diesen im öffentlichen Nahverkehr. Neben einem Bus des Herstellers Solaris ist es das zweite Wasserstoffmodell im Ort. Konin setzt als erste Stadt in Polen einen Bus mit Wasserstoffantrieb dauerhaft ein. Weitere Hersteller versuchen sich auf dem Markt. Das ostpolnische Unternehmen Autosan entwickelt unter dem Markennamen SANCITY eigene Wasserstoffbusse.

    Ausschreibungen verzögern sich

    Eine Herausforderung scheint die Rohstoffversorgung zu sein. Die Metropolregion Oberschlesien (Górnośląsko-Zagłębiowska Metropolia) erhält staatliche Zuzahlungen für den Kauf von 20 Wasserstoffbussen. Trotzdem will der Städtebund erst dann Fahrzeuge bestellen, wenn ausreichend Wasserstoff regelmäßig geliefert werden kann. Verhandlungen mit Lotos und Orlen dauern an. Hohe Kosten für das Tankstellennetz schrecken Gemeinden zusätzlich ab.

    Besser läuft es bei dem privaten Chemieriesen Synthos. Die Firma darf sich über Forschungsgelder aus dem europäischen Forschungsrahmen IPCEI (Important Projects of Common European Interest) freuen. Das Unternehmen will Wasserstoff mittels Hochtemperaturdampf produzieren. Die nötige Hitze könnte ein modularer Kernreaktor liefern (Small Modular Reactor; SMR). Synthos interessiert sich für die Technologie.

    Ganz auf erneuerbare Energien setzt hingegen der Steinbruch ŚKSM (Świętokrzyskie Kopalnie Surowców Mineralnych). Bis 2023 will das Unternehmen eine Fotovoltaikanlage mit 3 Megawatt Leistung in Betrieb nehmen. Die Paneele sollen einen Wasserstoff-Elektrolyseur betreiben. Transportfahrzeuge und Baumaschinen werden das chemische Element als Treibstoff nutzen.

    Von Christopher Fuß | Warschau

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft, auch Hinweise zu Ausschreibungen

    Exportinitiative Energie

    Hinweise zu Veranstaltungen, Markt- und Länderinformationen

    Factsheets der Exportinitiative Energie

    Factsheets mit allgemeinen Energieinformationen zum Land (teilweise mit Technologie- oder Anwendungsfokus)

    AHK Polen

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Polnisches Ministerium für Klima

    Polnisches Ministerium zuständig für Klima, Umweltschutz und Energiewirtschaft

    Wasserstoffportal

    Webseite der staatlichen polnischen Industrieagentur über Wasserstoffprojekte

    Polnischer Verband für alternative Kraftstoffe

    Größter polnischer Verband zur Verbreitung von Nullemissions- und emissionsarmen Transporttechnologien

    Hydrogen Poland

    Interessensverband der Wasserstoffindustrie in Polen

    Forum Energii

    Thinktank zu Energiefragen in Polen

    Wysokie Napięcie

    Internetportal zur Energiebranche

    Gramwzielone

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